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Echt sauer: Dafür gibt es eine 7,1
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Manche Leser beginnen das Gespräch mit mir in einem Tonfall, als würden sie damit zum Ausdruck bringen wollen, dass der Menschheit die Apokalypse droht; hier gemeint im Sinne eines Weltuntergangs, wobei ich ausdrücklich betonen möchte, dass ich dabei den religiösen Aspekt bewusst außen vor lasse. Andere Anrufer wiederum gehen davon aus, dass wir noch eine Möglichkeit haben, dem drohenden Ende etwas entgegenzusetzen, weshalb ihr Engagement bei dem Bemühen, die Dringlichkeit ihres Anliegens in den Vordergrund zu stellen, mir wie die Prophezeiung des Armageddon vorkommt; hier gemeint im Sinne der Entscheidungsschlacht, wobei ich ausdrücklich betonen möchte, dass es nicht so klingen soll, als würde ich dabei an die Bibel und die Offenbarung des Johannes denken. Deshalb habe ich vor Jahren (eigentlich nur so für mich) den S-Faktor eingeführt, um die Gespräche mit Lesern zwischen zehn und zwölf in meinen Protokollen kennzeichnen zu können. Zur Erklärung: Viele Anrufer sagen innerhalb der ersten Minute diesen Satz: "Das ist doch ein Skandal"; deshalb der S-Faktor. Weil mich gestern ein Mann und heute eine Frau mit dem gleichen Anliegen und derselben großen Sorge beziehungsweise sogar Angst angerufen haben, kann ich darüber informieren, dass ich die erste Unterhaltung mit 6,7 auf der nach oben offenen S-Faktor-Skala und das zweite sogar sogar mit 7,1 bewertet habe. Zum besseren Verständnis drei Beispiele aus der Vergangenheit:
""Heute Morgen bin ich zur Arbeit gefahren und habe an einer Tankstelle bei uns in der Stadt getankt, und als ich dann eine halbe Stunde später in Chemnitz war, musste ich feststellen, dass das Benzin dort fünf Cents billiger war", hatte eine Anruferin sich bei mir beschwert und von einem Skandal gesprochen, wobei ich ihrer etwas halbherzig vorgetragene Einschätzung nur bedingt zustimmte, weshalb es dafür nur eine 2,9 gab.
Die bereits an einem Freitag um 12 Uhr geschlossene Rathaustür in einer erzgebirgischen Kleinstadt bezeichnete ein Leser als Skandal und bekam dafür von mir eine 4,3, weil ich nachvollziehen kann, wie man sich fühlt, wenn man extra in die große Stadt gefahren und nur drei Minuten zu spät gekommen ist, weil man einen langsam fahrenden Traktor nicht überholen konnte.
Der Preis von 3,50 Euro für einen mit 0,4 Liter Bier gefüllten Plastikbecher (plus ein Euro Pfand für den Becher) bei einem Volksfest ließ einen Anrufer von einem "handfesten Skandal" sprechen, wofür er von mir in meinem Protokoll einer 5,6 bekam, denn ich bin davon überzeugt, dass es bei solchen Veranstaltungen tatsächlich einen (nicht offiziellen und deshalb geheimen) Mechanismus gibt, der niemals einem Getränkeverkäufer bei einer Großveranstaltung erlaubt werden würde, sein Bier billiger als die anderen Anbieter verkaufen zu dürfen.
Nun zu gestern und heute:
"Ich bin ja so was von sauer und weiß gar nicht wohin mit meinem Ärger", sagte der Leser gestern zu Beginn. "Das ist eine riesengroße Sauerei, das gehört in die Zeitung, sie müssen da was unternehmen", meinte die Anruferin heute. Beide waren sehr aufgewühlt und hätten schon allein deshalb einen Wert von mehr als 6 auf der S-Faktor-Skala verdient. Aber der Grund allein hätte mich eher zu einer Abstufung bewogen:
"Bei Aldi kostet das halbe Pfund Butter jetzt 1,79 Euro", formulierte ihn die Frau. Ich muss nämlich zugeben, dass ich Butter weder kaufe noch esse und deshalb keine Ahnung habe, ob dieser Preis nun hoch ist oder nicht. Den S-Faktor in die Höhe getrieben hat dann aber diese Information: "Vor etwas mehr als einem halben Jahr waren es noch 75 Cent." (Während sie mir das Ausmaß ihrer Verärgerung noch weiter schildern durfte, habe ich mich im Netz überzeugt, dass die Angaben stimmen.) Also habe ich gesagt: "Ich stimme Ihnen zu, hier sollte man mal recherchieren, was dahinter steckt. Ich werde meine Kollegen darüber informieren." Mit beiden habe ich aber nicht darüber geredet, wie ich die Sache grundsätzlich rede: Ärgern darf ich mich, wenn etwas teurer wird, aber letztendlich nimmt mir niemand die Entscheidung ab, ob ich das Produkt weiterhin kaufen möchte, weil ich darauf nicht verzichten möchte und es mir dieses Geld wert ist. Denn wir sollten froh sein, dass wir die Entscheidungsfreiheit haben, auch wenn wir uns mit der Verantwortung uns selbst gegenüber manchmal etwas schwer tun.
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