Blog "Leser-Obmann": Von Falten, Frauen und Vorschlägen

Es ist schon ein paar Monate her, dass ich an dieser Stelle die Rubrik "Der Artikel mit den meisten Anrufen von Lesern, die überhaupt nicht damit einverstanden sind, was sie da lesen mussten" eingeführt habe. Die Idee, die damals dahinter stand, war der Gedanke, dass es durchaus manchmal höchst interessant und vor allem völlig überraschend ist, welche Berichte bei den Lesern nicht so gut angekommen sind. Bei meinen Randnotizen zu den Gesprächen mit Lesern in der zu Ende gehenden Woche geht es bei der ersten genau um einen solchen Fall. Da ist um einen Artikel auf der Seite Kultur geht, ist mir gleich noch eine weitere Idee gekommen: Wann immer sich die Gelegenheit bietet, werde ich hier in meinem Blog auch ein "Gedicht der Woche" veröffentlichen.

Episode 1: Sieben Leser (fünf Frauen, zwei Männer) haben sich bei mir über den Artikel "Der gewaltige Unterschied" über ein Konzert von Mireille Mathieu in der Chemnitzer Stadthalle zu beschweren. Die Kritik lässt sich mit einem Satz zusammenfassen: "Die Rezension bringt nicht einmal annähernd die tolle Stimmung und die Begeisterung des Publikums zum Ausdruck", teilte mir eine Anruferin mit. Interessant fand ich noch diesen Hinweis eines Lesers: "Ich sag Ihnen mal, warum die Zuneigung eher zurückhaltend und zaghaft war", sagte der Mann und fügte hinzu: "Die meisten Zuhörer waren so alt wie Mireille Mathieu oder sogar noch älter, und in unserem Alter fällt es einem nicht so leicht, vor Begeisterung einfach mal aufzuspringen und nach vorne zur Bühne zu sprinten." Eine Leserin hat sich vor allem über das Foto aufgeregt: "Das ist ja grässlich, man kann jede Falte sehen", kommentierte sie das Bild von der 68-jährigen Mireille Mathieu.

Episode 2: Das "Gedicht der Woche" von Alfred G. aus aktuellem Anlass:

Der Frauentag ist allemal,
ein illegaler Karneval.
Das plappert, kichert, juchst und sauft,
die Stadthalle ist ausverkauft.

Man feiert groß in einem Saal,
am Arbeitsplatz ein zweites Mal.
Brigadekassen gehen pleite,
die Männer stehen Seit an Seite
im Delikat nach Häppchen an,
an diesem Tag ruht der Plan.

Ein Kampftag eins, hoch aufzufassen,
wer denkt da noch daran, hoch die Tassen.

Episode 3: Episode 3: Einem Leser gehen die alljährlich aufkommenden Diskussionen über eine mögliche Erhöhung des Kindergeldes in Deutschland gewaltig auf die Nerven. Seiner Ansicht nach wäre das Grundübel aus der Welt zu schaffen, wenn man diesen Vorschlag in die Tat umsetzen würde: "Warum entlastet man die Familien nicht durch eine staatlich finanzierte einheitliche Schulkleidung?" Meinen ersten Einwand, dass das aber mit dem Grundrecht auf eine freie Entfaltung der Persönlichkeit nicht zu vereinbaren sei, entgegnete er mit diesem Satz: "Das ist doch Blödsinn, es sind doch Kinder."

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