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Gedenken, dichten und am Ende beichten
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Bei meinen Randnotizen aus den Gesprächen mit Lesern zum Wochenausklang geht es heute um Hunde, die Kirche, die friedliche Revolution vom Herbst 1989 und um die Frage: Darf der Leserobmann auch Beichtvater sein? Soll heißen: Es war wieder mal eine Woche mit vielen Fragen und noch mehr Beschwerden, wie ich sie zu schätzen weiß, weil sie mir die Gewissheit geben, dass es nie langweilig wird, wenn ich den Hörer abnehme und frage: "Was kann ich für Sie tun?"
Episode 1: "Heute ist der Internationale Tag des Hundes, und Sie haben keinen einzigen Artikel dazu in der Zeitung. Ist Ihnen der beste Freund des Menschen so wenig wert?", wollte eine Leserin von mir wissen. Zwei Möglichkeiten hatte ich zur Auswahl. Erstens hätte ich antworten können, was mir auf der Zunge lag: Tut mir leid, ich bin der Katzen-Typ, wissen Sie, dass mit den Hunden ist so eine Sache, erst kürzlich hat mir eine Leserin erzählt, dass ihr "Nannilein" einen halben Liter Speiseöl verputzt hat, weil sie vergessen hatte, einen Wok in Sicherheit zu bringen, nachdem es an der Haustür geklingelt hatte, und kurze Zeit später hat das Tier dann an mindestens fünf Stellen in der Wohnung gek... Ich habe mich für die zweite Variante entschieden: "Ich werde mich bei den Kollegen in der Redaktion erkundigen, vielleicht haben Sie von diesem Gedenktag gar nichts gewusst, es gibt nämlich so viele, fast täglich gibt es einen, wissen Sie beispielsweise, dass heute auch der Welttag der geistigen Gesundheit ist?"
Episode 2: "Mir gefällt überhaupt nicht, dass die Abgeordneten des sächsischen Landtages vor der konstituierenden Sitzung gemeinsam in die Kirche gehen und einen Gottesdienst besuchen", formulierte ein Leser seine Beschwerde, nachdem er eine entsprechende Nachricht gelesen hatte; ob es in der "Freien Presse" oder vielleicht doch in der (...) war, konnte er mir nicht sagen, aber er war davon überzeugt, dass der Leserobmann auf jeden Fall die richtige Stelle ist, bei der er sich mal seinen Frust von der Seele sprechen kann. Das durfte er dann auch, weshalb ich viel von seiner "V"-Theorie erfahren habe, dass die Kirche immer noch, obwohl wir in einem säkularen Staat leben, ihren Einfluss und ihre Macht zu wahren weiß.
Episode 3: Zu den vielen Lesern, die sich wegen des 25. Jahrestages der friedlichen Revolution im Herbst 1989 und zum Fall der Mauer an mich gewandt hatten, gehört auch eine Frau, die aus diesem Anlass ein Gedicht verfasst hat. Es trägt den Titel "Ziel geschafft - Ganz ohne Gewalt" und beginnt mit dem Vers "Einst trennte ein Band dieses schöne Land." Leider kann ich es an dieser Stelle nicht komplett wiedergeben, weshalb ich nur noch die letzte Strophe zitieren möchte: "Jetzt sind sie frei, bestimmen was im Land geschieht. Nie darf man vergessen, wie es damals war und immer daran denken: Konflikt löst man ohne Gewalt." Weil ich von Poesie nicht viel verstehe, habe ich meinen für Lyrik zuständigen Kollegen aufgesucht und wollte ihm das Gedicht vorlesen. Ich fand ihn in seinem Büro, von Gram gebeugt saß er an seinem Schreibtisch und sagte: "Bob Dylan hat schon wieder nicht den Nobelpreis für Literatur erhalten." Angesichts dieser Tragik habe ich dann darauf verzichtet, ihn nach seine Meinung zu dem Gedicht der Leserin zu fragen.
Episode 4: "Wenn ich das richtig verstehe, sind Sie doch so etwas wie ein Beichtvater, oder nicht?", fragte mich eine Lesern und hatte, was nicht immer selbstverständlich ist, schlagartig meine volle Aufmerksamkeit. "Wie meinen Sie das? Möchten Sie, dass ich Ihnen eine oder gleich mehrere Sünden vergebe?", fragte ich zurück. Die Frau in der Leitung lachte, was mich wiederum beruhigte, denn mir wirklich das Geständnis einer Verfehlung anzuhören und dies als Aufforderung zu verstehen, dazu etwas sagen oder sogar Verständnis zeigen zu sollen, hatte mir etwas Angst gemacht. "Nein, das nicht", sagte die Anruferin und fügte hinzu: "Aber ich möchte Ihnen etwas anvertrauen, was ich nicht unbedingt in der Zeitung lesen möchte." Das habe ich ihr selbstverständlich versprechen können, weshalb ich auch jetzt nicht weiter von dieser Unterhaltung berichten möchte. Nur den ersten Satz darf ich zitieren, ich habe sie um Erlaubnis gebeten. Die Leserin hatte mich angerufen, weil sie mir etwas zu der Debatte, ob sie bis 1989 in einem Unrechtsstaat gelebt hat, sagen wollte. Ihre Erzählung begann mit diesem Bekenntnis: "Ich habe die DDR geliebt, sie fehlt mir heute immer noch."
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