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Über das Geschäft mit Gefühlen
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Keinesfalls möchte ich meinen Blog künftig verstärkt dazu nutzen, meinen Gefühlen verbalen Ausdruck zu verleihen, aber ich kann es, nein ich will es nicht anders formulieren: Gestern war ich traurig, heute bin ich eher wütend. Obwohl in beiden Fällen eine Person wegen eines Problems leidet, gibt es einen fundamentalen Unterschied: Gestern waren es, wie ich unter der Überschrift "Das System kann so grausam sein" beschrieben habe, Gesetze und Bestimmungen, die in einem besonderen Fall zur Folge haben, dass eine Frau möglicherweise in eine finanzielle Notlage gerät. Heute sind es Menschen, die dafür verantwortlich sind, dass ein Mann ein mehr oder weniger großes Problem hat. Ich entscheide mich ganz bewusst für eine sachliche Schilderung, der Fall soll für sich selbst sprechen:
Der Leser ist über achtzig und lebt seit vielen Jahren allein; er ist rüstig und führt einen eigenen Haushalt. Eines Tages liest er in der Zeitung die Anzeige einer Partnervermittlung, in der unter der Überschrift "Sie sucht ihn" eine Frau einen Lebensgefährten sucht, von der er überzeugt ist, dass sie mit ihren Eigenschaften (Alter, Beruf und Hobbys) wie für ihn geschaffen ist. Er antwortet auf die Annonce und bringt zum Ausdruck, dass er diese Dame gern kennenlernen möchte. Weder per Post noch per Telefon geht die Agentur darauf ein, sondern Tage später steht ein Mann unangemeldet vor seiner Tür und legt ihm einen Vertrag vor. Wenn der Mann diesen unterschreibt, soll er die in der Anzeige beschriebene Frau treffen können. Kostenpunkt für den Senior: 1900 Euro.
Der alte Herr zögert, entscheidet sich dann aber doch, weil er trotz des hohen Betrages von der Richtigkeit seines Tuns überzeugt ist, seine Unterschrift unter den Vertrag zu setzen. Und wartet. Es dauert auch tatsächlich nicht lange, bis ein Brief der Partnervermittlung bei ihm eintrifft und ihm darin der erste Kontakt in Aussicht gestellt wird. Doch seine Enttäuschung ist groß: Das ist nicht die Frau aus der Anzeige. Kurzerhand greift er zum Hörer und ruft bei der Agentur an. Die in der Annonce beschriebene Dame habe sich für einen anderen Herren entschieden und stehe deshalb als möglicher Kontakt nicht mehr zur Verfügung. Der Senior begreift in diesem Moment, dass ihn diese Erfahrung letztendlich 1900 Euro gekostet hat, aber er hat wohl keine andere Wahl, als sich damit abzufinden. Die anderen von der Agentur vorgeschlagenen Damen möchte er nicht treffen.
Wegen dieser Geschichte bis dahin hat mich der Leser aber nicht angerufen, denn ihm sei klar, wie er mir am Telefon versicherte, dass er bei der Unterzeichnung des Vertrages einen Fehler gemacht hat. Juristisch könne und wolle er auch nicht dagegen vorgehen, weil nicht gegen Gesetze vorstoßen worden sei, er habe sich deswegen informiert und beraten lassen. Was ihn aber trotzdem nicht zur Ruhe kommen lässt, ist dies: In den Wochen nach dieser für ihn bitteren Erfahrung hat er die Kontaktanzeige, die ihn so fasziniert hatte, mit dem identischen Wortlaut nochmal gelesen; nur mit dem Unterschied, dass es andere Partnervermittlungen waren, die darin ihre Dienste anboten. Er werde nicht noch mal antworten, hat er mir versichert; er wollte mir nur davon erzählen.
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