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Goethe oder der Versuch, lustig zu sein

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Ach (tatsächlich: ich stöhne), was wäre meine Dasein ohne den Versuch einer mehr oder weniger großen Anzahl von Lesern, sich mir mit ihrer Meinung zu nähern, indem sie sich des Humors oder der Ironie bedienen und dabei häufig leider vergessen, dass sie ihr Ziel vielleicht nicht erreichen, weil ich eher selten über etwas lachen kann, was vermeintlich lustig sein soll. Da stehe ich dann, was nicht stimmt, weil ich sitze, und weiß eigentlich nie, wie ich darauf reagieren soll. Am besten mache ich das mal mit ein paar aktuellen Beispielen deutlich. So teilte mir ein Leser mit deutlichen und für eine Veröffentlichung eher nicht geeigneten Formulierungen mit, was er von prominenten Zeitgenossen hält, die zwar viel Geld verdienen, aber den Hals nicht vollkriegen und dabei oft noch über ihre Verhältnisse leben, was dazu führt, dass sie irgendwann verarmt und einsam ihr Dasein fristen müssen. Anlass für seinen Entschluss, sich bei mir zu melden, war der Artikel "Becker weist Bericht über Pleite zurück" vor einigen Tagen auf der Seite "Aus aller Welt". Seine Ausführungen beschloss er damit, dass er Johann Wolfgang von Goethe zitierte und mir aus "Faust. Der Tragödie zweiter Teil" (1. Akt) diesen Vers zur weiteren Verwendung anbot:

 

"Doch als in allerneusten Jahren

Das Weib nicht mehr gewohnt zu sparen,

Und, wie ein jeder böser Zahler,

Weit mehr Begierden hat als Taler,

Da bleibt dem Manne viel zu dulden,

Wo er nur hinsieht, da sind Schulden."


Ob ich mich darüber amüsiert habe? Eher nicht, aber ich habe mir verkniffen, mit dem Leser darüber zu diskutieren, ob sein Frauenbild nicht ebenso antiquiert ist wie das des Dichterfürsten, der vor fast 200 Jahren diese Zeilen zu Papier brachte. Ein anderer Anrufer fragte mich gestern, ob ich ihm ein paar Namen von Bürgerrechtlern nennen kann, weil er sich mit ihnen in Verbindung setzen möchte, denn er habe im Internet vergeblich versucht, geeignete Personen ausfindig zu machen, die ihm helfen könnten, das Dilemma zu überfinden, das er angesichts dieser politischen Entwicklung als solches empfinde und darunter leide. Nun habe ich zunächst vermutet, dass es dem Mann in der Leitung möglicherweise um die Zustände in Ungarn, der Türkei oder in Saudi-Arabien gehe, weshalb ich bekennen musste, dass ich bei diesen Themen nicht so weit im Stoff stehe, um ihm Personen nennen zu können, die von Deutschland aus gegen diese gefährlichen Entwicklungen etwas bewirken wollen. "Nein, nein, meinte der Leser, da haben Sie mich falsch verstanden", sagte er, wohl wissend, dass seine Irrführung beabsichtigt war und in diesem Sinne vermutlich ironisch sein sollte, denn er fügte hinzu: "Es geht nämlich um ein innenpolitisches Thema." Nun war ich wirklich gespannt, um welches Dilemma es geht, das ihn dazu verlasst hatte, nach Kontaktdaten von Bürgerrechtlern zu fragen. Diese beiden Artikel nannte er mir, die Überschriften lauteten: "'Trojaner-Gesetz' soll Mitlesen von Whatsapp & Co. ermöglichen" und "Staatstrojaner darf künftig auf Smartphones 'mitlesen'". Langsam dämmerte mir, was die wahre Absicht des Anrufers war, die er schließlich so auf den Punkt brachte: "Sie kommen doch sonst immer aus ihren Löchern gekrochen, wenn es um die Wahrung unserer Grundrechte geht."

Ob ich Interesse hätte, von einem weiteren Versuch zu erfahren, den Genetiv dem Tod ein kleines Stück näherzubringen und am Ende dann auch zu Grabe tragen können, wollte eine Frau in der Leitung wissen, was dazu führte, dass ich diesen Versuch, eine Kritik mit etwas Ironie zu würzen, sofort als das erkannte, was es in Wirklichkeit war, nämlich purer Sarkasmus und reine Schadenfreude. Soll heißen: Mir war klar, dass irgendwo auf einer der heutigen Seiten in der "Freien Presse" einem Kollegen ein falscher Fall durchgerutscht war und es der Leserin eine diebische Freude bereitete, den Finger in die Wunde zu legen. So war es dann auch, nur schmunzeln konnte ich darüber nicht: "Freiberg gedenkt einem Gelehrten" lautete die Überschrift, die mir die Anruferin vorlas. Ganz ehrlich? Manchmal geht mir das Bemühen um Heiterkeit etwas mehr als sonst gegen den Strich. Aber Geduld und Gelassenheit gehören zu meinen stärkeren Tugenden, womit dieser Blogeintrag doch noch ein positives Ende findet.

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