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Wir sind uns einig: Nicht nur das Brot allein ...
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Dies ist meine Bilanz: Drei Briefe (zwei echte auf Papier und eine Mail) haben mich zu dieser das deutsche Fernsehvolk bewegenden Nachricht erreicht, und fünf Personen (vier Männer und eine Frau) haben mich angerufen, um mir ihre Meinung zu der Entscheidung des ZDF mitzuteilen, die Show "Wetten, dass..?" einzustellen. Ich bleibe dabei - und werde auch jetzt nicht schwach - weder zu der Tatsache, dass dieses TV-Format vom Bildschirm verschwindet, werde ich einen Kommentar abgeben, noch auf die Äußerungen der Leser eingehen, weil ich in dieser Sache nicht Sprachrohr sein möchte. Der Grund: Ich habe in den vergangenen dreieinhalb Jahrzehnten nur drei "Wetten, dass..?"-Sendungen gesehen; die erste Anfang der achtziger Jahre, weil ich neugierig war; die zweite, ein paar Jahre später, weil jemand aus meinem Freundeskreis einen Auftritt hatte; die dritte im Winter 1998, weil ich unter Androhung von Strafe und Sanktionen nicht das Ende einer Beziehung riskieren wollte, was sich ein paar Tage später dann von allein erledigt hatte. Also: Ich kann und will nicht mitreden, wenn es um "Wetten, dass..?" geht. Nun aber kommt die eine Ausnahme, deren Begründung sich von allein ergibt, denn ein Leser hat sich an mich gewandt:
"Das hat mich nur unsagbar traurig gemacht, und ich möchte das jetzt einfach mal loswerden", sagte der Mann in der Leitung mit brüchiger Stimme; er sei schon über achtzig, erklärte er mir, und lebe weitgehend zurückgezogen und habe kaum noch Kontakt zur Außenwelt. "Aber Ihre Nummer steht jeden Mittwoch in der Zeitung, man kann mit Ihnen über solche Dinge sprechen, jetzt habe ich mich einfach mal getraut und die Nummer mit den vielen Sechsen gewählt", fügte der Leser hinzu. Dann erklärte er mir, was ihn so sehr getroffen habe in der jüngsten "Wetten, dass..?"-Show: "Da hat jemand mit Pfeil und Bogen auf Brot geschossen", sagte er und ergänzte: "Wo es doch überall in der Welt große Hungersnot gibt, da kann man noch so etwas nicht machen, die Welt kann so grausam sein, verstehen Sie mein Anliegen?" Nach wenigen Sätzen war dem Mann klar, dass er in mir einen Verbündeten gefunden hat, weil ich ihm nicht nur zugestimmt, sondern auch davon erzählt habe, dass ich es Zeit meines Lebens nie ohne Gewissensbisse geschafft habe, beispielsweise Brot wegzuschmeißen, auch wenn es knochenhart oder verschimmelt war. "Meine Erziehung war so, dass ich damit aufgewachsen bin, dass Brot das Nahrungsmittel ist, das uns ein Leben ohne Hunger sichert, wofür wir dankbar sein sollten", habe ich dem Anrufer erzählt. Also waren wir uns einig, ich hätte mich bedanken und das Gespräch damit beenden können; habe ich aber nicht.
"Viel schlimmer aber finde ich den grundsätzlichen Umgang mit Lebensmitteln in unserer Wohlstandsgesellschaft", habe ich gesagt und den Mann gefragt, ob ich ihm dazu mal ein paar Zahlen sagen dürfe, weil ich der Meinung sei, dass man, wenn man über den Hunger in der Welt reden möchte, dieses Thema niemals unter den Tisch fallen lassen dürfe. Der Leser war einverstanden, weshalb ich ihm mitgeteilt habe, was ich dazu seit etwa zwei Jahren, als darüber in Deutschland mal ein paar Tage lang diskutiert worden ist, bevor man wieder zur Tagesordnung überging, an Informationen in meinem Kopf gespeichert habe: "Rund 80 Kilogramm im Gegenwert von 235 Euro wirft jeder Deutsche pro Jahr durchschnittlich an Lebensmitteln in die Mülltonne. Mehr als eine Milliarde Tonnen aller weltweit produzierten Nahrungsmittel landen jedes Jahr auf der Mülldeponie; beispielsweise weil Gemüse nicht der Norm entspricht, weil Supermärkte nur ganz frische Ware bestellen, denn die Kunden kaufen keine Produkte, die ein oder zwei Tage gelegen haben, und weil Lebensmittel häufig vom Kühlschrank direkt in die Tonne verfrachtet werden. Mehr als 30 Prozent aller Lebensmittel werden weggeschmissen."
Nachdem ich das gesagt hatte, schwieg der Mann ein paar Sekunden lang, bevor er sagte: "Das habe ich nicht gewusst." Und nach einer weiteren Pause fügte er noch hinzu: "Ich muss mich selbst überprüfen, will bei mir selbst anfangen." Und ich war mir sicher: Meine Botschaft ist angekommen.
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