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Fußball und die Frage nach der Moral
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Für gewöhnlich versuche ich, mich um die Beantwortung von Fragen der Moral oder der Ehre zu drücken, weil ich meistens (warum auch immer) eine andere Meinung habe als die Leser, die mich angerufen haben, weil sie mit mir über einen Fall sprechen wollen, den sie in der Zeitung entdeckt haben und der ihnen sauer aufgestoßen ist. Denn die Erfahrung hat mich gelehrt: Der Austausch von Meinungen ist sinnvoll, die Verteidigung der eigenen aber stets nur bedingt ein gutes Mittel, um das Gespräch mit Anrufern zu einem für beide Seiten versöhnlichen Ende zu führen. Zwei Unterhaltungen von gestern sind geeignet, deutlichen zu machen, wie ich das meine. Zunächst zitiere ich die Passage aus dem Artikel, um den es den beiden Leserin ging, und stelle die Frage in den Raum: Was hat die Anrufer wohl verärgert?
Es ist der erste Absatz des Artikels "Ribérys Traum zerplatzt: 'Ballon d'Or' geht an Ronaldo" auf der Seite Sport vom Dienstag: "So gerne wäre Franck Ribéry mit dem Goldenen Ball wie ein Frechdachs über die Gala-Bühne geflitzt - das Objekt der Begierde hielt aber Cristiano Ronaldo als glücklicher Sieger fest in seinen Händen. Münchens Musterprofi Ribéry ist bei der Wahl zum Weltfußballer des Jahres 2013 trotz fünf Titeln mit dem FC Bayern leer ausgegangen. Der Franzose konnte gestern Abend bei der glamourösen Fifa-Gala in Zürich wie Vierfachsieger Lionel Messi nur Ronaldo gratulieren."
Nun weiß ich um die manchmal etwas umgangssprachlichen Formulierungen meine Kollegen im Sport, weshalb ich selbst niemals auf die Idee kommen würde, mir bildlich vorzustellen, wie ein prominenter Fußballer "wie ein Frechdachs über die Bühne flitzt". Was den Korrespondenten zu diesem Vergleich bewogen hat, muss sich mir nicht erschließen, weil ich von Fußball eher wenig verstehe und Franck Ribéry zwar dem Namen nach kenne und weiß, dass er seit Jahren am liebsten Lederhosen trägt. Aber deswegen hatten der Mann und die Frau mich nicht angerufen. Es war etwas anderes, nur ein Wort - der "Musterprofi". Womit wir bei der Moral wären:
Zunächst möchte ich mit einem Satz beschreiben, was ich mir unter einem Musterprofi vorstelle; allgemein und besonders als Fußballer: Der Mann ist ein anerkannter Meister seines Fach und taugt angesichts seiner fachlichen Qualitäten und seiner ganzen Persönlichkeit als Vorbild für andere Vertreter seiner Profession und besonders für den Nachwuchs. Ob Franck Ribéry ein solcher Fußballer ist? Ich weiß es nicht, das mögen die Spezialisten entscheiden. Kommen wir nun zu der Kritik wegen des "Musterprofis":
"Haben Sie noch nie etwas von diesem Skandal vor vier Jahren bei der Fußballweltmeisterschaft gehört, als Ribéry einer von den französischen Nationalspielern war, die Sex mit einer minderjährigen Prostituierten hatten?", fragt mich eine Lesern und erläuterte mir, nachdem ich ihr von der Ahnung einer Erinnerung innerhalb meiner Gehirnwindungen erzählt hatte, dass solch ein Mann niemals als Vorbild für Fußballer tauge.
Zwischen diesem und dem nächsten Anruf in dieser Sache habe ich die Suchmaschine aktiviert, weil ich mich davon überzeugen wollte, ob ich wirklich (was den Fußball betrifft) gänzlich hinter dem Mond lebe, weil ich mich nur ganz vage an die Berichte vor vier Jahren erinnern konnte. Und seit der Zeit, als die Frau des Bundespräsidenten dagegen geklagt hatte, dass die Suchmaschine nach der Eingabe ihres Namens bei der weiteren automatischen Vervollständigung als nächsten Begriff den "Escortservice" anbot, vertraue ich darauf, dass diese Angebote an weiteren Begriffen ein guter Gradmesser für die Relevanz dieser Hinweise sind. Bei Franck Ribéry kamen als nächstes Narbe, Autounfall, Gehalt und Steckbrief; von Sex also keine Spur, wobei mir diese Begriffe bis auf das Gehalt auch nicht viel sagten. Also war ich zunächst beruhigt und schämte mich meiner Unwissenheit nicht.
"Was mich am meisten stört, ist die Tatsache, dass vor einigen Monaten, als der Prozess losging, sich die Bosse vom FC Bayern demonstrativ hinter ihren Star gestellt haben, als wäre Sex mit einer minderjährigen Prostituierten ein Kavaliersdelikt", sagte ein anderer Leser meinte noch, dass er nur wenige Fußballer kenne, die seiner Ansicht nach das Zeug zu einem Vorbild haben; irgendwie kam das Gespräch dann noch auf Uli Hoeneß, aber das ist ein anderes Thema. Jedenfalls fand der Mann das Wort "Musterprofi" als Bezeichnung für den Drittplatzierten bei der Wahl zum Weltfußballer des Jahres alles andere als angebracht.
Was soll ich sagen: Ich habe mit beiden Lesern nicht darüber diskutiert, ob Sex mit einer siebzehnjährigen Prostituierten ein Grund ist, Franck Ribéry moralische Vorhaltungen deswegen zu machen, wobei der Fußballstar sich darauf beruft, von dem Alter der jungen Frau nichts gewusst zu haben, und wir letztendlich bei der Frage sind: Dürfen Profifußballer für Sex bezahlen oder disqualifizieren sie sich damit als Vorbild? Es gibt in diesem Fall nur einen Grund, warum ich mir die Meinung der Anrufer nur angehört habe: Die Antwort auf diese Frage ist für mich nicht wichtig.
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