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Drei Anrufer haben sich heute bei mir über die Auswahl der Briefe auf der Seite Leserforum unter der Überschrift "Verfall der Werte muss gestoppt werden" beschwert. Den drei Männern war in die Nase gefahren, dass in drei Meinungen von einem "Mob" die Rede war; einer sprach am Telefon von einer "pauschalen Verunglimpfung von Menschen, die auf die Straße gehen, um ihrer politischen Überzeugung Ausdruck zu verleihen", während ein anderer mir zu verstehen gab, dass er sich angesprochen fühle und sich dagegen verwahre, auf diese Weise beleidigt zu werden. Der dritte sprach unverhohlen eine Drohung aus: "Diese Meinungen hätten niemals veröffentlicht werden dürfen. Ich habe so was von satt, wenn ich dieses Wort noch einmal in der Zeitung lese, dann ?"

Zum besseren Verständnis zitiere ich die Leser, die dieses Wort in ihren Briefen verwendet hatten:

"Die Schlagzeilen erschrecken mich. Sie beweisen, dass rechtsradikale Organisationen die angespannte Lage immer mehr zu ihren Gunsten ausnutzen und einen Mob mobilisieren, der mir Angst macht, weil er offenbar viele Sympathisanten in der Bevölkerung findet."

"Vor dem Hintergrund von Clausnitz, Freital und Heidenau, wo Flüchtlinge vom Mob in Angst und Schrecken versetzt werden, verkommen seine Antworten (Anmerkung: Gemeint ist der sächsische Ministerpräsident Tillich) zu untauglichen Erklärungsversuchen."

"Warum ist dort nur eine schmale Schneise zwischen Bus und Gebäude zu sehen, statt einer breiten, durch die die Asylbewerber sicherer am Mob vorbei ins Gebäude hätten gelangen können? Und überhaupt: Warum wurde der Mob nicht vom Ort des Geschehens weggeschafft?"

In der Sache habe ich mit den drei Anrufern nicht darüber diskutiert, wann man eine Gruppe von Menschen als "Mob" bezeichnen darf oder ob das grundsätzlich zu den Begriffen gehört, auf deren Verwendung man verzichten sollte. Erklärt habe ich das den Lesern so: Wer sich so verhält wie die Menschen, die aus ihrer Haltung kein Geheimnis machen, während die Feuerwehr versucht, den Brand in einer künftige Flüchtlingsunterkunft zu löschen, oder die sich vor einen Bus mit Kriegsflüchtlingen stellen und "Wir sind das Volk" skandieren, bedarf keiner wertenden Einordnung in eine Gruppe, weil dieses Verhalten für sich spricht und keines weiteren kommentierenden Begriffs bedarf; auch eine politische Zuordnung dieser Gesinnung ist so offensichtlich, dass sie keiner expliziten Erwähnung bedarf. Keines der drei Gespräche hat deutlich länger gedauert als der Austausch beziehungsweise die Beschreibung der konträren Positionen.

Darüber hinaus hat mich heute ein handgeschriebener Brief eines 93-jährigen Lesers erreicht. Seine Meinung als Leserbrief zu veröffentlichen hat er mir untersagt, weil er seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte aus Angst vor Reaktionen gegenüber seiner Person. Deshalb nutze ich nun meinen Blog, um wiederzugeben, was der Mann mir geschrieben hat:

"Wir haben die Entwicklung zum Hitlerfaschismus erlebt und überlebt. Was sich nach 1933 bis 1949 abgespielt hat, ist noch in bester Erinnerung. Hitlerschergen, Nazibüttel, große Schreier und Sprücheklopfer brachten mit der damaligen Industrie Hitler an die Macht. Für meine Familie mit dem Ergebnis, mein Vater landete als guter SPD-Mann viele Jahre im Konzentrationslager. Meine Mutter und ich wurden überall geächtet, verfolgt und misshandelt. In der Schule war ich bei der Mehrheit der Lehrer das Kind eines Roten. Wir haben die Judenverfolgung grausam erlebt. Selbst nach Einzug in die Hitlerarmee 1944 hatte ich zu leiden. Ich wurde schwer verwundet und war fünf  Jahre in russischer Kriegsgefangenschaft. Von Anfang März 1945 bis Mai 1946 in Stalingrad. Dort erkrankte ich schwer, aber ich habe mit meiner Frau alles überstanden. Uns geht es außer gesundheitlichen Problemen gut. Ich schreibe Ihnen deshalb so ausführlich, damit Sie unsere jetzigen Beweggründe verstehen.  Wie sind in einer Zeit angekommen, wo Schreier, Sprücheklopfer, angebliche Führer von Pegida, AfD und andere, normale  gutgläubige Bürger in ihren Bann ziehen. Von der rechten Szene ganz zu schweigen. Wir schreiben Ihnen, legen unsere Meinung dar, aber wir möchten uns aus Angst nicht öffentlich zu Wort melden. Aber einen Rat haben wir: Medien, Politik, Politiker und vor allem die Justiz müssen ab sofort härter und schneller reagieren. Wenn solche Personen wie Frau Petry an die Macht kommen, dann ade armes Deutschland. Wir wünschen uns, viele ältere Leute unseres Jahrganges würden sich zu Wort melden."

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