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Die alte Frau und das Netz: Geht mehr?

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Seit fünf Jahren werbe ich bei jeder sich bietenden Gelegenheit dafür, dass vor allem Senioren, die sich auf ihr hohes Alter berufen, wenn es um die Gründe für ihre Ablehung des Internets geht, sich einen Ruck geben und endlich das Netz für sich entdecken, weil sie damit - davon bin ich überzeugt - ihre Lebensqualität deutlich steigern können. Ebenso lange ist dies mein Argument: Das Nutzen  eines Computers und das Surfen im Netz ist einfacher, als die Handhabung der Fernbedienung eines modernen Fernsehers. Besonders bei Gesprächen mit Lesern am Telefon, deren Problem, weswegen sie meine Nummer gewählt hatten, ich mit wenigen Klicks mit Hilfe der Suchmaschine lösten konnte, verkneife ich mir diese Frage selten: "Darf ich Sie fragen, warum Sie nicht im Internet unterwegs sind?" Weil ich dieses Thema erneut in meiner Kolumne auf der aktuellen Seite Leserforum aufgegriffen habe, war ich also darauf eingestellt, auch heute zwischen zehn und zwölf das eine oder andere Mal eine Lanze für das Netz brechen zu können. Und dann gab es diese Unterhaltung:

"Es geht mir um Ihre Kolumne von heute, sie machen sich die Sache leider etwas zu einfach."
"Haben Sie ein Fernsehgerät? Hat es eine Fernbedienung? Mussten Sie schon mal die Programme neu eingeben? Ich kann Ihnen versichern, dass ..."
"Nun mal halblang, junger Mann, würden Sie mich bitte erst einmal ausreden lassen."
"Entschuldigung, natürlich, was kann ich für Sie tun."
"Also wenn Sie mich so direkt fragen, dann würden mir eine Menge Dinge einfallen, aber ich möchte Ihnen trotzdem zuerst verraten, warum ich angerufen habe."
"Geht klar."
"Mein Alter behalte ich für mich, aber Sie können davon ausgehen, dass ich nicht mehr die Jüngste bin, denn ich lebe in einem Seniorenheim. Und darum geht es mir."
"Um die Einrichtung ganz konkret, in der Sie wohnen, oder eher allgemein um Wohnmöglichkeiten für ältere Menschen?"
"Nein, natürlich um dieses Haus, ich will ja nicht die Welt verbessern, sondern eine Lösung für mein Problem finden."
"Ich verstehe, was kann ich für sie tun."
"Mit dem USB-Stick sind nur drei Gigabyte drin, das reicht mir nicht, ich möchte mehr."
"...?"
"Ich sehe, Sie können mir nicht verfolgen, ich fange also von vorne an."
"Danke."
"Über den Telefonanschluss ist eine Verbindung mit dem Netz nicht möglich, hat man uns gesagt, dafür seien die Leitungen und Anschlüsse nicht ausgelegt, sie seien einfach zu alt."
"Habe ich Sie nicht vorhin so verstanden, dass Sie bereits im Internet unterwegs sind?"
"Immer schön langsam mit den jungen Pferden, ich komme doch gleich dazu."
"Sorry."
"Wie bitte?"
"Tschuldigung."
"Deshalb habe ich mir doch einen Laptop gekauft und einen USB-Stick besorgt, mit dem ich ins Netz kann, aber eben nur mit drei Gigabyte,"
"Tut mir leid, mir sagt das nichts, aber wenn Sie es so formulieren, ist das vermutlich eher wenig."
"Davon können Sie ausgehen, deshalb will ich doch mehr."
"Aber was kann ich in dieser Sache für Sie tun?"
"Einen Bericht darüber schreiben."
"Darüber, dass Sie mehr Leistung für das Surfen im Internet wollen?"
"Natürlich nicht, sie sollen die Zustände hier in diesem Seniorenheim zum Gegenstand einer Recherche machen, damit die da oben mal ein bisschen (...) unter dem (...) gemacht bekommen und endlich mal etwas Sinnvolles mit den 380 Euro machen, die wir ihnen jeden Monat für Investitionen in den Rachen stecken."
"Ich verstehe, Sie meinen also, dass das Geld an der falschen Stelle für Investitionen verwendet wird."
"Das habe ich nicht gesagt."
"Ich dachte, Sie ..."
"Also, noch mal ganz langsam zum Mitschreiben: Der Betreiber des Seniorenheims (Anmerkung: Die Leserin hat mir den Namen des Hauses in Plauen genannt) sollten überhaupt mal anfangen, das Geld auch tatsächlich für Investitionen zu verwenden. Sie können mir glauben, hier ist in den vergangenen Jahren überhaupt nichts reingesteckt worden. Wenn Sie mich mal besuchen und mit mir durchs Haus gehen könnten, würden Sie verstehen was ich meine. Und ganz oben auf der Prioritätenliste müsste dann eine neue Telefonanlage stehen."
"Ich verstehe."
"W-Lan wäre natürlich noch besser, aber man will ja auch nicht gleich übertreiben."
"Ich staune."
"Worüber?"
"Nun, für gewöhnlich sind die Senioren, die mich ..."
"So eine bin ich nicht, ich will doch wissen, was so los ist in der Welt."
"Eben."
"Wie meinen Sie das?"
"Sie sind anders."
"Das rechne ich, weil ich mir bei Ihnen ziemlich sicher bin, Ihnen als Kompliment an."
"Das dürfen Sie."
"Vielen Dank."
"Wollen Sie noch meine Telefonnummer?"
"Gerne, ich werde die Kollegen mal fragen, was man da machen kann."
"Festnetz oder Handy?"

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