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Das Derby, die Null und ein Grab

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Dass auch ich hier in meinem Blog nicht an James Bond vorbeikomme und in meinem Randnotizen zum Wochenausklang kurz auf "Spectre" eingehen muss, mag angesichts des weltweiten Trubels zum Start des Films nicht wirklich zu verwundern. Vielmehr in Erstaunen dürfte dabei diese Tatsache versetzen: Der Geheimagent im Dienste seiner Majestät und das Derby zwischen dem Chemnitzer  FC und FC Erzgebirge Aue haben mehr gemeinsam, als man zunächst vermuten würde. Und dabei geht es nicht um diese Frage: Wenn Agent 007 im Einsatz ist, gewinnen am Ende immer die Guten, gilt das auch für das Fußballspiel am Samstag?

Episode 1: Wenn das Aufmacherfoto oder die Bildgrafik auf der Titelseite der "Freien Presse" für Gesprächsstoff sorgen, ist das zunächst mal gut, weil genau das zu ihren Aufgaben gehört: Eine Nachricht mit Hilfe eines Blickfangs so zu transportieren, dass der Leser dazu angeregt wird, mehr über dieses Thema zu erfahren oder sich inhaltlich damit auseinanderzusetzen. Dass sich jemand daran reibt und sich vielleicht sogar ärgert über das Bild, gehört meiner Ansicht nach zur Natur der Sache, ich finde es auch nicht schlimm. Wichtig für meine Arbeit während meiner Sprechstunde zwischen zehn und zwölf ist der E-Faktor auf einer Skala von 1 bis 10 (emotionales Bemühen um mehr Nachdruck durch Regulierung der Stimmenlautstärke und die Häufigkeit von Kraftausdrücken bei der Wortwahl). In dieser Woche haben zwei optische Aufmachungen auf der Titelseite miteinander konkurriert, der Ausgang war knapp: Mit einem E-Faktor von 6,2 lag eine Grafik des umgebauten Erzgebirgsstadions  in Aue (Zitat: "Und das zwei Tage vor dem Derby, sind Sie wahnsinnig geworden?", fragte mich ein Anrufer aus Chemnitz) knapp vor einer Kombination aus mehreren Fotos zum Start von "Spectre" in den deutschen Kinos, der ich eine 5,9 geben konnte. (Zitat: "Die Welt steht kurz vor einer humanitären Katastrophe, während sich vielerorts auf der Erde die Menschen gegenseitig mit Waffengewalt bekriegen, und Sie meinen, James Bond gehöre auf die Titelseite der Zeitung; das mag verstehen, wer will, ich jedenfalls bin entsetzt", meinte eine Leserin.)

Episode 2: "Können Sie mir mal erklären, weil ich das erst heute wieder in der Zeitung gelesen habe, was eine schwarze Null ist?", fragte mich eine Leserin und nannte mir mit "Steuerschätzung - 2016 fünf Milliarden weniger Einnahmen" die Überschrift des Artikels, der sie veranlasst hatte, mich anzurufen.  Nachdem ich es mit der Erklärung "unterm Strich das Ergebnis eines ausgeglichenen Haushalts" versucht hatte, die Frau in der Leitung sich damit aber nicht zufrieden gab, weil sie das zwar nachvollziehen könne, aber nicht verstehe, warum die Null dann schwarz sei, habe ich die Suchmaschine aktiviert und ihr eine Erklärung vorgelesen, die ich auf der Internetseite www.haushaltssteuerung.de gefunden hatte. "Junger Mann, das verstehe ich alles, ich bin zwar alt, aber noch lange nicht zu alt für solche Themen, aber ich weiß jetzt immer noch nicht, warum die Null nun schwarz ist." Ich versuchte es mit der Umkehrung: "Weil der Etat eben keine roten Zahlen schreibt, sondern schwarze", sagte ich und bemerkte angesichts des zu vernehmenden Seufzers in der Leitung sofort, dass dies auch nicht das war, was die Anruferin hören wollte, und sie erwiderte: "Also, nochmal: Es gibt rote Zahlen, es gibt schwarze, alles soweit klar, nur die Null, wenn sie schwarz sein kann, ist denn auch eine rote Null möglich?" Langsam bemerkte ich, wie sich da mal wieder ein Drehwurm in meinen Gehirnwindungen breitmachen wollte; das galt es zu verhindern, als mir dieser Gedanke kam: "Sie haben vermutlich recht mit Ihrem Hinweis, ich gebe Ihnen jetzt mal die Telefonnummer, die Sie wählen können, wenn sie einen Vorschlag für die Wahl des Unwortes des Jahres machen wollen." Kommentar der Leserin: "Gute Idee."

Episode 3: Zum Glück kann ich über die Tastenkombination  "Strg + F" gezielt nach Wörtern suchen, die so oft in meinen Protokollen der Gespräche mit Lesern dann doch nicht vorkommen, so dass ich fündig geworden bin und jetzt mit Sicherheit dies feststellen und mitteilen kann: Aufgrund der Hinweise von Lesern müsste sich Willy Brand in den vergangenen Jahren mindestens fünf Mal "im Grabe umgedreht haben", weil er die politische Linie seines amtierenden Nachfolgers an der Spitze der SPD nur noch mit Staunen beziehungsweise mit Entsetzen zur Kenntnis nehmen könnte. Ergänzend möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass der Leser, der diese Formulierung in seinem Kommentar zur politischen Wirken des Vizekanzlers Siegmar Gabriel gebraucht hatte, außerdem von einem "Totengräber" der SPD sprach. Während ich so darüber nachdachte, wie man eine politische Partei zu Grabe tragen kann, erinnerte ich mich an ein Lied von Reinhard Mey; es trägt den Titel "Wie ein Baum, den man fällt", und immer wenn ich übers Sterben nachdenke, möchte ich zur Gitarre greifen und es singen. Sorry, manchmal überkommen mich solche melancholische Gedanken, ich bitte um Nachsicht.

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