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Keine Angst: Von oben droht keine Gefahr
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Ein gutes Gefühl gibt es mir, wenn ich den Lesern am Telefon eine Angst nehmen und sie beruhigen kann, nachdem sie mich angerufen haben, weil sie von einer plötzlich Furcht ergriffen waren. Erinnern möchte ich beispielsweise nur an die Zeit, als vor etwa drei Jahren plötzlich Ehec-Keime für Schlagzeilen sorgten und mehrere Menschen an einer Darminfektion erkrankten und sogar daran starben, und mehrere Leser bei mir angerufen haben, weil sie verunsichert waren und nicht wussten, wie sie mit der Salatgurke, die als Überträger der Krankheit in Verdacht geraten war, umgehen sollten, nachdem sie ein schon drei Tage altes Exemplar im Kühlschrank gefunden hatten; zusammen mit den Kollegen im Ressort Ratgeber habe ich alle Anrufer beruhigen können, meistens mit diesem Satz: "In den Bio-Müll damit." Ein paar Monate später gab es mehrere Anrufe von Lesern, die einen toten Vogel in ihrem Garten gefunden hatten und nicht wussten, weil gerade ein Tropenvirus in Verdacht geraten war, auch in unseren Breitengraden für ein Amsel-Sterben verantwortlich zu sein, was sie mit dem Kadaver tun sollen; gemeinsam haben wir das Problem der Entsorgung geklärt, die Anrufer waren beruhigt. Alles andere als das war die Leserin, die sich heute bei mir gemeldet hat:
"Mir ist gerade ein angsteinflößender Gedanke gekommen", sagte sie zu Beginn des Gesprächs und erklärte mir weiter, dass sie gerade die Zeitung von heute vor sich habe und den Artikel "Unwetter wütet nur in wenigen Ecken" im Lokalteil gelesen habe. Die Schilderung der Auswirkungen von Blitz und Donner und viel Regen war es aber nicht, von der die Frau in der Leitung nun so beindruckt war, dass sie Angst bekommen hatte. Vielmehr war es eine Erinnerung: "Vor einigen Wochen habe ich eine Sendung im Fernsehen gesehen, in der es um die Klimaveränderungen auf der Erde ging und um die Auswirkungen auf unser Wetter", erzählte sie mir und berichtete mir weiter davon, dass sie sich gemerkt habe, dass eine Auswirkung sei, dass der Jetstream sich mit katastrophalen Auswirkungen auf das Wetter verändere und Europa - klimatisch gesehen - ins Chaos stürzen könne. "Nun möchte ich von Ihnen gern wissen, ob diese heftigen Gewitter in den vergangenen Tagen schon etwas mit dem Jetstream zu tun haben und ob wir deshalb nun mehr von diesen Unwettern zu erwarten haben", sagte sie und fügte noch hinzu: "Denn dann würde ich es mir doch noch überlegen, ob ich zu meinen Kindern ziehe, die in einer Region wohnen, wo es wenigstens nicht so gebirgig ist und die Gewitterfronten schneller wieder abziehen können."
Zuerst war ich mir sicher, dass ich der Leserin nur sagen kann, keine Antwort auf diese Frage zu haben, weil ich zwar weiß, dass es Jetstreams gibt, und eine ungefähre Ahnung habe, welchen Einfluss diese gewaltigen Winde in einer Höhe von mehr als zehn Kilometern auf unser Wetter haben können, aber dass ich natürlich nicht innerhalb weniger Sekunden klären kann, ob gerade diese jüngsten Unwetter ursächlich damit in Zusammenhang gebracht werden können. Doch dann habe ich es mir kurzentschlossen anders überlegt.
"Warten Sie einen Augenblick, ich schaue mal nach, ob die Nachrichtenagenturen in Deutschland und weltweit etwas dazu vermelden", sagte ich und hörte dies: "Ich warte." Was ich im Redaktionssystem fand, war eine Grafikkarte für einen Computer, bei der "Jetstream" ein Teil der Artikelbezeichnung war, und die bei einem Test besonders gut abgeschnitten hatte. "Keine Treffer", sagte ich, die Frau in der Leitung schwieg. "Jetzt suche ich noch bei Freie Presse-Online, ob vielleicht einer meiner Kollegen in den Lokalredaktionen auf eine entsprechende Information gestoßen ist und sie in einem Artikel erwähnt hat", erklärte ich der Anruferin meinen nächsten Schritt; ich war mir bewusst, dass sie das Klappern meiner Tastatur hören kann, aber vorsichtshalber tippte ich noch etwas energischer.
Und ich erschrak ganz fürchterlich: Es gab viele Treffer, die ersten drei hatten die Überschriften "Forscherin: Wetterchaos könnte mit Klimawandel zusammenhängen", "Experte hält Hochwasserschutz in England für schwierig" und "Studie: Eisverlust in der Arktis verstärkt Wetterextreme". Dann habe ich auf das Erscheinungsdatum geschaut und war erleichtert, die Artikel waren mindestens ein halbes Jahr alt, weshalb ich ruhigen Gewissens sagen konnte: "Keine aktuellen Treffer zu den Unwettern in letzter Zeit." Die Frau in der Leitung schwieg weiter, weshalb ich mich bestärkt fühlte, einen dritten Suchvorgang zu starten. "Jetzt schau ich noch im Internet nach, um ganz sicher zu gehen", sagte ich, aktivierte die Suchmaschine, klickte auf "News" und schrieb "Jetstream" in das Suchfeld. Und musste schmunzeln, fast hätte ich laut gelacht, denn ich lernte Jenny Jetstream kennen, hübsch animiert auf der Homepage von airliners.de. Das behielt ich für mich, aber ich informierte die Frau in der Leitung: "Kein einziger Hinweis, dass diese Starkwinde etwas mit den Unwettern zu tun haben." "Da bin ich aber beruhigt", sagte die Leserin und meinte noch: "In meinem Alter macht man sich schnell mal sorgen, wenn man so etwas im Fernsehen sieht und dann solche Berichte in der Zeitung liest."
Minuten nach diesem Gespräch bin ich dann doch nachdenklich geworden und habe mich gefragt: Könnte nicht vielleicht tatsächlich etwas dran sein an dieser Theorie? Ich werde den Kollegen in der Redaktion mal vorschlagen, auf der Seite Wissen einen Artikel über Jetstreams zu schreiben. Oder melden sich dann wieder verstärkt die Chemtrailers bei mir?
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