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Nicht wirklich geschwindelt

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"Ich habe Sie erwischt." Zuvor hatte der Anrufer nur seinen Namen genannt, bevor er mich heute (es war das siebte von 15 Gesprächen) mit dieser Feststellung konfrontierte. Und ich dachte mir: Dies ist der 73. Eintrag in meinem Blog, und irgendwann musste es ja mal passieren; ich hatte bereits so eine Ahnung, als ich heute Morgen um 5.39 Uhr die Zeitung aus dem Briefkasten zog. "Sie haben geschwindelt", fügte der Leser als nächstes hinzu und traf mich damit dort, wo es besonders weh tut - bei meiner Ehre als Journalist. Also aktivierte ich diesmal die Unterfunktion "Verteidigung" und lud von meiner geistigen Festplatte diesen Satz herunter: "Das kann nicht stimmen, ich sage immer die Wahrheit."

"Wirklich, ich lese jeden Tag Ihren Blog", sagt der Anrufer als nächstes, "genauso wie jede Woche auf der Leserbriefseite Ihre Kolumne. Und deshalb ist mir aufgefallen: Da stimmt irgendetwas nicht bei Ihnen." Ich schwieg. "Kürzlich haben Sie im Blog geschrieben, dass Sie gar kein Fernsehgerät haben." Der Leser machte eine Pause, wohl in der Erwartung, dass ich dazu schon was sagen würde, aber ich schwieg weiter. "Und heute lese ich unter der Überschrift 'Hart aber gerecht', dass Sie eine Sendung verpasst haben. Was stimmt denn nun: Kein Fernseher oder Sendung verpasst?"

Nur drei Sekunden habe ich darüber nachgedacht, den Satz auch auszusprechen, den ich mir bereits zurechtgelegt hatte: Wenn man kein Fernsehgerät besitzt, verpasst man die Sendung auch, weil man keine Gelegenheit hat, sie überhaupt zu sehen. Doch dann entschied ich mich für die Wahrheit, die reine, keine mit Raum für Auslegungen. Ich gebe zu: Weil ich zu Beginn meiner Tätigkeit als Leser-Obmann bei dieser Frage nach bestimmten Sendungen stets gesagt habe, keinen Flimmerkasten zu haben, wurde ich fast jedes Mal in eine Grundsatzdiskussion zu diesem Thema verwickelt. Das wollte ich nicht mehr, und deshalb bin ich auf die Variante "verpasst" umgestiegen.

Der Leser heute hat das verstanden, mir mein kleines Verbiegen der Wahrheit auch verziehen. "Seit wann leben Sie schon ohne Fernseher?" fragte er als nächstes. Die Information über die 13 Jahre ließ er einen Moment sacken, bevor er nachhakte: "Und was sind Ihre Gründe dafür?" Nachdem ich alle Unterfunktionen deaktiviert hatte, haben wir noch fast zehn Minuten darüber gesprochen, wie man sich das Leben schön gestalten kann, ohne dass man die TV-Berieselung ins Wohnzimmer auf sich wirken lässt. Womit wir beide (der Leser am Telefon und ich) bei einem meiner Lieblingsthemen waren: Mit Müßiggang durchs Leben - das funktioniert.

Wer mehr darüber erfahren möchte, kann mich anrufen. Diese Grundsatzdiskussion liebe ich nämlich über alles.

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