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Für mich eine Frage des Respekts

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Diesen Satz sage ich nicht so oft und auch nicht wirklich gern am Telefon, weil ich eher selten dazu eine Veranlassung habe und mir vorher innerhalb weniger Sekunden ernsthaft Gedanken deswegen mache, aber gestern und heute habe ich ihn mit mehr oder weniger Nachdruck gleich drei Mal in das Mikrophon meines Headsets gesprochen: "Tut mir leid, aber darüber diskutiere ich nicht, auch werde ich Ihnen meine persönliche Meinung dazu nicht sagen. Ich bitte um Verständnis."

Die Leser hatten meine Nummer gewählt, weil sie gestern unten auf der Titelseite der "Freien Presse" den Artikel "Der Hang zum Klang - Wie Eltern auf die Namen für ihre Kinder kommen" gelesen hatten. Weil alle Anrufer mir beziehungsweise dem für diesen Text verantwortlichen Kollegen ein gewisses Maß an Gedankenlosigkeit vorgeworfen haben, zitiere ich jetzt den vollständigen Artikel, lang ist eher ohnehin nicht, und jeder kann sich beim Lesen überlegen, was die Anrufer gestört haben könnte:

"Auf den Klang kommt es an, wenn moderne Eltern die Vornamen ihrer Kinder wählen. Zu dieser Erkenntnis kommt eine Umfrage im Auftrag der Gesellschaft für deutsche Sprache. Befragt wurden 1000 Eltern in Deutschland, ein Viertel davon mit noch minderjährigen Kindern. Erstaunlich jedoch - bei Mädchen ist den jungen Eltern der ästhetische Klang des Namens wichtiger (79 Prozent) als bei Jungen (65 Prozent). Dass Mädchennamen häufig auf einen Selbstlaut enden, führen die Sprachforscher darauf zurück, dass sie dadurch einen weichen Klang erhalten. So bringen Namen wie Maria oder Mia sofort Weiblichkeit zum Ausdruck.

Auf den guten Klang achteten eher die Bildungsbürger. Eltern mit einfacher Bildung ist heute wichtiger als früher, dass ihre Kinder mit dem Namen nicht diskriminiert werden - über Kevin und Chantal ist wohl doch zu oft gelacht worden. Noch eine Erkenntnis förderte die Umfrage zu Tage: Doppelnamen sind schwer im Kommen. Mittlerweile bekommt mehr als jedes dritte Kind zwei oder mehr Namen. Da kann es schon einmal vorkommen, dass es zwei Carl-Gustavs in einem Kindergarten gibt. Anregungen holen sich werdende Eltern meist bei Verwandten und Freunden, eher selten in Literatur oder Film. Glaubt man der Umfrage, dann einigen sich die Eltern auch leicht auf einen Namen für ihren Nachwuchs. Diesen Befund nehmen die Forscher nicht ganz ernst: Vermutlich hätten viele Befragte die langen Diskussionen verdrängt."

Des Rätsels Lösung ist diese: "Unser Sohn heißt Kevin, und nun würde uns interessieren, welchen Grund es gibt, dass man über diesen Namen lachen kann", formulierte eine Anruferin ihre Kritik und wollte am Ende auch von mir wissen, ob ich mich auch über diesen Vornamen lustig machen würde oder ob ich schon mal darüber gelacht habe. Die beiden anderen Leser, die sich wegen dieses Satzes in dem Artikel bei mir gemeldet hatten, waren Väter von Söhnen mit Namen Kevin. Allen habe ich, weil sie mich nach Meinung gefragt haben oder mich in eine Diskussion darüber verwickeln wollten, gesagt, dass ich dazu nicht bereit bin, weil mir der Respekt vor den Menschen dies grundsätzlich verbietet, das sei nun mal meine Überzeugung. Mütter oder Väter von Töchtern mit Namen Chantal haben mich nicht angerufen. Die Kollegen in der Redaktion habe ich über diese Hinweise informiert. Meine Recherche im Netz hat ergeben, dass alle anderen Medien, die diesen Korrespondentenbericht einer Nachrichtenagentur auch veröffentlicht haben, diese Passage nicht gestrichen haben. Einer der drei Leser mit einem Sohn namens Kevin hat mich auch noch gefragt, ob ich ihm eine Definition für die Bezeichnung "Bildungsbürger" geben oder ihm erklären könne, was man unter "einfacher Bildung" zu verstehen habe. Zum Glück habe ich den suggestiven Unterton der Frage richtig erkannt, weshalb ich nicht antworten musste, sondern gesagt habe: "Auch über diese Kritik informiere ich die Kollegen gern."

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