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Sorry, aber über Lotte mag ich nicht reden
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Vor einem halben Jahr, als dieses Thema mich völlig unvorbereitet traf und mich vor eine ganz neue Herausforderung stellte, habe ich eine Entscheidung getroffen: Über Vornamen und ihre Bedeutung beziehungsweise ihre Relevanz für soziales Verhalten und das Entstehen von Vorurteilen diskutiere ich nicht mehr; jeder hat das Recht auf seine Meinung, ich will mich darüber nicht mehr streiten, ich will meine Ansichten für mich behalten. Soll heißen: Kevin und Chantal sind nicht mehr mein Problem. Sollten meine Kollegen in der Redaktion wieder Artikel darüber schreiben, was ich für nicht ausgeschlossen halte, welche Faktoren die Eltern bei der Wahl der Namen für ihre Kinder beeinflussen, werde ich die Väter und Mütter von Kindern mit diesen Namen, die mich deswegen anrufen, direkt mit den Redakteuren verbinden; sollen sie sich mit den Eltern auseinandersetzen. Heute aber hat diese rigorose Weigerung dazu geführt, dass ich das Anliegen eines Lesers zuerst überhaupt nicht verstanden habe und es dann auch bereits wieder vergessen wollte, bevor ich mich überhaupt näher beschäftigt hatte und begreifen wollte, was mir der Mann damit sagen wollte. Lange Rede, kurzer Sinn:
"Personen mit Vornamen wie Lotte und Margot oder Erich und Walter sollten für immer aus den Adress- und Telefonbüchern verschwinden", meinte der Leser und ließ mich mit diesem Hinweis erstmal allein. Angesichts meiner Weigerung stand ich - der Automatismus funktionierte offensichtlich gut - buchstäblich auf dem Schlauch und hatte keine blassen Schimmer von dem, was der Mann mir damit sagen wollte. Dann nannte er mir den Artikel, der ihn veranlasst hatte, mich anzurufen; er hatte die Überschrift "Enkeltrick: Schaden in Sachsen auf 2,2 Millionen Euro gestiegen", und er war die Aufmachergeschichte auf der Titelseite der "Freien Presse" am vergangenen Freitag. Ich hatte immer noch keine Ahnung, worauf der Mann hinaus wollte. Schließlich erläuterte er mir den Grund, warum er der Meinung sei, dass Menschen mit diesen Vornamen aus den Adress- und Telefonbücher verbannt werden sollten. "Dann wäre dieses Problem zum Teil gelöst, vorläufig wenigstens", waren seine Worte. Und ich saß da, an meinem Schreibtisch, vor meinem Computer, und fragte mich: Was will dieser Mensch mir damit sagen? Da ich aber über Vornamen nicht mehr diskutieren möchte, habe ich den Hinweis des Lesers zunächst einfach nur zur Kenntnis genommen. Irgendwann dann ist - dem Netz sei Dank - auch bei mir dann der Groschen gefallen. Aber weil ich nicht weiß, ob ich mich für meine lange Leitung nun schämen muss, verrate ich die Lösung an dieser Stelle erst gar nicht. Jeder darf sie selbst herausbekommen und dann angesichts meiner Unwissenheit den Stab über mich brechen; ich werde es schon verkraften können. Und ich weiß genau, was meine Arbeit manchmal so spannend und unterhaltsam macht: Humor ist, wenn man trotzdem lacht.
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