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Das Glück ist da, wir müssen es nur erkennen

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Manchmal rufen ältere Menschen mich an, weil sie etwas in der Zeitung gelesen haben, das sie zum Nachdenken gebracht oder sogar erschüttert hat, und sie wollen von mir eine Erklärung, warum das so ist; warum die Welt so ist, dass sie sich darin nicht mehr zurecht finden und an sich selbst zweifeln oder dass sie in ihnen eine Welle an Gefühlen auslöst, die über ihnen zusammenbricht und von der sie verschluckt werden, weil sie kein Mittel wissen, sich diesem Sog zu entziehen. Häufig sind das nur vermeintliche Randbemerkungen in längeren Artikeln oder kurze Szenen in ausführlichen Reportagen, von denen ihre Gedankenwelt durcheinander gewirbelt wird. Heute war es eine von diesen kurzen Glossen, die auf allen ersten Seiten der insgesamt 19 Lokalteile der "Freien Press" täglich oben links einen betont lockeren und humorvollen Einstieg in den Tag ermöglichen sollen, die eine Senioren zuerst sprachlos und dann verärgert gemacht hat, bevor ihr die Tränen kamen. Ich berichte nun davon auch mit dem Wissen, dass das möglicherweise nicht alle nachvollziehen können, was da mit der Leserin passiert ist.

Zunächst das "Hallo Chemnitz": "Wenn Töchter pubertär  und damit flügge werden, ist das vor allem für Väter eine echte Offenbarung und auch eine Herausforderung. Ich habe drei Töchter. Eine hat diese Zeit bereits hinter sich, eine jedoch noch vor sich. Und eine ist so richtig schön mittendrin. Das merkt man insbesondere an der intensiven Badbenutzung inklusive vollgestellter Regale. Aber wozu in drei Teufels Namen braucht man 89 verschiedene Nagellacke?"

"Meine Kindheit war geprägt vom Krieg und seinen schlimmen Folgen für unsere ganze Familie, und meine Pubertät fiel in die Jahre danach, als es für uns - wie für die meisten Menschen in unserer Region - ums nackte Überleben ging; als wir nie wussten, wann es wieder eine Mahlzeit geben wird, die uns auch satt macht; als es in den Wintern zusätzlich nur darum ging, Brennmaterial für den einen Ofen im Haus zu besorgen, um nicht zu erfrieren", sagte die Frau in der Leitung und erzählte mir, wie das alles ihre Person, ihren Charakter und ihre gesamte Einstellung zum Leben geprägt hat, und dass sie heute noch häufig Dankbarkeit empfindet für die Tatsache, dass sie selbst solche Not nicht mehr erleiden muss und dass dieses Schicksal den Menschen in unserem Land grundsätzlich erspart bleibt, weil sich niemand mehr sorgen muss, nicht genug zu essen oder kein Dach über dem Kopf zu haben. "Und dann lese ich, dass heute pubertierende Mädchen bestrebt sind, möglichst viele Nagellacke zu haben. Ich will es dafür gar nicht verurteilen, ich will es dafür auch nicht schelten, ich will auch niemanden die Schuld dafür geben, aber ich muss sagen: Das geht nicht in meinen Kopf, das kann ich einfach nicht begreifen", fügte sie hinzu und fragte mich: "Können die Menschen sich heute eigentlich noch darüber freuen, dass sie keine Not leiden müssen? Dass es ihnen gut geht und sie keine Angst haben müssen vor etwas, das ihre Existenz bedroht?"

Sie hat mir dann noch von früher erzählt, von diesen Jahren der Entbehrung nach dem Krieg, aber irgendwann stockte sie, ich hörte sie tief einatmen, bevor sie sagte: "Ich muss jetzt aufhören, meine Erinnerungen überwältigen mich gerade, und ich will Ihnen keine heulende alte Frau zumuten."

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