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Ein Apparat und das Leben damit
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Kein Problem, dazu stehe ich: Auch nach 23 Jahren, die ich bereits in Sachsen lebe, lerne ich immer noch dazu, wenn es darum geht, die Begriffe zu verstehen, die zu DDR-Zeiten eine offenbar wichtige Rolle gespielt haben und die heute noch bei vielen Zeitgenossen wie selbstverständlich über die Lippen kommen, obwohl der eigentliche Sinn vermutlich nicht mehr zutrifft. Als Beispiel möchte ich den Abschnittsbevollmächtigen nennen, über den ich hier in meinem Blog schon mehrfach berichtet habe, weil viele Leute davon ausgehen, dass es in bestimmten Wohngebieten viel weniger Kriminalität geben würde, wenn diese Ordnungshüter noch ihren Dienst verrichten würden. Um den ABV aber geht es heute nicht, vielmehr ist es kein geringerer als der künftige Bundespräsident, der für mich Anlass ist, meine Liste der "DDR-Wörter mit einer besonderen Bedeutung" um ein weiteres zu ergänzen. Vier Leser haben Frank-Walter Steinmeier in den vergangenen zwei Wochen am Telefon einen "Apparatschik" genannt. Betonen muss ich es wohl nicht: Alle waren der Meinung, dass der SPD-Politiker keine gute Wahl für das höchste Amt in unserem Land ist.
Wie immer habe ich zunächst bei "Wikipedia" nachgeschlagen: "Apparatschik (...) ist ein aus dem Russischen stammendes Lehnwort für einen bestimmten Typus eines Funktionärs oder Bürokraten. (...) ist der Apparatschik vor allem dadurch gekennzeichnet, dass sein zentrales oder gar einziges soziales Bezugssystem der organisatorische Apparat ist, dem er seine gesellschaftliche Stellung verdankt." Dann habe ich zwei Kollegen gefragt, die (wie ich) auch in den alten Ländern groß geworden waren und dort ihre berufliche Laufbahn gestartet hatten, ob es bei uns auch ein ähnliches Wort gab: "Wir sprechen dann von einem Parteisoldaten", meinte ein Redakteur, während ein anderer sich eher auf das Berufsbeamtentun bezog und meinte: "Das waren und sind die Bürokaten und Aktenkrämer." Despektierlich aber seien diese Bezeichnungen nur in Richtung der Tatsache, dass solche Leute ihre eigene Überzeugung und Einstellung zur Arbeit der Verpflichtung gegenüber dem System und seinem Funktionieren weniger Bedeutung zumessen. Soll heißen: Tun, was andere von einem verlangen, dann kommt man schon irgendwie weiter. Der Apparatschik ist aber offensichtlich etwas mehr; jedenfalls hatte ich den Eindruck angesichts des emotionalen Engagements, mit dem die Anrufer ihre ablehnend Haltung gegenüber Frank-Walter Steinmeier vortrugen. Die Kollegen in der Redaktion, die ich dazu befragt habe, waren ausnahmslos der Meinung, dass sie niemals auf die Idee kämen, diese Bezeichnung für einen Politiker zu wählen, weil es ganz eindeutig in die Mottenkiste der DDR-Geschichte gehöre, denn die Nähe zum politischen System der Sowjetunion habe den Apparatschik erst zu einem werden lassen können. Aber weil es die UdSSR nicht mehr gebe und dem Funktionieren des Apparats auch niemand mehr eine Träne nachweine, sei diese Bezeichnung für den künftigen Bundespräsidenten eindeutig eine Beleidigung.
Also habe ich mich davon überzeugen wollen, dass dieses Wort tatsächlich dorthin gehört, wo linguistische Raritäten aus längst vergangenen Zeiten aufbewahrt werden, und habe die Archivsuche der Redaktion bemüht, um herauszufinden, wann diese Bezeichnung zum letzten Mal in der Zeitung zu lesen war. Gefunden habe ich dies:
Im dem Bericht "Trumps Stratege" (6. Februar, Seite "Zeitgeschehen") über Stephen K. Bannon als neuen Chefberater des US-Präsidenten war dieser Absatz zu lesen: "Letzteren Job erhielt Reince Priebus, bisheriger Parteichef der Republikaner, dessen Karteikasten Trump dringend braucht, um die rund viertausend Positionen in der Regierung zu besetzen. Dafür musste der neue Präsident dem biegsamen Apparatschik den Titel geben. Die Macht aber reservierte er für Bannon, der seine politischen Instinkte teilt. Die beiden verstehen sich als Störenfriede, die sich vorgenommen haben, die globalen Eliten aufzumischen."
Auch der Autor des Artikels "Sprühende Lebendigkeit" (3. Februar, Seite "Kultur") über den Schriftsteller Franz Fühmann hat das Wort noch in seinem Vokabular: "Viele Schriftsteller litten unter dem DDR-Regime, doch nur wenige traf es so hart wie Franz Fühmann. Er empfand den Sozialismus geradezu als Alptraum. (...) Sein Verhältnis zu den Apparatschiks spitzte sich derart zu, dass er sich deren Anwesenheit bei seiner Beerdigung testamentarisch verbat."
Vollends verwundert hat mich die Tatsache, dass in Berlin eine Band mit dem Namen "Apparatschik" gibt, die kürzlich erst ein Konzert in Marienberg gegeben hat; Hörbeispiele möge sich jeder selbst im Netz besorgen.
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