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Aus dem Nichts heraus sprach die Stimme

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Bei den Gesprächen und Diskussionen mit Lesern, die mich wegen eins englischen Begriffs in der Zeitung anrufen und meinen, dass an dieser Stelle auch ein deutsches Wort sinnvoll gewesen wäre, und die ihren Hinweis als ein wichtigen Schritt ansehen auf dem Weg, sich gegen die Zunahme des Gebrauchs von Anglizismen zu wehren, gelingt es mir fast immer, dass die Person in der Leitung und ich uns einig sind und wird beide zufrieden auflegen, weil unsere Ansichten soweit gar nicht auseinander gehen. Beispielsweise gab es einen solchen Konsens mit dem Leser, der mich gefragt hatte, ob das Wort "outen" in den Artikel über den Fußballer Thomas Hitzlsperger denn unbedingt notwendig gewesen sei; dass es im Duden steht und unter anderem mit "Homosexualität öffentlich machen" erklärt wird, hat den Mann beispielsweise sehr überrascht. Obwohl das auch für das englische "Coming-out" gilt und der Duden das mit der gleichen Erklärung aufgenommen hat, habe ich der Leserin, die den Gebrauch dieses Anglizismus moniert hatte, zugestimmt, dass es vielleicht sinnvoll gewesen wäre, diesen Begriff in einem der Beiträge, in dem er geschrieben stand, auch zu erklären. An meine Grenzen gestoßen aber bin ich bei dem Gespräch über den Artikel "Neustart aus dem politischen Off" über den Zustand der FDP auf Grundlage des Dreikönigstreffens der Partei in Stuttgart.

"Was meinen Sie mit diesem Off?" wollte eine Leserin von mir wissen. Zunächst habe ich es spontan mit dieser Erklärung versucht, und ich gebe zu, dass das keine gute Idee war: "Vielleicht ist das ein Synonym für das Nichts", habe ich gesagt, während mich die anschließend Reaktion der Frau doch erstaunt hat, denn als Anhängerin der FDP sei sie keinesfalls damit einverstanden, die Partei in dem politischen Nichts zu wähnen oder dorthin zu manövrieren, nur weil sie jetzt nicht mehr im Bundestag vertreten sei. Währenddessen hatte ich das Wort in die Suchmaschine eingegeben und das Nachforschen mit einem entsprechenden Zusatz auf den Duden beschränkt, so dass ich einen zweiten Versuch mit diesem Hinweis startete: "Das Off ist ein unsichtbar bleibender Bereich oder ein Hintergrund beispielsweise bei einer Bühnenaufführung oder in Filmen bei einer bestimmten Kameraeinstellung, wenn man eine Stimme hört, den Sprecher aber nicht sieht." Und dann passierte es: "Die Erklärung leuchtet mir ein, aber jetzt überlegen Sie bitte mal, was das für diese Überschrift bedeutet." Darauf konnte ich zunächst nichts sagen, denn einen Neustart aus der Stimme eines Unsichtbaren heraus konnte ich mir nicht vorstellen und die FDP in einen politischen unsichtbaren Bereich verschieben erschien mir angesichts dieses Aufmachers auf der Seite Zeitgeschehen auch nicht gerade angebracht; also schwieg ich. Und die Frau in der Leitung setzte noch einen drauf: "Versuchen Sie doch mal, stattdessen ein deutsches Wort für diese Überschrift zu finden, das genau das ausdrückt, was der Autor des Artikels meinte, als er sich für dies Zeile entschied." Das gelang mir nicht, also schwieg ich weiter, und als ich gerade mit einem "also ..." weitersprechen wollte, hörte ich dies: "Sehen Sie, dieses Off passt dort einfach nicht hin. Bitte richten Sie das ihren Kollegen in der Redaktion aus." Das sicherte ich der Anruferin zu und akzeptierte damit gleichermaßen das Ende des Gesprächs, weil sich mittlerweile ein semantischer Drehwurm in meinen Gehirnwindungen eingenistet hatte und ich froh war, dieses Dilemma zunächst einmal nicht weiter durchleiden zu müssen. Soll heißen: Die Leserin war zufrieden, ich alles andere als das; und die Schokolade in der Schreibtischschublade wurde um einen Riegel kleiner.

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