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Leben ohne Netz - das funktioniert
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Vier Leser haben mich seit gestern angerufen, weil sie mit mir über den Artikel "Schon jeder zehnte Dreijährige ist im Internet unterwegs" auf der Titelseite der "Freien Presse" reden wollten. Ausnahmslos drehten sich die Gespräche vor allem um diese Frage, die ein Anrufer so formulierte: "Wie muss ich mir das vorstellen, denn Dreijährige können doch für gewöhnlich weder lesen noch schreiben?" Ob das Surfen im Netz für die Kleinkinder gut ist oder ob es sich vielleicht negativ auf ihre geistige oder körperliche Entwicklung auswirken könnte, spielte bei den Gesprächen erst dann Rolle, als ich dieses Thema andeutete; das hat mich gewundert, weil diese Gedanken mir als erstes in den Sinn gekommen waren, nachdem ich den Artikel gelesen hatte. Zwei dieser Anrufer sind selbst im Internet unterwegs, beschränken sich dabei aber eigenen Angaben zufolge auf das Verschicken von Mails an Kinder und Enkelkinder sowie auf das Anklicken von Nachrichten- und Wetterportalen. Den beiden anderen Anrufern ist das Netz in jeder Beziehung fremd, denn sie hatten zuvor für ihr Leben beschlossen, dass es sich auch ganz gut ohne Online leben lässt.
Zwei Dinge waren bemerkenswert an diesen Gesprächen. Zum einen habe ich die vier Leser davon überzeugen können, dass dreijährige Kinder sehr wohl in der Lage sind, Bilder und Symbole auf dem Monitor eines Computer zu erfassen als etwas, mit dem sie etwas anfangen können oder dass sie irgendwie weiterbringt, wenn sie den Cursor mit Hilfe der Maus dorthin schieben sowie mir einer einzigen Fingerbewegung und einem Klick dem Rechner einen Befehl geben. Voraussetzung sei aber, was ich nicht verschweigen wollte, dass ihnen die Eltern mit der Eingabe einer Internetadresse die erste Seite aufmachen, von der aus sie dann ihre Erkundungstour im Netz starten können. An einer Stelle wäre ich bei einem Anrufer beinahe gescheitert, weil mir so schnell keine verständliche Umschreibung für die Handhabung eines Touchscreens eingefallen war, doch auch das war dann mit "einfach den Bildschirm berühren und los geht's" kein Problem mehr.
Zum anderen kann ich schon lange der Versuchung nicht widerstehen, älteren Menschen, die das Netz ablehnen oder ihm zumindest mit großer Skepsis begegnen, mit ein oder zwei Fragen die Reaktion zu entlocken, dass sie nicht anders konnten, als zuzugeben: "Ja, das würde mir echt weiterhelfen" oder "Na klar, das würde mir gefallen". Bei zwei Anrufern war ich diesmal erfolgreich, nachdem ich ihnen mit wenigen Worten erklärte habe, wie Skypen funktioniert und dass man auf diese Weise mit den Enkelkindern, die auch weit weg wohnen, einen viel bessern Kontakt aufrecht erhalten kann. Ein Leser zeigte sich davon beeindruckt, dass man in den meisten Städten mittlerweile auch Lebensmittel und andere Dinge des täglichen Bedarfs im Internet bestellen kann und dass sie dann ohne weiteren Aufpreis in die Wohnung geliefert werden. Bei dem vierten Anrufer bin ich gescheitert, obwohl ich versucht hatte, ihn mit Hinweisen auf Partnersuchportalen oder Livetickern bei sportlichen Großveranstaltungen aus der Reserve zu locken. Wirklich schockiert aber hat mich diese Erkenntnis dann aber doch nicht: Das Leben ohne Netz - es ist möglich.
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