
Deutschland eilt seit Jahrzehnten der Ruf voraus, ein Land der fleißigen Berufstätigen zu sein. Insbesondere während des sogenannten deutschen „Wirtschaftswunders“ ab den 1950er Jahren galt besagter Fleiß als Basis für den rasanten Aufschwung der Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg. Während seit einiger Zeit immer häufiger über den Sinn und Zweck einer 4-Tage-Woche zur Entlastung der Erwerbstätigen diskutiert wird, zeigen neue Daten: Das Leistungsniveau im Bereich der Lohnarbeit erreichte einen neuen Höchststand. Gleichzeitig kommt der Internationale Währungsfonds (IWF) zu dem Ergebnis, dass die deutsche Wirtschaft im internationalen Vergleich weiter den Anschluss zu verlieren droht. Arbeitseifer allein scheint also nicht auszureichen, um den Grundstein für den Aufschwung zu legen.
Die Zahlen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) beziehen sich auf jene Arbeitsstunden, die während des letzten Jahres von abhängig Beschäftigten geleistet wurden. Die Analysten nehmen in ihrer Untersuchung beispielsweise Bezug auf Informationen, die im Rahmen einer repräsentativen Befragung privater Haushalte ermittelt worden waren. Genauer: im Kontext des „Sozio-oekonomischen Panels (SOEP)“. Die Studie des Instituts bestätigt nach der Veröffentlichung zur Mitte der Woche, was viele Berufstätige vermutlich bereits ahnen. Hierzulande wird immer mehr gearbeitet. Zuletzt, so das DIW, bewegten sich die geleisteten Arbeitsstunden rund um die Wiedervereinigung auf einem vergleichbar hohen Niveau. Interessant ist die Gegenüberstellung verschiedener Jahreswerte durch das Institut.
1991 seien im genannten Bereich insgesamt 52 Milliarden Arbeitsstunden erbracht worden. Für das Jahr 2005 nennen die Statistiker einen Wert von 47 Milliarden Stunden. Im vergangenen Jahr sei die Zahl der gearbeiteten Stunden nun auf stattliche 55 Milliarden gestiegen.
Gleichbedeutend mit einer pauschalen Mehrbelastung für einzelne Beschäftigte ist die Erkenntnis aber nicht. Denn die Wochenarbeitszeit sei im Durchschnitt auf 34,7 Stunden gesunken. Innerhalb Europas fällt die Belastung damit relativ überschaubar aus. So würden etwa Beschäftigte in Spanien durchschnittlich 37,6 Stunden pro Woche arbeiten. Als Grund für die Entwicklung des Gesamtarbeitsvolumens nennt die Studie des DIW den deutlichen Anstieg der erwerbstätigen Frauen in Deutschland. Das volle „Potenzial“ der weiblichen Arbeitskräfte aber werde nicht genutzt. Denn beinahe jede zweite berufstätige Frau sei in Teilzeit beschäftigt. In der Zeit von 1991 bis zum Jahr 2022 sei die „Erwerbsbeteiligung von Frauen“ auf 73 Prozent (+ 16 Punkte) gestiegen. Die Studie bestätige insofern den Wandel innerhalb der deutschen Gesellschaft – in immer mehr Haushalten werde der Verdienst von zwei Personen sichergestellt.
Eine altbekannte Diskrepanz zeigte die Auswertung jedoch nach der Aufschlüsselung der Arbeitszeiten von Männern und Frauen. Abhängig beschäftigte Männer arbeiten wöchentlich im Schnitt 40 Stunden, bei Frauen liegt die durchschnittliche Wochenarbeitszeit bei 33 Stunden. Die Experten des DIW erklären dies unter anderem mit dem Fortbestand der „traditionellen“ Rollenverteilung. Nach wie vor kümmerten sich Frauen in größerem Umfang um Themen wie den Haushalt und die Betreuung des Nachwuchses. Der Einsatz nach dem Geschlecht gleiche sich weiterhin nur langsam an. So könnte es noch viele Jahre dauern, bis sich die Arbeitszeiten und der Aufwand im privaten Umfeld wirklich aneinander sprichwörtlich die Waage halten.
Annika Sperling, Autorin der DIW-Studie, verweist in diesem Zusammenhang auf zwei Probleme. So sei das erbrachte Arbeitsvolumen oft nicht deckungsgleich mit den Wünschen Beschäftigter. Frauen würden häufig gerne mehr arbeiten. Dieses Potenzial zu nutzen, wäre aber gerade mit Blick auf den Fachkräftemangel in Deutschland sinnvoll. Hier gelte es, unter anderem, falsch gesetzte Anreize zu beheben. Auch Steuerrechtsreformen und die Abschaffung überholter Konzepte (Stichwort: „Ehegattensplitting“) könnten dafür sorgen, mehr Frauen den Weg aus dem Niedriglohnsektor zu ebnen. Hier sei die Politik gefragt. Sie müsse die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine „gerechtere Aufgabenverteilung“ bei der Kinderbetreuung und Arbeit im Haushalt schaffen. Bessere Regelungen für Elternzeit für Väter, zudem aber die Schaffung vieler neuer Betreuungsplätze könnten ein wichtiger Teil der Problemlösung sein. Anders formuliert: Komplizierte Steuerregelungen gehen noch immer allzu oft zulasten verheirateter Frauen, die gerne mehr arbeiten würden.
Von steuerfreien Überstunden – Bundesfinanzminister Lindner brachte diese kürzlich erneut ins Gespräch – halten die DIW-Forscher wenig. Hier würden vielmehr erneut am ehesten jene Männer profitieren, die ohnehin bereits hohe Einkommen erzielen und durch eine Änderung noch mehr verdienen könnten.
Dass es auch und gerade in diesem Punkt eine Kursänderung braucht, zeigt eben die Tatsache, dass viele geleistete Arbeitsstunden allein der deutschen Wirtschaft nicht zum nötigen Aufschwung verhelfen. So korrigierte der Internationale Währungsfonds seine Voraussage für Deutschland nochmals nach unten. 2024 dürfte das Wirtschaftswachstum lediglich bei 0,2 % liegen, sollte sich die IWF-Prognose bestätigen. Zum Jahresbeginn rechneten die Analysten noch mit einem Plus von 0,5 %. Der globalen Wirtschaft rechnen die Experten mit 3,2 % (Januar: 3,1 %) eine deutlich bessere Entwicklung für das laufende Jahr aus. Hierzu hieß: Die Weltwirtschaft erweise sich als „bemerkenswert widerstandsfähig“, was ein stabiles Wachstum und eine Rückkehr auf das Inflationsziel von 2,0 % dürfte. Im Vergleich der „führenden westlichen G7-Industriestaaten“ ist Deutschland das Schlusslicht. 2025 könnte Deutschland dann mit einem Plus von 1,3 % immerhin besser als die italienische Wirtschaft (+ 0,7 %) abschneiden.
Anlass zur Freude wäre dieser Verlauf aber dennoch nur bedingt. Denn im Januar hatte der IWF Deutschland ein Wachstum von 1,6 % für das nächste Jahr zugetraut. Deutschlands Problem sieht der Fonds in erster Linie im strukturellen Bereich. In diesem Punkt kommt schließlich auch dem Steuerrecht und den Hürden für erwerbstätige Frauen eine Bedeutung zu.
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