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Letzte Worte: "Es hat geklingelt ..."

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Wenn es die gute Fee (nur) für Leserobmänner gäbe und sie würde plötzlich vor mir erscheinen und mir drei Wünsche gewähren, würde ich heute nach dieser zu Ende gehenden Woche nicht einen einzigen Augenblick zögern, ihr dies ans Herz zu legen: "Bitte mach, dass die Diskussion um die Äußerungen eines vermeintlichen Satirikers und die Redaktion eines türkischen Präsidenten darauf endlich zu einem Ende kommt und mich mit den Lesern in der Leitung wieder über Dinge unterhalten kann, die es wert sind, sich ernsthaft damit auseinanderzusetzen. Meine Randnotizen aus den  Protokollen der Gespräche seit Montag:

Episode 1: Bei den insgesamt elf Gesprächen, die ich mit Lesern am Telefon wegen der Debatte über das Schmähgedicht von Jan Böhmermann geführt habe, war auch eins, das es in meine Liste der kürzesten Unterhaltungen geschafft hat und dort auf Platz sieben gelandet ist. Die Anruferin wollte nur diesen einen Satz loswerden, bevor sie sich bei mir bedankt und verabschiedet hat: "Haben wir in unserem Land keine anderen Sorgen?"

Episode 2: Unter den Anrufern, die sich mehr oder weniger regelmäßig bei mir melden, gehört auch einer, der sich immer mit diesen Worten vorstellt: "Der Erbsenzähler vom Dienst ist am Apparat", sagte er auch heute um kurz nach elf und fügte hinzu, dass er wegen der Nachricht "Erstmals Haftstrafe für Kölner Dieb" auf der Titelseite mich angerufen habe. Zunächst zitierte er aus der Meldung: "Als der Mann den Diebstahl bemerkte, hielt er den Dieb fest, der ihm daraufhin einen Stoß versetzte." Dann erklärte er mir: "Angesichts der Tatsache, dass hier Gewalt zur Anwendung kam, handelt es sich nicht mehr um Diebstahl, sondern um Raub." Ich habe mich für den Hinweis bedankt und gesagt, dass ich die Kollegen in der Redaktion darüber informieren werde. Das habe ich auch getan, die Juristin unter den Redakteuren wies mich jedoch zurück: Entscheidend sei der Art und Weise beziehungsweise der Zeitpunkt der Wegnahme, was in diesem Fall bedeute, dass zuerst der Diebstahl vollzogen worden war, bevor die Gewalt angewendet wurde, was den Diebstahl zu einem Diebstahl macht und nicht zu einem Raub." Habe ich eigentlich schon mal erwähnt, dass ich manchmal, wenn ich mich selbst aufheitern möchte, das Wort "Juristenwitze" in die Suchmaschine eingebe?

Episode 3: Weil sie den Untergang der Sprachkultur befürchten, haben vier Leser bei mir angerufen, nachdem sie den Artikel "Deutschlernen nach Gehör: Wenn der 'Gönig Gümmelgörner gaut'" am Dienstag auf der Seite Sachsen gelesen hatten. Es gab allerding ein fünftes Gespräch wegen dieses Berichts, aber das war eher kurz, weil ich es abgelehnt hatte, den Wunsch der Frau in der Leitung zu erfüllen. Was ihr Begehren war? Nun ja, sie wollte dies von mir: "Würden Sie mir die Freude machen und mir die Überschrift einmal vorlesen?"

Episode 4: "Ich habe alle Unterlagen hier, aber sie müssen sich beeilen", sagte ein Mann in der Leitung, der mir zuvor einige Minuten lang davon berichtet hatte, dass es ihm gelungen sei, einen der größten Versicherungsskandale aufgedeckt zu haben, den unser Land während der vergangenen Jahrzehnt erlebt hat und der es erschüttern wird wie kein anderer zuvor. Wie immer bei solchen Anliegen von Lesern habe ich dem Anrufer erklärt, dass er uns gerne den Kern seiner Geschichte aufschreiben und zuschicken kann, damit ich den Kollegen in der Recherche etwas in die Hand geben kann, um  zu prüfen, ob es sich tatsächlich lohnt, weil ein öffentliches Interesse an dem Thema vorhanden sein sollte, der Sache einmal nachzugehen. Die letzten Worte, dich ich von dem Mann hörte, waren diese: "Zu spät, es hat gerade geklingelt, das sind mit Sicherheit der Staatsanwalt und die Polizei mit einem Durchsuchungsbeschluss."

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