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Eine Phobie? Über die Angst vor dem Beugen

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Für einen guten Witz bin ich immer zu haben, Humor finde ich ganz wunderbar, Spaß kann es nie genug geben, und für ein unbekümmert fröhliches Lachen verrate ich sogar meine ... Was ich sagen möchte: Ich finde es toll, wenn Leser viel Sinn für etwas Unsinn haben oder auch mal schlagfertig mir einen Kalauer präsentieren. Manchmal steigt meine Laune dann sogar um ein paar Prozentpunkte an (auf der nach oben offenen Skala); manchmal aber auch nicht. Die Versuche in dieser Woche:

Episode 1: "Ich habe den Eindruck, dass einige Ihrer Kollegen an einer gar nicht einmal so seltenen Krankheit leiden", meinte eine Leserin und nannte mir die Diagnose: "Es handelt sich um die Deklinationsphobie." Dies möchte ich betonen: Ohne Suchmaschine habe ich sofort begriffen, was die Frau meint. Deklinieren bedeutet, ein Substantiv oder ein Adjektiv zu beugen, und von einer Phobie spricht man, wenn es um eine krankhafte Angst vor etwas geht. Soll also heißen: Redakteure haben Angst davor, ein Substantiv zu beugen. Mir war klar, dass die Anruferin einen Fehler in der Zeitung gefunden hatte und ihn mir mitteilen wollte, weshalb ich fragte: "Um Artikel handelt es sich denn?" Die Leserin zitierte die Überschrift eines Berichts auf der Seite Politik, mehr sagte sie nicht: "Syrien lässt UN-Experte auflaufen".

Episode 2: Dies war der elfte Anruf, bei dem es um die Doppelseite "Ausgesprochen" am 16. August in der Beilage "Wochenende" der "Freien Presse" ging. Der Anrufer las mir die Unterzeile vor: "Ein heiter bis wolkiger Streifzug durch die Welt der deutschen Sprache - Von Tücken im Gebrauch, vermeintlich wirrem Buchstabensalat und manchem Irrtum". Anschließend hörte ich einen Satz aus einer Meldung über Studienkredite: "Erst wenn sie sicher ausschließen können, kein Bafög oder kein Stipendium zu bekommen, kann der Gang zur Bank eine Lösung sein", zitierte der Leser und fragte mich, ob wir diese Nachricht nicht dem Autor schicken können, aus dessen Feder die Texte auf der Panoramaseite stammten, weil er der Ansicht sei, dort gehöre dieser Satz auf jeden Fall hin. Es hat ein paar Sekunden gedauert, bis ich begriffen habe, worum es dem Anrufer ging, doch dann entdeckte ich den Fehler und sagte spontan: "Es stimmt nicht, dass ich die doppelte Verneinung nicht doch noch bemerkt habe." War das jetzt richtig?

Episode 3: Es gibt Leser, die schicken mir Mails, die aus nur einem Satz bestehen, weil sie auf diese Weise auf den Punkt bringen wollen, was sie zu einem Artikel oder einem Foto zu sagen haben. Diese hat mich Anfang der Woche erreicht: "Was ist das russische Kampfschiff gegen die beiden stolzen Fregatten Netrebko und Garanchia?" Da saß ich nun und hatte nicht die Spur einer Ahnung, was mir der Verfasser damit sagen wollte. Normalerweise, weil ich nur die Mailadresse habe (keinen Namen, keine Anschrift), lösche ich solche kryptischen Andeutungen, weil ich meistens auch keine Lust dazu habe, bei einem Menschen nachzufragen, der sich hinter einer Mailadresse versteckt; das habe ich auch diesmal nicht getan, doch mein Ehrgeiz war geweckt, weil das Wort "Netrebko" das einzige war, womit ich etwas anfangen konnte, weil ich zwar nicht gerade ein Fan von ihr bin, doch die Leistungen von Anna Jurjewna Netrebko als Sopranistin zu würdigen weiß; von ihrem Aussehen ganz zu schweigen.

Also habe ich "Garanchia" in die Suchmaschine eingegeben und wurde sofort auf die falsche Schreibweise hingewiesen, denn gemeint könne nur Elina Garanca sein, und was soll ich lange um den heißen Brei reden: Ich finde die lettische Mezzosopranistin einfach klasse, stimmlich sowieso und ... Nun stellte sich mir die Frage: Was können diese beiden berühmten Sängerinnen besser als ein russisches Kampfschiff? Die Suchmaschine wusste keine Antwort, die Namen und das Seefahrzeug gemeinsam als Stichwörter gab keine wesentlichen Treffer. Dann  gab ich nur "russisches Kampfschiff" ein und hatte Erfolg: Ein Bild war zu sehen, das ich aus der Zeitung kannte, denn am Freitag vergangener Woche hat "Freie Presse" mit diesem Foto unter Überschrift "Mordowija, der Badeschreck" über die Landung eines tonnenschweren Luftkissenbootes der russischen Marine an einem Badestrand berichtet; das 56 Meter lange Kampfschiff Mordowija hatte erst unmittelbar vor dem Ufer der Siedlung Metschnikowo bei Kaliningrad gebremst. (Selbstverständlich hatte ich mir auch das Video im Netz angeschaut.) Nur auf die abschließende Frage hatte ich noch immer keine Antwort: Was wollte mir der Leser damit sagen? Meine Vermutung: Wer über solche Frauen mit diesen fantastischen Stimmen verfügt, braucht keine Kriegsmarine, um den Westen zu erobern. Mein Fazit: Wenn das stimmt, bin ich der Erste, der bereit ist, sich ihnen entgegenzustellen und den Westen zu verteidigen; das wäre mir diese Begegnung wert.

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