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"... und er küsste ausgiebig ihren Bauchnabel"

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Bevor ich von dem einen Gespräch heute berichte, muss ich kurz bekennen: Ich habe noch nie in meinem Leben einen Fortsetzungsroman in der Zeitung gelesen. Dafür gibt es nur diesen einen Grund: Ich mag das "Format" nicht, weil ich mir nicht die Entscheidung aus der Hand nehmen lassen möchte, ob ich weiterlese oder nicht. Aber ich weiß auch, dass die Seite in der Zeitung mit dem Roman nicht zuletzt wegen dieser täglichen Auszüge aus Büchern zu den beliebtesten überhaupt gehört und dass es viele Leser gibt, die gerade diese "Literatur häppchenweise" besonders mögen, weil sie diese Bereicherung ihres Vormittags nicht missen möchten.

Also war ich zunächst überfordert, als die Anruferin mir sagte: "Der momentane Fortsetzungsroman ist an Niveaulosigkeit nicht mehr zu überbieten." Und dann habe ich den Fehler begangen, der Frau in der Leitung zu sagen, dass ich die täglichen Auszüge aus "Ich koch dich tot. (K)ein Liebesroman" von Ellen Berg nicht lese und deshalb auch mit ihr darüber nicht reden kann. Denn das fand die Anruferin alles andere als komisch und stellte (so ganz nebenbei) auch meine Eignung für die Tätigkeit eines Leserobmanns infrage. Das wiederum wollte ich nicht auf mir sitzenlassen und forderte die Leserin auf, mir zunächst einfach mal ein paar Beispiele für die Niveaulosigkeit des Romans und für seine "Qualität unterhalb der Gürtellinie" zu nennen. Dies erhielt ich als Antwort: "Der heutige Auszug ist das beste Beispiel dafür, lesen Sie ich es doch einfach mal durch und sagen mir, was sie davon halten." Gesagt, getan, ich begann, nachdem ich mir den Artikel auf den Bildschirm geholt und die Frau um ihre Zustimmung gebeten hatte, laut vorzulesen; die Leserin kam gern meiner Bitte nach, mich zu unterbrechen, wenn sie in dem gerade gehörten Satz einen Inhalt von zweifelhafter Qualität ausgemacht hatte. Es waren diese Sätze, ich zitiere:

"Was erregende Ölmassagen und gepflegte Blow Jobs betraf, war Ela eine echte Expertin."

"Sosehr sie ihre neu erwachte erotische Begierde berauschte, am wichtigsten war ihr das Danach. Sie war süchtig nach diesen Momenten der Nähe. Richard gehörte nicht zu der Sorte Männer, die sich nach dem Höhepunkt kommentarlos umdrehen und in der Nase bohren."

"Vivi war im Nachdieseln seiner Liebeskünste schon halb weggedämmert, doch nun wurde sie hellwach."

"Er beugte sich über Vivi und küsste ausgiebig ihren Bauchnabel."

""Das ist ja großartig", sagte sie, während seine kundige Zunge ihr neues Lustzentrum umkreiste."

"Er ließ von ihrem Bauchnabel ab und rieb sich die Stirn."

Doch ich bin am Ende standhaft geblieben und habe mich nicht auf eine Diskussion über die literarische Qualität dieses Buchs eingelassen. Selbst als die Leserin mich mit "Finden Sie das nicht ein bisschen feige?" ködern wollte, habe ich mich geweigert, mich als Hüter von Niveau und Anspruch in Fortsetzungsromanen aufzuschwingen. Aber irgendwie wollte ich die Unterhaltung doch noch zu einem für beide Seiten versöhnlichen Ende bringen, wusste aber nicht wie; dann warf mir die Frau in der Leitung einen Rettungsanker zu, den ich dankbar ergriff, denn sie fragte mich: "Ganz ehrlich: Würden Sie den ganzen Roman lesen wollen, nachdem jetzt dieses eine Kapitel gelesen haben?" Und ich habe geantwortet: "Nein, ganz sicher nicht."

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