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Diesmal muss sein: Hilfe!
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In der ersten Mail eines Leser, die ich heute um kurz nach neun öffnete, las ich diesen Satz: "Sind doch die Pironetten auf den politischen Parkett nicht nur das Markenzeichen unserer Kanzlerin." Weil ich mich kürzlich ganz fürchterlich blamiert habe, weil ich dem Verfasser einer Mail geschrieben hatte, dass ich mit dem Wort "Weiterungen" nichts anfangen und damit seiner aus nur wenigen Sätzen bestehenden Meinung nicht wirklich nachvollziehen könne, musste ich dann damit leben, dass ich (mit einem nicht zu verkennenden erhobenen Zeigefinger und dem Zusatz "Sie haben doch studiert") darüber belehrt wurde, dass dieses Wort eine Synonym für Bilanz oder Resümee sei, von dem ich tatsächlich noch nie etwas gehört hatte. Deshalb wollte ich, bevor ich dem Mann antwortete, mir ganz sicher sein, dass ich zu Recht mit "Pironetten" nichts anfangen kann. Mit diesem Ergebnis: Nicht einen einzigen Hinweis habe ich mit Hilfe der Suchmaschine gefunden. Also habe ich mich getraut und eine Mail geschrieben, mit dieser Konsequenz: Der Text kam ohne weiteren Kommentar ein zweites Mal, und nun lass ich diesen Satz erneut: ""Sind doch die Pirouetten auf den politischen Parkett nicht nur das Markenzeichen unserer Kanzlerin." Nun denn, gedacht habe ich dies: Manchmal passiert es tatsächlich, dass ich mir selbst im Wege stehe; warum auch immer, ich weiß es nicht, nicht einmal eine Ahnung habe ich.
Der erste Anruf um kurz nach neun war dann mit einer Herausforderung verbunden, die ich seit Anbeginn meiner Tätigkeit als Leserobmann vor sieben Jahren immer wieder annehme, aber noch nie zu meiner eigenen Zufriedenheit bewältigt habe. Das Problem ist gar nicht mal so kompliziert: "Ich habe Ihnen einen Leserbrief zugemailt, haben Sie ihn bekommen?" fragte mich die Leserin, was dazu führte, dass ich mein Beruhigungsritual "drei Mal tief durchatmen und in der Schreibtischschublade nachschauen, ob noch bitter Schokolade zur Verfügung steht" vollzog, denn ich schaut in meinem Postfach nach und sag, dass diese Nachricht tatsächlich bei mir eingegangen war; und zwar exakt sieben Minuten vor dem Anruf der Frau. Die Frage, ob ich ihre Zeilen auf der Seite "Leserforum" veröffentlichen werde, konnte ich ihr beantworten, nachdem ich nach etwa zwei Minuten, während wir bei nicht weiter sprachen, alle nötigen Informationen zusammen hatte: Ich sagte: "Nein." Den Wortlaut, mit dem sie mir anschließend auf eine betont emotionale Art und Weise ihr Unverständnis zum Ausdruck brachte, kann ich hier leider nicht wieder geben. Aber den Grund, für meine Entscheidung. Die Meinung der Frau: "Ich habe gerade im Radio gehört, dass in Bottrop ein Apotheker aus lauter Profitgier die Medikamente für eine Chemotherapie so manipuliert hat, dass sie wirkungslos wurden. Allein der materielle Schaden soll sich auf rund 2,5 Millionen Euro belaufen, von den menschlichen Dramen für die Patienten ganz zu schweigen." Was die Anruferin nicht verstehen wollte: Einen Leserbrief zu einem Beitrag im Radio kann "Freie Presse" nicht veröffentlichen. So leid mir das einem solchen Thema auch tut. Ein wenig konnte ich sie dann doch noch versöhnlich stimmen, weil ich ihr gesagt habe, dass ich meine Kollegen in der Redaktion bitten werde, vielleicht doch einmal über den Gerichtsprozess berichten mögen, bei dem der Apotheker wegen seiner Straftat auf der Anklagebank sitzt.
Weil ich weiß, dass ich nicht jammern sollte, weil dies zu ertragen nun mal mein Job ist, fühle ich mich nun auch besonders schlecht, weil diese Bilanz mich heute dann endgültig in eine Sinnkrise hat stürzen lassen: Zunächst war ich außerordentlich erfreut, nachdem ich festgestellt hatte, dass 13 Leserbriefe zu den Berichten und Kommentaren zu der Entscheidung des Bundestages bei der Abstimmung über die "Ehe für alle" bei mir eingegangen waren. Die Ernüchterung kam etwas später: Ausnahmslos alle kritisieren (teilweise mit ebenso drastischen wie extremen Gründen), dass homosexuelle Paare künftig heiraten dürfen und alle Rechte (also auch die Adoption von Kindern) eines "normalen" Ehepaares erhalten. Dieser Blog endet also mit einem Hilferuf: Das sollte meiner Ansicht nach nicht sein, das darf nicht wahr sein.
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