Im Rahmen des Ausbaus des Chemnitzer Modells wird die Brückenstraße umgestaltet. Die bisher geplante Variante zementiere allerdings die Straße als Barriere, kritisieren Stadtplaner. Welche Chancen haben ihre Einwände?
Der Ausbau des Chemnitzer Modells ist die teuerste und prägendste Baumaßnahme in den kommenden Jahren. Bahnen sollen künftig vom Zentrum über die Hartmann- und die Leipziger Straße zum Chemnitz-Center und weiter bis nach Limbach-Oberfrohna fahren. Weil auf mehreren großen Straßen, die derzeit dem Autoverkehr vorbehalten sind, Gleise verlegt werden, wird sich auch das Straßenbild in der Innenstadt erheblich wandeln. So soll beispielsweise der Straßenbahn-Innenstadtring mit neuen Gleisen auf der Theater- und der Brückenstraße geschlossen werden. Erste Arbeiten beginnen im kommenden Jahr.
Ein zentraler Punkt ist dabei die Umgestaltung der Brückenstraße zwischen Mühlenstraße und Straße der Nationen. Der Abschnitt ist nicht annähernd so stark befahren wie beispielsweise die Bahnhofstraße, aber mit etwa 17.400 Fahrzeugen täglich immer noch eine stark frequentierte Trasse – mit entsprechenden Auswirkungen auf Passanten. „Im Moment ist das eine Zäsur, eine Stadtautobahn“, meint Stadtplaner Thomas Naumann. „Die Brückenstraße muss aber verbinden zwischen Stadtkern und nördlicher Innenstadt“, fordert er.
Mit der Planung für diesen neuen Abschnitt des Chemnitzer Modells prüfte der Verkehrsverbund Mittelsachsen (VMS) verschiedene Varianten. Im Ergebnis bevorzugte er eine klassische Straßenaufteilung: In der Mitte der Brückenstraße sollen künftig die Gleise liegen, links und rechts davon jeweils eine Fahrspur verlaufen und daneben nochmals jeweils ein Fahrradstreifen und ein Fußweg.
Idee: Schrittgeschwindigkeit und keine Spuren mehr
Damit würde die Trasse deutlich weniger Autoverkehr aufnehmen können als im Moment mit bis zu fünf Spuren im Bereich der Ampelkreuzungen. Sie sehe in etwa wie die Brückenstraße im Abschnitt zwischen Bahnhofstraße und Straße der Nationen aus.
Und damit immer noch wie eine Straße, kritisiert Stadtplaner Thomas Naumann, der betont, dass das Chemnitzer Modell „ein absoluter Gewinn“ für die Stadt sei. „Wenn ich aber einem Verkehrsplaner eine Aufgabe gebe, dann plant der Verkehr. Hier fehlen die stadtplanerischen Aspekte“, sagte Naumann vor wenigen Tagen beim „Freie Presse“-Podium zur Innenstadtentwicklung.
Er plädiere stattdessen für einen sogenannten „shared space“, den sich alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt teilen und der ausreichend Raum für Veranstaltungen lasse. Der Stadtplaner erinnert in diesem Zusammenhang an beispielsweise die Konzertreihe „Rock am Kopp“ vor dem Marx-Monument.
Konkret solle die Brückenstraße nicht wie eine herkömmliche Straße, sondern wie ein Platz gestaltet werden, fordert Naumann. Möglich sei das beispielsweise mit einem diagonal verlegten Bodenbelag. Klassische Spuren gäbe es dann nicht mehr, alle Verkehrsteilnehmer – Fußgänger, Autos, Radfahrer und Bahnen – wären gleichberechtigt und Schrittgeschwindigkeit das vorgegebene Tempo. „Wir müssen aus der autogerechten Stadt raus. Das Zeitalter ist zu Ende.“ Ob die Gleise mitten in der Fahrbahn oder am Rande liegen, sei dabei zweitrangig, sagt er.
20 Einwände bei der Landesdirektion eingegangen
Wie am Ende tatsächlich gebaut wird, entscheidet die Landesdirektion (LDS). Sie schaut sich im Rahmen eines aufwendigen Planfeststellungsverfahrens Einwände von beispielsweise Privatpersonen, Behörden und Verbänden an und erteilt schließlich Baurecht. 20 Einwände von Privatpersonen seien eingegangen, teilt die LDS auf Anfrage mit. Auch Naumann und einige Kollegen haben vorgesprochen. „Wir hoffen, dass die LDS unsere Bedenken hört und der VMS nochmal seine Planungen ändert.“
Theoretisch ist das möglich, erklärt ein LDS-Sprecher. Man könne derzeit keine Prognose dazu treffen, wann und wie das Verfahren ausgeht. Sollte der Abschnitt aber neu geplant werden, würde sich der Weiterbau des Chemnitzer Modells verzögern.
Stadtplanungsamtsleiter Börries Butenop sagte beim „Freie Presse“-Podium, dass die verschiedenen Ansichten nun abgewogen werden müssten. Stadt und VMS arbeiteten jedoch schon seit vielen Jahren am Ausbau des Chemnitzer Modells. „Wir sind jetzt endlich an dem Punkt, dass wir zu den Baurechten kommen“, so Butenop. (lumm)







