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Jetzt geht es mich wirklich etwas an
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Nun ist geschehen, wovor ich mich - da bin ehrlich - gefürchtet habe, weil ich mich darauf nicht vorbereiten konnte und nicht weiß, was ich dann machen kann, was ich sagen und wie ich mich verhalten soll. Um kurz nach zehn hat mich heute eine Leserin angerufen, die zunächst von mir wissen wollte, ob und wann noch weitere Leserbriefe zum Thema Sterbehilfe in der "Freien Presse" erscheinen werden. Nachdem ich ihr gesagt habe, dass es morgen eine Sonderseite des Leserforums nur mit Meinungen zum "Einspruch"-Artikel "Mein Tod gehört mir" des früheren MDR-Intendanten Udo Reiter in der Zeitung geben wird, hat sie zunächst eine Pause gemacht, bevor sie dies sagte: "Denn ich will nicht mehr leben, ich brauche dringend Hilfe beim Sterben."
Etwa eine Viertelstunde hat die Frau mir erzählt, warum sie diesen Wunsch hat und warum sie sich auch von niemanden davon abbringen lassen wird; sie hat aber um Vertraulichkeit geben, weshalb ich nun über keine näheren Einzelheiten schreiben werde. Aber das ist auch nicht nötig, denn in diesem Punkt bin ich mir ganz sicher: Diese Seniorin weiß ganz genau, wovon sie spricht; sie ist nicht verwirrt; sie hat sich ausführlich (auch von Medizinern und Sozialfürsorgern) beraten lassen und über alle Möglichkeiten informiert; sie will ihrem Leben aus freiem Willen ein Ende bereiten, aber der Suizid kommt nicht infrage, weil sie befürchtet, dass er ihr nicht gelingt und sie ein noch größeres Leiden erwartet. Das Geld für eine Reise ins Ausland hat sie nicht.
Ganz und gar nicht hatte ich während dieser Minuten den Eindruck, dass die Anruferin von einer unentwegten Verzweiflung getrieben zu dieser Entscheidung gelangt ist, aber mir ist während dieses Gesprächs immer klarer geworden, dass unsere Gesellschaft mit ihren bestehenden Gesetzen tatsächlich nicht in der Lage ist, dieser Frau zu helfen. Sollte mir jetzt jemand sagen wollen, dass man ihr doch alle Hilfe dieser Welt zuteil werden lassen könnte, damit ihr Leben wieder einen selbstbestimmten Wert bekommt und sie wieder Freude empfinden kann, so kenne ich nur eine Antwort darauf, und aus der mache ich kein Geheimnis: Das ist nur eine Ausrede und das Eingeständnis einer Ohnmacht, wie ich sie mir folgenschwerer für die Menschen, die ein selbstbestimmtes Sterben wollen, nicht vorstellen kann.
Die Frau - sie ist deutlich älter als 80 Jahre alt - ruft mich in der nächsten Woche noch einmal an; ich habe sie darum gebeten, weil ich jetzt mit Freunden darüber reden möchte, was ich ihr noch sagen kann; es müssten mehr als nur Worte des Trostes sein.
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