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Ganz ehrlich? Damit kann ich nichts anfangen

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Es gibt einen Satz, den darf ich eigentlich nicht sagen, wenn ich mich mit Lesern am Telefon unterhalte, weil ich mich damit unter Garantie immer in Schwierigkeiten bringe; er lautet: "Das interessiert mich nicht." Meistens jedoch entscheide ich mich für die entschärfte Version: "Tut mir leid, aber damit kann ich leider nicht viel anfangen." Das irritiert die Anrufer immer dann, wenn sie mir deutlich zu verstehen geben, dass sie von der Zeitung erwarten, zu allen Themen eine Meinung zu haben, und dass sie gerade deswegen meine Nummer gewählt haben. Dass ich nicht die Zeitung bin, akzeptieren sie vielleicht so gerade noch, aber ihren Ärger, weil ich ihrer Ansicht nach dem Problem ausweiche, schmälert es leider nicht, weshalb die Unterhaltungen nicht zu den unterhaltsamen zählen. Drei Beispiele dafür von gestern und heute:

Episode 1: "Das verstehe ich wirklich nicht, man muss doch wissen, ob man sie mag oder nicht", sagte mir eine Leserin, die mich wegen eines Berichts über das Konzert von Andrea Berg in Chemnitz angerufen hatte und die nun, nachdem sie die beiden Leserbriefe dazu auf der Seite Leserforum registriert hatte, gleichfalls ihr Missfallen über die Rezension des Kollegen zum Ausdruck bringen wollte. Ihr Unverständnis hatte ich mit diesem Satz ausgelöst: "Keine Ahnung, ob sie mir gefällt, ob ich ihre Musik mag, ich habe sie noch nie bewusst wahrgenommen." Das wollte die Frau in der Leitung so nicht akzeptieren, denn ihrer Ansicht nach müsse sich ein Mann in meiner Position mit allen Phänomenen des Zeitgeistes auseinandersetzen und dazu etwas sagen können, also eine fundierte Meinung haben. Also habe ich sie um ihre Telefonnummer gebeten und gesagt: "Ich rufe Sie in einer halben Stunde noch einmal an." Und das habe ich auch getan, nachdem ich mir bei Youtube drei Filmchen mit Liveauftritten der Sängerin angeschaut hatte (Auswahlkriterium waren die Klickzahlen): "Du hast mich 1000 Mal belogen", "Ich sterbe nicht noch mal" und "Ein Schiff wird Kommen". Mit der Bekanntgabe meines Fazits war das Gespräch mit der Leserin dann auch ziemlich schnell beendet: "Tut mir leid, aber mit der Musik kann ich noch weniger anfangen als mit der Sängerin und ihrer Präsentation auf der Bühne."

Episode 2: Auch bei dem zweiten Beispiel waren Leserbriefe auf der aktuellen Seite Leserforum der Grund, warum mich dieser Mann angerufen hatte: "Die Leute wissen doch überhaupt nicht, wovon sie reden, wie haben sie diese von Vorurteilen erfüllten Meinungen nur abdrucken können", meinte der Mann zu den Ansichten zur Ausstellung ""Körperwelten - Eine Herzenssache " und zu der von Gunther von Hagens konzipierte Anatomieschau in Dresden; der Artikel mit den Lesermeinungen trugt die Überschrift "Darstellung toter Menschen stößt auf Ablehnung". Natürlich wollte der Anrufer von mir wissen, ob ich mir die Schau schon angesehen hätte beziehungsweise ob ich mir sie noch anschauen werde. Meine Antwort hat ihn dann eher verwirrt als zufrieden gestellt, ich habe gesagt: "Nein, das interessiert mich überhaupt gar nicht." Was den Mann am Ende dann dazu gebracht hat, seine Enttäuschung zum Ausdruck zu bringen, war die Tatsache, dass ich mich geweigert habe, mit ihm über die "Körperwelten" zu diskutieren, gerade weil sie mich nicht interessieren. Mein Satz, der das Ende der Unterhaltung einleitete, war dieser: "Ich diskutieren mit Ihnen ja auch nicht über Bohrmaschinen, Kettensägen oder Hightech-Kaffeezubereitungsmaschinen."

Episode 3: Bei dem dritten Beispiel habe ich mir die Entscheidung wirklich nicht leicht gemacht, hier darüber zu schreiben, denn es fällt mir selbst im Blog nicht leicht, dieses Geständnis abzulegen: Erzgebirgische Heimatpflege gehört nicht zu den Themen, für die ich mich wirklich begeistern kann. Das fand der Leser, der sich an mich gewandt hatte, weil er seine Meinung über einen TV-Beitrag des MDR mit dem Titel "Sagenhaft - Das Erzgebirge" loswerden wollte und die Sendung als "reinstes Horrorszenario" bezeichnete, höchst bedenklich und formulierte seine Kritik so: "Und das sagt ein Mann in Ihrer Funktion." Das habe ich schließlich sogar etwas eingesehen, weshalb ich die Situation retten wollte und sagte: "Aber landschaftlich gefällt mir das Erzgebirge ganz ausgezeichnet, denn bei meinen zahlreichen Radtouren habe ich schon viel kennengelernt und weiß besonders die vielen Höhenmeter in eindrucksvoller Kulisse zu schätzen, die es dort zu überwinden gilt." Nachdem der Anrufer mir freudig zugestimmt und unter anderem noch den Auersberg, den Bärenstein, den Pöhlberg und den Scheibenberg als gute Aussichtsmöglichkeiten empfohlen hatte, wollte ich das Thema vorsichtshalber umlenken und habe den Leser nach seinen Fernsehgewohnheiten gefragt. Das aber war mein zweiter Fehler während dieser Unterhaltung, denn mit dieser Frage war das Ende der Unterhaltung bald erreicht: "Wie, Sie haben keinen Fernseher?"

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