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Nur Menschen sind zu so etwas in der Lage

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Zu der Berufsehre von Journalisten gehört es, mit der Sprache nicht gedankenlos umzugehen und bei der Wahl der Wörter in Artikeln darauf zu achten, dass sie genau das zum Ausdruck bringen, was der Autor damit sagen beziehungsweise dem Leser mitteilen will. Ein hehrer Anspruch, ich weiß, und schon oft haben auch mich Leute dabei erwischt und den Finger ganz tief in diese Wunde gelegt, weil ich in meinen Texten sowohl in der Kolumne auf der Seite Leserforum als auch hier im Blog eher nachlässig war bei der Wahl der richtigen Wörter; von der überflüssigen Verwendung von Anglizismen möchte ich heute gar nicht erst anfangen zu schreiben. Für dieses Thema gibt es einen anderen Grund: Das eine Gespräch mit einer Leserin heute werde ich wohl so schnell nicht vergessen, weil es mich zuerst zum Nachdenken gebracht hat und mir anschließend die Gewissheit verschafft hat, dass ich tatsächlich - wie vermutlich viele meiner Kollegen auch - bei der Verwendung dieses Wortes bislang eher gedankenlos und nachlässig gehandelt habe. Soll heißen: Ich werde dieses Wort - wenn überhaupt - nur nach einer mit größter Sorgfalt getroffenen Entscheidung noch einmal schreiben. Zunächst die Passage in dem Artikel "Grausames Morden in Ruanda - Haftstrafe in Deutschland":

"Mindestens 400 Tote waren in Kiziguro zu beklagen, wahrscheinlich aber mehr als 1000. Auf der Anklagebank, im dunkelblauen Dreiteiler mit weißem Hemdkragen und dezenter Krawatte, der ehemalige Bürgermeister, unter dessen Aufsicht die animalisch anmutenden Gewalttaten verübt wurden. Vor einem deutschen Gericht wurde verhandelt, weil der Angeklagte aus Ruanda geflohen war und 2002 in Hessen Asyl beantragt hatte."

Und mit einem Satz brachte die Leserin ihr Anliegen auf den Punkt: "Tiere würden so etwas niemals tun, im gesamten Tierreich gibt es keine Art, bei der so etwas jemals passiert ist." Damit war klar: Die Formulierung "animalisch anmutenden" war es, wegen der mich die Frau angerufen hatte. Noch bevor ich überhaupt darüber nachdenken konnte, ob es vielleicht ein Argument dafür geben könnte, das Wort "animalisch" in diesem Zusammenhang zu rechtfertigen, las mir die Frau den Anfang das Artikels vor: "Hunderte erstochene, erschlagene, erschossene Menschen, vergewaltigte Frauen, verscharrte Leichen, geplünderte Häuser." Und fragte mich: "Haben Sie jemals davon gehört oder gelesen, dass Tiere aus reiner Boshaftigkeit handeln und andere Lebewesen töten?" Hatte ich natürlich nicht; mir dessen sicher zu sein, dafür brauchte ich nur wenige Sekunden. Trotzdem aber habe ich noch versucht, nach einem Synonym zu suchen, das man mit Tieren in Verbindung und das zum Ausdruck bringt, was der Kollege möglicherweise damit sagen wollte; ich habe keins gefunden. Mir fallen viele Wörter ein, mit der man die menschenverachtende Grausamkeit und die gewissenlose Brutalität dieser Tat beschreiben könnte, aber keines davon hat seinen Ursprung bei Tieren.

Das habe ich der Leserin in der Leitung genau so gesagt: "Nur Menschen können so etwas machen." Sie war erleichtert, in mir einen gleichgesinnten Gesprächspartner gefunden zu haben, und sagte zum Schluss: "Also richten Sie ihren Kollegen aus, dass man dieses Wort einfach im journalistischen Vokabular streichen sollte." Dies waren meine abschließenden Worte: "Versprochen, das mache ich, vielen Dank für diesen wertvollen Hinweis."

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