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Gedacht, gesagt und geschrieben
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Zurzeit erreichen mich - deutlich mehr als sonst - viele Meinungen von Lesern, deren Standpunkte aus den unterschiedlichsten Gründe nicht auf der Seite Leserforum in der "Freien Presse" veröffentlich werden können. Deshalb habe ich mich jetzt entschieden, einen Teil davon hier in meinem Blog zu veröffentlichen, weil ich die Ansichten für so wichtig oder unter Umständen auch so originell halte, dass sie nicht einfach so im Archiv verschwinden sollten. Bei den einzelnen Geschichten nenne ich zu Anfang immer den Grund, warum die Beiträge der Leser nicht als Leserbrief veröffentlicht werden:
Episode 1: Der Leser wollte auf keinen Fall, dass sein Name in der Zeitung steht, hier sein Text: "Fremdenfeindlichkeit ist leider weiter verbreitet, als nach offizieller Lesart zu erwarten ist, und sie wird auch offen ausgelebt. Ein Dienstagvormittag in Bad Schlema (Kurort-Idylle): Der Käuferstrom ist auf dem Platz in der Nähe der Marktpassage überschaubar, und so finden die Händler der noch offenen drei Einrichtungen Zeit für einen Schwatz miteinander. Bei "da kenne ich keine Toleranz" werde ich hellhörig. Als Erwiderung folgt aus dem Wagen einer Bäckerei, gesprochen von einer resoluten Dame, die entsprechende Zustimmung "Ausländerzeich". Alles unüberhörbar, voller Überzeugung und ohne jegliche Skrupel vor Kunden oder Kurgäste gesprochen. Was ist hier im Kurort los?, frage ich mich bekümmert. Da bleibt mir wohl nur, künftig meine Pflanzen bei einem anderen Händler zu kaufen, obwohl der Asternstrauß sehr frisch und gut gebunden war."
Episode 2: Dieser Leser bezeichnete seinen Text selbst als Glosse, für die das Leserforum aber leider nicht der richtige Platz ist: "Um 1800 herum schrieben die Gebrüder Grimm auf: Vor alten Zeiten, trug es sich zu, dass (...) er eines Abends müde war und ihn die Nacht überfiel. Nun standen auf dem Weg vor ihm zwei Häuser gegenüber, das eine groß und schön, und gehörte einem Reichen, das kleine einem armen Manne. Da dachte er: Dem Reichen werde ich nicht beschwerlich fallen, bei ihm will ich anklopfen. Der Reiche machte das Fenster auf und fragte den Fremdling, was er suche? Der Wanderer antwortete: Ich bitte nur um ein Nachtlager. Der Reiche guckte den Wandersmann von Haupt bis zu den Füßen an, und weil er schlichte Kleider trug und nicht aussah wie einer, der Geld in der Tasche hat, schüttelte er mit dem Kopf und sprach: Ich kann euch nicht aufnehmen, meine Kammern liegen voll Kräuter und Samen, und sollte ich einen jeden beherbergen, der an meine Türe klopft, so könnte ich selber den Bettelstab in die Hand nehmen. Sucht anderswo ein Auskommen. Schlug damit sein Fenster zu und ließ ihn stehen. Heute wird dieses Märchen in Sachsen von einigen neu aufgelegt, und nicht nur Fenster werden zugeschlagen. In 20 Jahren hat sich alle Welt und die eigenen Kinder lange von diesem hartherzigen und missgünstigen Völkchen abgewandt. Dann sind diese Leute mit ihrem Angsthass endlich unter sich; niemand, der noch zu ihnen will, der ihre Rente verdient und sie im Alter pflegt."
Episode 3: Mit Lob für die eigene Arbeit der Kolleginnen und Kollegen in der Redaktion würde ich vermutlich im Leserforum auf wenig Verständnis bei den Lesern selbst stoßen, weshalb ich dafür hier einen Platz gefunden habe: "Ich sehe im Internet Kommentare zum Thema "Flüchtlinge", die erfüllt sind von vor Dummheit strotzendem Hass, Neid und Missgunst, und die eine kollektive Demenz beim Thema "Deutsche Geschichte" fordern. Sie beschimpfen die Presse als "gesteuert" und glauben an Verschwörungen oder an die Wahrheiten eines Wladimir Putin. Meine Vorstellungen sind vage, was den Inhalt und Ton von Telefonaten und Briefen betrifft, die die "Freie Presse" täglich erreichen, aber ich weiß, dass man Beschimpfungen, Beleidigungen etc. nur eine begrenzte Weile von sich fernhalten kann, ehe sie zu wirken beginnen. Deshalb möchte ich mich einfach mal bedanken für die gute Arbeit, die mir von Montag bis Samstag in Form der "Freien Presse" vorliegt. Ihr seid aktuell, informativ und unterhaltsam. Mutig packt Ihr unliebsame Probleme an und bezieht eindeutig Stellung, wenn es nötig ist. Ich hatte noch nie das Gefühl, die Redakteure seien "ferngesteuert", Sie alle machen einen guten Job."
Episode 4: Gar nicht mal so selten kommt es vor, dass Leser ihre Meinung ausschließlich durch Fragen zum Ausdruck bringen wollen, vermutlich verbunden mit der Hoffnung, dass die Tatsache, dass ihrer Ansicht nach entweder niemand an eine Antwort darauf weiß, oder dass die Antwort "aber so was von" eindeutig ist, allein schon keines weiteren Kommentars bedarf. Dieser Leser hat mehr als 20 Fragen aneinandergereiht, und dies soll als Auswahl reichen: Wer verursachte die Situation im Irak? Welchen Anteil übernimmt die USA an diesem Flüchtlingsdrama? Wer verursachte die Situation in Syrien? Welchen Anteil übernehmen die USA und Russland an diesem Flüchtlingsdrama?
Episode 5: Häufig beziehen sich Leser ganz bewusst auf ein Thema mit einer (wie ich es nenne) "übergeordneten Tragweite", was heißen soll: Die Meinung der Autoren bezieht sich nicht auf eine gerade kontrovers geführte Debatte, sondern ist die Folge einer eher weltumspannenden Betrachtung. Was jetzt folgt, ist nur der Anfang einer solchen Meinung, sie ist um ein Vielfaches länger, weshalb sie nicht im Leserforum veröffentlich werden kann, denn das Kürzen würde dem Inhalt und seiner Kernaussage nicht gerecht werden: Im Jahre 1990 erklärte der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker: "Der Kalte Krieg ist überwunden. Wir stehen vor der klaren Alternative, Europa zu einigen oder gemäß leidvollen historischen Beispielen wieder in nationalistische Gegensätze zurückzufallen." Diese Worte waren damals für viele Menschen Hoffnung und Mahnung zugleich. Heute muss man feststellen, dass sich diese Hoffnungen auf eine friedliche Einigung immer mehr zerschlagen, Hoffnungen auf eine Entspannung in Europa auf der Basis einer gleichberechtigten Partnerschaft der Länder. Die Hoffnung, Krieg aus dem Verhältnis der Staaten untereinander zu verbannen scheint bei den Amerikanern ebenso wie bei den Europäern verloren und immer mehr Menschen haben wieder Angst davor, dass ein Krieg in Europa machbar wird. Ein solcher Krieg würde nicht nur Europa treffen, sondern er würde den dritten Weltkrieg, die Zerstörung der gesamten Zivilisation bedeuten. Stellt sich die Frage, wer die Situation anheizt? (...)
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