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Von der Schieflage in die Sackgasse
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Gespräche mit Lesern über außenpolitische Themen sind eher selten, was vermutlich daran liegt, dass die Meinungen zu Problemen und Krisen in anderen Ländern mich meistens schriftlich in Form von Briefen oder Mails erreichen, weil die Verfasser fast immer von ihrer Analyse der Gründe für die politischen oder gesellschaftlichen Entwicklungen in anderen Staaten überzeugt sind und deshalb nur den einen Wunsch haben, ihre Erkenntnisse als Leserbrief in der Zeitung wiederzufinden. Deshalb war diese erste Unterhaltung heute auch eine Ausnahme:
"Es geht mir um die politischen Zustände in Russland", leitete ein Leser das Gespräch mit mir ein und brachte anschließend, mehr in einem Nebensatz, zum Ausdruck, dass er mit der betont kritischen Berichterstattung über die Verhältnisse in Russland in der "Freien Presse" nicht so richtig einverstanden sei. Dann fiel ein Satz, der mich mal wieder für einige Augenblicke sprachlos gemacht hat: "Die russische Regierung hat die Presse in ihrem Land einfach nicht im Griff, das ist das Grundübel, aus dem alle anderen entstehen." Nach den Schrecksekunden wollte ich von dem Mann wissen, ob ihm klar sei, dass er mit dem Vertreter einer Tageszeitung telefoniere. Seine Antwort: "Natürlich ist mir das klar, und deshalb weiß ich schließlich auch, warum in Deutschland so vieles nicht funktioniert, weil die Medien ..." Ich habe ihn ausreden lassen und mir auch noch das kurze Schwelgen von den Zeiten in der DDR angehört, mich dann aber für den Anruf bedankt und verabschiedet, bevor ich aufgelegt habe.
Das war aber nicht das einzige Gespräch heute mit einem "gesellschaftskritischen" Grundtenor, denn auch eine andere Leserin, die mich eigentlich wegen ihrer ablehnenden Haltung zur aktiven Sterbehilfe angerufen hatte, nutzte die Gelegenheit, mir dies noch zu sagen: "Vieles in unserer Gesellschaft befindet sich in einer gefährlichen Schieflage und mündet, wenn wir nicht endlich etwas dagegen unternehmen, in einer Sackgasse mit schlimmen Konsequenzen für uns alle." Ich hätte schweigen sollen, weil ich schon vergeblich versucht hatte, mit der Frau in der Leitung über die von theologischen Dogmen getragene Argumentation gegen die Sterbehilfe zu diskutieren und als Reaktion darauf nur weitere religiöse Bekenntnisse und Gebote hörte, aber ich fragte wider besseren Wissens: "Wie meinen Sie das?" Den Inhalt ihrer folgenden Ausführungen möchte ich nicht wiedergeben, nur noch hinzufügen, dass der Artikel "Ein Frauenpaar freut sich über dreifaches Mutterglück" ihren geballten Unmut auf sich gezogen hatte, weil darin von einem "Ehepaar" die Rede war.
Mit mir und meinen Aufgaben als Leserobmann im Reinen war ich dann wieder, als mich zwei Anrufer auf ganz konkrete Probleme angesprochen haben. Der erste fragte: "Warum brennt in dem Stadion, das gar nicht mehr in Betrieb ist, in den Abendstunden das Flutlicht?" Der zweite wollte von mir wissen: "Entlang der Straße sind fast 50 Bäume gefällt worden, niemand kennt den Grund, und im Rathaus bekomme ich keine Antwort auf die Frage: Musste das wirklich sein?" Denn in diesen Momenten, in denen ich dann meine Kollegen über diese Anliegen informiere, weiß ich und spreche es manchmal sogar laut aus: "Das ist wahrer Lokaljournalismus, niemals wird man darauf verzichten können."
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