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Alte Männer und die Frage: Rockt da noch was?
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Auf diese Weise und in dem Ausmaß ist es mir noch nicht so häufig passiert, heute aber war wieder mal so weit: Ich habe für länger als nur ein paar Sekunden komplett die Fassung verloren; nicht während des Gesprächs mit einer Leserin, weil ich mich da noch ganz gut im Griff hatte und zwei Mal eine entsprechende Frage nach meiner Aufmerksamkeit mit "ich habe mich nur verschluckt, entschuldigen Sie bitte" beantworten konnte, aber nachdem die Frau in der Leitung aufgelegt hatte, war es dann vorbei mit meiner Contenance - von einem Lachkrampf gebeutelt bin ich erst einmal zwei Stockwerke auf der einen Gebäudeseite hoch und auf der anderen wieder runter gegangen, bevor ich dann war ich wieder in der Lage, den Hörer abzunehmen und mit dem nächsten Anrufer über sein Anliegen zu sprechen; in diesem Fall war es ein älterer Herr, der vorschlug, doch mal alle aktuellen Kfz-Kennzeichen in der Zeitung zu veröffentlichen. Aber der Reihe nach:
"Darf ich mal fragen, wie alt Sie sind?", fragte mich die Anruferin, nachdem Sie sich vorgestellt und mir gesagt hatte, dass sie gern mal mit mir über den Bericht "Das Ostrock-Gipfeltreffen" über ein Konzert der Bands City, Karat und Puhdys in Chemnitz gestern auf der Seite Kultur sprechen wollte. "Also gehören Sie wie ich der Generation an, die mit der Musik dieser Gruppen groß geworden ist", sagte sie, nachdem ich ihr mein Geburtsjahrgang genannt hatte; dann zögerte sie einen kurzen Moment, bevor sie diese Frage stellte: "Aber sagen Sie mal, so wie Sie klingen, sind Sie gar nicht von hier, oder?" Da war es wieder, mein ganz spezielles Problem: Was antworte ich darauf? In diesem Fall aber konnte ich nach der Information "seit mehr als 20 Jahren lebe ich Sachsen" noch einen ganz besonderen Trumpf ausspielen: "Und übrigens habe ich 'Über sieben Brücken', 'Alt wie ein Baum' und 'Als ich fortging' in meinem eigenen Programm, besonders gut kommen diese Songs an sommerlichen Lagerfeuern in Gartenanlagen an." Die Frau war beruhigt: "Dann werden Sie meinen Ärger verstehen."
Sie hat ein paar Minuten gebraucht, um ihn mir zu erklären, wobei ich mir anschließend ganz sicher war, dass der eine Satz von ihr den Unmut auf den Punkt brachte: "Dem Autor des Artikels mangelt es ganz einfach an Respekt vor dem Alter dieser Musiker und ihrer Lebensleistung für die Pop- und Rockmusik in unserem Land." Verschweigen möchte ich aber auch nicht, dass die Leserin mir einen Absatz aus dem Artikel komplett vorgelesen hat, es war dieser: "Beim Publikum haben die Veranstalter wohl einen ähnlichen Altersschnitt vermutet, und so ist die gut gefüllte (aber nicht ausverkaufte) Chemnitz Arena an diesem Abend komplett bestuhlt. Das ist im Grunde die Antithese zur Energie, die Rock wohl eigentlich transportieren möchte." Und es folgte, was ich befürchte hatte, dann diese eine Frage: "Verstehen Sie, was uns der Autor damit sagen möchte?" Ich habe mich gerettet mit dem Hinweis, dass ich die Kollegen in der Kultur über ihren Anruf informieren werde, wobei ich mir noch vorgenommen habe, die "Antithese zur Energie" sowohl physikalisch als auch philosophisch zu hinterfragen.
Eigentlich war das Gespräch damit an seinem Ende angelangt, als die Frau mich dann noch dies fragte: "Gibt es für Sie nicht auch eine Band, bei der Sie so richtig ins Schwelgen geraten und sich an Ihre wilde Jugendzeit erinnern, wenn Sie sie heute live auf der Bühne erleben würden? Und würden Sie nicht auch sauer sein, wenn Ihnen der Kritiker in der Zeitung das Konzert madig macht, weil er davon ausgeht, dass da die Grufties unter sich waren?" Kurz habe ich überlegt, dann spontan geantwortet: "Na klar, die Stones." Was ich dann in meinem Headset zu hören glaubte, kam einem Kichern schon ziemlich nahe, dann vernahm ich die Stimme erneut: "Ich verstehe, Sie sind an Fan von dem Frontmann, bei dessen Gesicht ich immer an eine alte Handtasche denken muss." Und mein Unheil nahm seinen Lauf.
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