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Narkose beim ambulanten Operieren: Bloß nicht zu früh erwachen

Narkosen sind sicherer geworden. Doch es gibt immer noch Grauzonen.

Immer mehr Operationen finden in Praxis-Kliniken statt. Narkoseärzte sind gefragt wie nie. Die zwei Anästhesisten des Ambulanten OP-Zentrums Chemnitz zum Beispiel betreuen allein rund 1000 Operationen pro Quartal. Das sind fast 20 am Tag. Von Montag bis Donnerstag sind sie im Dauereinsatz. Denn die Chirurgen aus den angeschlossenen Arztpraxen operieren im OP-Zentrum ihre Patienten, nutzen Ausstattung und Personal.

In OP-Zentren ist die Narkosesicherheit sehr hoch. Mit modernsten Geräten und qualifiziertem Fachpersonal ist es hier nicht anders als im OP-Saal eines Krankenhauses. "Vereinzelt gehen wir auch noch in andere Praxen. Dort steht uns aber die gleiche Ausstattung zur Verfügung", sagt Dr. Falk Petzold vom OP-Zentrum Chemnitz.

Doch es gibt immer noch eine Grauzone: Viele Zahn-OPs, Gelenkspülungen oder Polypenentfernungen werden in Arztpraxen durchgeführt. Die Qualität der Praxis-Narkosen wird nicht kontrolliert, weil für diese Eingriffe keine Anästhesisten vorgeschrieben sind. Das haben Untersuchungen von "Spiegel online" ergeben. Die Experten raten deshalb, sich nur in Kliniken und OP-Zentren auf eine Vollnarkose einzulassen, die regelmäßig extern geprüft werden. Denn die Vollnarkose gehört auch bei kurzen Eingriffen in die Hände von Anästhesisten.

"Im Aufklärungsgespräch vor der OP sprechen Patienten oft über ihre Angst, plötzlich aufzuwachen und sich nicht bemerkbar machen zu können", sagt Falk Petzold. Offenbar nicht ohne Grund: Studien ergaben, dass einige während der OP kurz aufwachen. Die Zahl schwankt je nach Studie zwischen einem von hundert und einem von tausend. Gehört wurden den Beschreibungen zufolge oft das Piepsen von Monitoren oder die Gespräche der Ärzte. Die wenigsten bekamen aber etwas von der OP selbst mit.

Dr. Petzold ist skeptisch: "In den vielen Jahren meiner Tätigkeit als Narkosearzt ist es noch nie passiert, dass ein Patient während der OP erwacht ist und ich das nicht rechtzeitig gemerkt habe." Muskelentspannende Mittel, die den Patienten bewegungsunfähig machen, gebe es heute auch nur noch bei Eingriffen im Bauchraum oder bei Beatmung über einen Tubus. "Die nachlassende Narkosetiefe kündigt sich zum Beispiel durch eine beschleunigte Herzfrequenz, Blutdruckveränderung, Schwitzen oder erweiterte Pupillen an. "Diese Stresssymptome sollten jedem erfahrenen Anästhesisten auffallen", sagt Petzold. Doch die moderne Anästhesie ermöglicht heute immer schonendere Narkosen. Damit wird einerseits der Personenkreis für eine chirurgische Behandlung größer. Andererseits braucht es auch noch mehr Erfahrung, um die optimale Dosis des Narkotikums zu ermitteln.

Maßgeblich für die Bemessung ist zunächst das Körpergewicht. "Extrem Übergewichtige gelten aufgrund ihres Herz-Kreislauf-Risikos als Problempatienten", so der Arzt. Mehr Narkosemittel brauche man auch bei Patienten, die Drogen oder viel Alkohol konsumieren. "Das wird im Vorgespräch erfragt, wobei wir natürlich wissen, dass bei dieser Frage am meisten gelogen wird. Abhängige erkennen wir aber auch ohne Anamnesebogen", sagt Petzold.

Komplikationen kann es nicht nur beim Einleiten der Narkose geben. Auch das Zurückholen ist nicht ohne. Deshalb werden die Patienten erst verlegt, wenn sie ansprechbar sind und selbstständig - mit Unterstützung - in ihr Bett wechseln können. Daran können sich aber die wenigsten erinnern, deshalb meint mancher, alleine gewesen zu sein.

Eine Fehlerquelle war früher die Verwechslung der Zuleitungen für Sauerstoff und Narkosegas am Narkosegerät, wie es 2004 in Hoyerswerda vorgekommen ist, als vier Frauen bei der Geburt ihrer Kinder an den Folgen der Narkose gestorben sind. "Das kann heute nicht mehr passieren", so Petzold. "Die Leitungen sind so genormt, dass sie an keinen anderen Anschluss passen. Bevor nicht jede Funktion überprüft worden ist, lässt sich gar keine Narkose einleiten", sagt der Anästhesist.

 

Welche Betäubung wofür?

Eine lokale Betäubung  ist für kleine ambulante Eingriffe geeignet. Hierbei spritzt der Arzt ein Schmerz- oder Betäubungsmittel direkt an die zu behandelnde Stelle. Beispiel: Die Spritze beim Zahnarzt.

Die Analgosedierung  ist eine Grauzone, denn zusätzlich zur lokalen Betäubung wird der Patient in einen Dämmerschlaf versetzt, atmet aber weiter selbstständig. Die Medikamente wirken auf das zentrale Nervensystem. Beispiel: Darmspiegelung.

Die Vollnarkose  wird bei länger dauernden Eingriffen empfohlen. Sie schaltet das Bewusstsein aus, und Medikamente stoppen die Schmerzleitung. Der Körper fährt vegetative Funktionen herunter. Ein Anästhesist ist zwingend vorgeschrieben.

Die Regionalanästhesie  nimmt eine Sonderstellung zwischen Lokal- und Vollnarkose ein. Dabei wird der Bereich ruhig gestellt und der Blutfluss unterbunden. Beispiel: Hand-OP.

Die Spinalanästhesie  schaltet durch Blockierung von Nerven im Rückenmarkskanal die Empfindung der unteren Körperhälfte aus. Nicht für ambulante Operationen geeignet. (sw)

 

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