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Keine Frage: Ich bin ein toller Typ
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Gleich mit zwei "ungeschriebenen Gesetzen" für meinen Blog breche ich heute erstmals. Erstens: Am Ende des Eintrags steht der vollständige Name eines Lesers, der mir seine Meinung zum Streik der Lokführer geschrieben hat, aber leider damit leben muss, dass ich seine Ausführungen nicht auf der Seite Leserforum veröffentlichen kann, denn sie sind zu lange und Kürzen hätte mir persönlich in der Seele wehgetan. Zweitens: Bei seinem Statement handelt es sich im einen "offenen Brief", was eigentlich bedeutet, dass er weder in der Zeitung noch hier in meinem Blog veröffentlich werden dürfte, denn es wäre als ein Präzedenzfall, und vermutlich könnte ich mich künftig vor "offenen Briefen" nicht mehr retten. Und doch ist er jetzt gleich zu lesen, ich werde aber dafür keine Rechtfertigung hinzufügen, denn der Inhalt spricht für sich. Der Leser war selbst Eisenbahner während seines Berufslebens und hat sich mit den Beschäftigten der Deutschen Bahn solidarisieren wollen. Meiner Ansicht nach ist es ihm vortrefflich gelungen. Dies ist sein "offener Brief":
Sehr geehrter Bahnkunde,
ich möchte mich Ihnen gerne vorstellen: Ich bin in der Lage, gleichzeitig Preise für Fahrkarten für drei Personen auszurechnen, Reservierungen in fünf verschiedenen Systemen zu tätigen und neun eingehende Telefonate gleichzeitig anzunehmen.
Ich spreche mehrere Sprachen und habe alle Eisenbahnstrecken in Europa bereist, ich kenne jeden Wagen und jeden Platz, weiß alle Tarife und die jeweiligen Abfahrtszeiten aus dem Kopf.
Ich bin verantwortlich für das schlechte Essen im Zug, für Verspätungen, defekte Wagen und Loks, das Wetter, eventuelle Unruhen, gewalttätige Konflikte und Streiks sowie für die schlechte Wirtschaftslage und ungünstige Umtauschkurse, falsche Informationen aus dem Internet, Gleisänderungen und defekte Bankautomaten.
Ich habe magische Fähigkeiten und kann Betten in ausgebuchten Schlafwagen und Sitzplätze in überfüllten Zügen reservieren. Außerdem bin ich in der Lage, Züge zu ihren geplanten Zeiten abfahren und ankommen zu lassen. Grundsätzlich schaffe ich es, Sie an jeden Ort zu bringen, ohne dass Sie einmal umsteigen müssen. Ich weiß auch, dass Sie, wenn Sie einen Zug am Freitag gebucht haben, in Wirklichkeit erst am Samstag fahren wollen.
Ebenso kann ich es Ihnen von der Stirn ablesen, wenn Sie mit einem Wochenendticket verreisen möchten. Die Fahrpreise und die unwürdigen Bedingungen bei Sonderangeboten gehen ebenfalls auf meine Kappe, Sie dürfen mich gerne dafür anschreien. Ich lächle, bin mitfühlend und ersetze meinen Kunden gern den Psychiater.
Ich bin Ihnen gerne beim Abbau Ihrer Aggressionen behilflich, ertrage mit viel Ruhe auch die schlimmsten Beschimpfungen. Alkoholfahnen vom frühen Morgen bis spät in die Nacht gehören zu meinen Lieblingsdüften, hauchen Sie mich ruhig nach Herzenslust an. Laden Sie all Ihren Frust bei mir ab, ich habe ja zu Hause eine Familie, der ich es mit gleicher Münze heimzahlen kann, denn die haben es schließlich mehr verdient als Sie.
Schauen Sie bitte nicht selbst auf den Fahrplan nach der S-Bahn oder gar nach dem Zug. Wofür sind wir denn da, wir haben ja sonst nichts Besseres zu tun. Sportveranstaltungen brauchen Sie sich auch nicht mehr selber anzusehen, die Ergebnisse bekommen Sie immer brandaktuell bei uns, denn wir sind schließlich die Auskunft.
Ich kann schauspielern, singen, tanzen und den Drucker reparieren, Ferndiagnosen über Verspätungen und Auslastung der Züge im Ausland stellen, und selbstverständlich zahle ich Ihnen aus eigener Tasche ein Taxi, wenn Sie mal eine halbe Stunde auf einen Anschlusszug warten mussten.
Ich kenne weder Sonn- noch Feiertage und arbeite gerne bis spät in die Abendstunden, am liebsten aber nachts. Persönliche Freizeit ist mir ein Gräuel. Die einzige Freude meines Daseins ist, Ihnen selbstlos zu dienen.
Ich bin Mitarbeiter der Deutschen Bahn AG.
(Helmut Weißflog, Zwickau)
In eigener Sache: Ich denke darüber nach, diesem Beispiel zu folgen, und einen "offenen Brief" an die Leser der "Freien Presse" zu schreiben.
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