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Meine Meinung, ich bestehe darauf

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Es ist mal wieder soweit, denn Freitag ab eins mache ich meins: Auch in dieser Woche gab es wieder viele kleine Randnotizen, die in meinen Kurzprotokollen stehen, aber aus den unterschiedlichsten Gründen nicht für einen eigenen Eintrag hier in meinem Blog reichen, aber auch nicht unter den Tisch fallen (wahlweise auch unter den Teppich gekehrt werden) sollen. Es geht darin um eine besondere Form der Meinungsfreiheit, das Prinzenpaar William und Kate, die besondere Sichtweise von Historikern und ein diesmal etwas anderes "Gedicht der Woche".

Episode 1: Zuerst sprach der Mann davon, dass er einen Leserbrief schreiben will, weil er sich über den Text in der Zeitung seinen eigenen Angaben zufolge sehr aufgeregt habe und nun vor lauter Ärger nicht wusste, wohin mit seiner aufgestauten negativen Emotionalität. Dass ich ihm aber sagen musste, dass das leider nicht möglich ist, war nicht das, was er erwartet hatte, weshalb er einen meiner "Lieblingssätze" von Lesern am Telefon sagte: "Noch herrscht Meinungsfreiheit in diesem Land, ich bestehe darauf." Wir haben dann noch eine Weile diskutiert und uns dann darauf geeinigt, dass ich ihm die Kontaktdaten des Unternehmens, dass die Anzeige mit dem Text, der ihn so in die Nase gefahren war, in der "Freien Presse" geschaltet hatte, im Internet herausgesucht habe, damit er dort anrufen und denen mal gehörig seine Meinung sagen kann. Es ist keine kleine Firma, sondern eher ein großer Konzern, weshalb ich ihn gebeten habe, mich vielleicht noch einmal anzurufen und zu erzählen, ob ihm jemand zugehört hat oder wie weit er mit Vorbringen seiner Kritik gekommen war.

Episode 2: Diese Meinung einer Leserin gehört wieder zu den kritischen Kommentaren, die mich zu Fotos und Artikels in der Zeitung erreichen, die aber nicht als Leserbriefe verstanden werden sollen, weshalb ich sie auch nicht auf der Seite "Leserforum" veröffentlichen kann, was ich manchmal, wie in diesem Fall, sehr schade finde und sie deshalb in meinem Blog wiedergebe und hoffe, dass es vielleicht die eine oder andere Reaktion darauf gibt. Die Verfasserin bezog sich auf die Fotonachricht gestern auf der Titelseite mit der Überschrift "Charmanter Familienbesuch begeistert Berlin"; es ging darin um den Deutschlandbesuch von Prinz William und seiner Frau Kate. Sie meinte: "Selten hat mich ein Titelfoto so schockiert wie das heutige. Minutenlang starrte ich mit immer größer werdenden Augen auf jede Einzelheit und war fassungslos. Was ich sehen musste, waren Massen junger Menschen, die einer dekadenten, völlig unwichtigen Familie zujubelten, keine alten, rückwärtsgewandten Leute, denen man nichts anderes mehr zutraut. Dann setzte mein Verstand wieder ein und ich wusste: Das ist das Ergebnis von fast 30 Jahren gezielter Massenmanipulation und -verblödung. Genau so soll es sein, so hat die Regierung das Volk, das sie braucht. Himmelangst kann einem um die Zukunft der Menschheit werden, wenn es solche Ereignisse sind, die die Menschen auf die Straße treiben."

Episode 3: Unter den Lesern, die mir mehr oder weniger regelmäßig schreiben und ihre Meinung zu Artikeln in der "Freien Presse" mitteilen, zählt auch ein Mann, dessen Kommentare und Einschätzungen ich aus zwei Gründen über das normale Maß hinaus zu schätzen weiß. Erstens: Er legt mit wenigen Worten meistens genau dort den Finger in die Wunde, wo es den Autoren, wenn sie ehrlich sich selbst gegenüber sind, wirklich wehtun könnte beziehungsweise sollte. Jüngstes Beispiel: Zum historischen Beitrag "Als die DDR die Todesstrafe strich" in der Beilage "Wochenende" bemerkte er, dass es darin neben der DDR ausschließlich um die Staaten des Ostblocks geht, aber kein Wort darüber zu lesen ist, dass es in den meisten Staaten der USA heute noch die Todesstrafe gibt; verbunden mit dem Hinweis, dass die Autoren von historischen Texten häufiger mehr damit etwas zum Ausdruck bringen, dass sie bestimmte Fakten gern auch mal weglassen, als dass sie die aufgelisteten analysieren und bewerten. Der zweite Grund: Der Leser schreibt mit der Hand, seine Schrift aber sieht aus wie gedruckt. Immer wenn er seine Angaben mit einer Quelle belegen will, kopiert er (wo auch immer, vermutlich nicht zu Hause, sondern irgendwo dort, wo für jede Kopie bezahlen muss) einen Abschnitt aus seinem Brockhaus (Jahrgang 1999), schneidet ihn aus und klebt ihn ans Ende des Briefes, den er mir schickt. Ganz ehrlich? Das hat was, das gefällt mir.

Episode 4: Eine mir offenbar wohlgesonnene Leserin hat mir per Mail einen Vers geschickt mit den Hinweisen, dass ich zum einen die darin versteckte Botschaft dazu nutzen könnte, mir das Leben als Leserobmann etwas leichter zu machen, und zum anderen den Reim in meinem Blog als "Gesicht der Woche" veröffentlichen könnte, weil der Unterhaltungswert auf der nach oben offenen Skala bei 8,3 liegt. Nun denn, ich habe ich mich entschlossen, beide Ratschläge zu beherzigen, aber angesichts  der Tatsache, dass ich es mir mit niemanden verscherzen möchte, will ich hier das Original wiedergeben mit der erklärenden Ergänzung, dass die Anrede in der ersten Zeile sich leicht dahingehend verändern lässt, den Sammelbegriff für meine Gesprächspartner täglich zwischen zehn und zwölf am Telefon an dieser Stelle einzusetzen und auf diese Weise diese Gruppe von Menschen direkt anzusprechen. Das Gedicht stammt aus der Feder des vor elf Jahren verstorbenen Schriftstellers Robert Gerhardt und lautet:

"Lieber Gott, nimm es hin, dass ich was Besond'res bin.

Und gib ruhig einmal zu,  dass ich klüger bin als du. 

Preise künftig meinen Namen, denn sonst setzt es etwas. Amen."

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