Blog "Leser-Obmann": Ganz einfach: So funktioniert Demokratie

Bei sechs Gesprächen mit Lesern habe ich heute ganz bewusst die Unterhaltung auf das Funktionieren einer Demokratie und die Möglichkeiten der Bürger, sich daran aktiv zu beteiligen, gelenkt, obwohl sie sich wegen eines eigentlich anderen Themas an mich gewandt hatten. "Mir ist der Kragen geplatzt, ich hätte (...) können heute beim Frühstück, als ich diesen Artikel gelesen habe", formulierte ein Mann seinen Unmut, während eine Leserin es so auf den Punkt brachte: "Ich fühle mich so ohnmächtig, dabei bin ich eigentlich nur so was von wütend, dass ich aus der Haut fahren könnte." Diesen beiden und den anderen Anrufern war der Artikel "Landtag: Statt der Diäten sollen die Pauschalen steigen" heute auf der Titelseite der "Freien Presse" in die Nase gefahren.

Eine Leserin musste das Gespräch mit mir abbrechen, nachdem sie mir zuerst ihr Unverständnis über die Erhöhung der steuerfreien Aufwandsentschädigung um 1000 Euro geschildert hatte. Die Tränen kamen und die Stimme versagt ihr, als sie mir erzählte, dass sie allein lebt und zwar von einer Rente, die nur wenige Euro über den Satz von Hartz IV liegt. "Das ist zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel", fügte sie noch hinzu, bevor sie sich mit gebrochener Stimme verabschiedete.

Natürlich habe ich den Lesern den Rat gegeben, bei jeder sich bietenden Gelegenheit ihre Stimme zu erheben und ihren Unmut über die Pläne der Landregierung, auf diesem Umweg den Abgeordneten zu mehr Geld zu verhelfen, Ausdruck zu verleihen; selbstverständlich mit dem Hinweis, dass ich mich über möglichst viele Leserbriefe zu diesem Thema freuen würde, weil dieses Wiedergeben von Meinungen in der Zeitung auch ein Teil einer gelebten Demokratie ist. Viel wichtiger aber ist dieser, und daraus habe ich auch kein Geheimnis gemacht, ich fasse es mal zusammen, was ich den Lesern gesagt habe:

Es gibt flächendeckend in ganz Sachsen für jede Stadt und für jedes Dorf einen von den dort lebenden Menschen direkt gewählten Landtagsabgeordneten. Und dieser hat, denn unter anderem dafür bekommt er so viel Geld innerhalb seiner Aufwandsentschädigung, vor Ort in einer der Städte ein Büro mit einem persönlichen Ansprechpartner, mit Öffnungszeiten, mit einer Postadresse, mit eine Mailadresse, mit einer Telefonnummer, mit einer Faxnummer, mit einer Anschrift, mit einem Briefkasten. Gehen Sie hin, klingeln Sie an der Tür, rufen Sie an, schreiben sie Briefe, Faxe oder Maisl, und wenn sie keine Antwort erhalten, niemand die Tür aufmacht oder niemand ans Telefon geht, dann wenden Sie sich direkt an den Landtagspräsidenten und teilen Sie ihm, dass es nicht sein, dass ihre Landtagsabgeordnete vor Ort für Sie nicht erreichbar ist oder nicht mit Ihnen reden wollen. Alle erforderlichen Kontaktdaten finden Sie im Internet, und wenn Sie nicht im Netz unterwegs sind, dann helfe ich gern, das ist eine Frage von Sekunden.

Und dann sagen Sie Ihrem Abgeordneten, was Sie davon halten, dass er künftig 1000 Euro mehr im Monat bekommen soll. Die Mitarbeiter der Politiker in den Büros müssten sich vor Anfragen nicht mehr zu helfen wissen.

Nicht nur, aber auch so funktioniert Demokratie.

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