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Ifo Institut sieht negative Kriegsfolgen für chemische Industrie und warnt vor Handelskrieg mit China

Zuletzt aktualisiert am 08.11.2025
Inhaltlich geprüft durch: Christian Becker

Prognosen renommierter Wirtschaftsinstitute sind seit Beginn des Kriegs in der Ukraine noch gefragter. Eine aktuelle, zur Wochenmitte veröffentlichte Analyse des Münchener ifo Instituts bestätigt, was viele Unternehmen bereits wussten. Die Entwicklung der Preise für Gas aus Russland trifft eine Branche dieser Tage besonders hart. Gemeint ist die Chemische Industrie. Lagen die Geschäftserwartungen in der Branche im Juli 2021 noch bei plus 11,8 Punkten, verzeichnete das Geschäftsklima in der deutschen Chemischen Industrie im gleichen Monat des laufenden Jahres einen neuen Tiefststand. Binnen 12 Monaten sank der Index zuletzt auf minus 44,4 Punkte. Überraschend kam die negative Entwicklung nicht. Das Ausmaß des Rückgangs fällt jedoch stärker als von vielen Beobachtern erwartet aus. Grund für die schlechte Erwartungshaltung vieler Unternehmen der Chemischen Industrie: Etwa 44 des Energieverbrauchs des Sektors werden mittels Erdgas gedeckt.

Darüber hinaus nimmt Erdgas eine zentrale Rolle bei der Herstellung vieler Produkte der Branche ein. Anna Wolf, Expertin für den Chemiesektor beim Institut, beziffert den notwendigen Erdgas-Einsatz bei der Fertigung chemischer Produkte auf rund 30 Prozent. Zeitgleich werden etwa 50 Prozent aller Gasimporte aus Russland bezogen.

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Deutschlands Chemieindustrie von hohen Materialkosten betroffen

Auch ein Mangel an wichtigen Materialien wirkt sich problematisch auf die Branche aus. Befragte Firmen gehen davon aus, dass dieser Materialmangel frühestens zum Beginn des dritten Jahresquartals 2023 sinken könnte. Bis dahin erwarten viele Unternehmen der chemischen Industrie einen Fortbestand der Engpässe. Damit nicht genug: Die Preise für eingeführte chemische Vorprodukte – genauer für „sonstige anorganische Grundstoffe und Chemikalien – bewegten sich im Mai des Jahres 2022 schon um über 65 Prozent über jenen im Mai 2021. Noch dramatischer sah die Lage laut der ifo-Expertin im Bereich der Düngemittel und Stickstoffverbindungen aus. Diese Preise legten im Mai dieses Jahres gar um gut 170 Prozent zu. Traditionell wichtig ist für den Sektor das Wechselspiel aus Im- und Exporten. Parallel zu steigenden Importpreise seien die Ausfuhren chemischer Produkte in Richtung der Kriegsparteien Russland und Ukraine im Mai dieses Jahres gegenüber dem Vorjahresmonat um 49 bzw. 40 Prozent gesunken.

 

Viele Firmen fürchten nachhaltiges Ende russischer Lieferungen

Sage und schreibe vier von zehn befragten deutschen Chemieunternehmen gaben in der neuesten Befragung an, Exporte nach Russland vollumfänglich ausgesetzt zu haben. Nach Angaben des Instituts ist eine baldige Fortsetzung der Exporte an Partner in Russland für 29 Prozent in der aktuellen Situation „nicht absehbar“. Eine Außenhandelswende mit Blick auf Russland können sich viele Umfrageteilnehmer einstweilen nicht vorstellen.

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Auch Beziehungen nach China bereiten den Instituts-Experten Sorgen

Für die Experten des Münchener Instituts sind Beziehungen der chemischen Industrie mit Russland jedoch nicht das einzige Problem. Rund um den Konflikt zwischen China und Taiwan zeichnet sich ein weiteres schwerwiegendes Dilemma ab. Zwar gibt es zunehmend Forderungen nach einer stärkeren „Entkopplung“ von Handelsbeziehungen mit sogenannten autoritären Ländern. Ein solcher Schritt sei indes leichter gefordert als in die Tat umgesetzt, heißt es in einer neuen Studie des ifo Instituts. Spätestens nach dem Besuch Taiwans durch Nancy Pelosi, ihres Zeichens Sprecherin des Repräsentantenhauses der Vereinigten Staaten, im Rahmen ihrer Asienreise kühlte sich das Verhältnis zwischen der chinesischen Regierung und dem sogenannten „Westen“ einmal mehr ab. Dass die US-Politikerin Chinas Präsidenten Xi Jinping zuletzt öffentlich als Rüpel bezeichnete, dürfte den Beziehungen nicht unbedingt gutgetan haben. Für die Analysten des ifo-Instituts steht fest: Ein Handelskonflikt mit der Volksrepublik wäre ein erhebliches Hemmnis für das erhoffte Wirtschaftswachstum. Auch und gerade in Deutschland.

 

Deutschland droht ein Einbruch des Wohlstands

Die Instituts-Experten sprechen in Verbindung mit einer drohenden wirtschaftlichen Abkopplung von China (aber auch anderen autoritären Staaten) sogar von der Gefahr eines „großen Wohlstandsverlusts für Deutschland“. Aus zweierlei Gründen. Zum einen droht ein Wegfall für die deutsche Wirtschaft wichtiger Absatzmärkte. Nicht minder wichtig ist laut dem in dieser Woche veröffentlichten Papiers des Münchener Instituts, dass die Preise für Rohstoffe und Vorerzeugnisse für heimische Firmen weiter steigen würden. Die Studie war im Auftrag der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) erstellt worden. Ein zumindest vorläufiges Ende der guten Beziehungen zwischen der Europäischen Union (EU) und China wäre also ein harter Schlag für Deutschlands Industrie und hätte auch gravierenden negativen Einfluss auf die deutsche Wettbewerbsfähigkeit. Betroffen wären insbesondere die deutschen Auto- und Maschinenbauer.

Mit der Abkopplung verbundene steigende Zölle auf Importe sowie weitere Hemmschuhe für den wechselseitigen Handel würden dem Institut zufolge einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts in Höhe von 0,81 Prozent auslösen.

Wohlgemerkt: Hierbei handelt es sich nach den Berechnungen der Analysten um das Minimum. Das tatsächliche BIP-Minus könnte am Ende noch deutlicher ausfallen. Nutznießer einer solchen Handelskrise könnten nur wenige und eher kleine Branchen wie etwa die heimische Textilindustrie sein.

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Konflikt mit China könnte Folgen des Brexits bei Weitem übertreffen

Die erneute Erkenntnis der Studienverfasser: Eine Abkehr von der Globalisierung mit einer Rückbesinnung auf die Produktion im Inland oder Partnerschaften allein in Nachbarländern birgt große Gefahren und stellt eine Bedrohung für den Wohlstand in Deutschland sowie Europa insgesamt dar. Ein Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um bis zu zehn Prozent sei bei einem solchen Szenario nicht ausgeschlossen. Neben einem geringeren Wirtschaftswachstum könnte aufgrund einer Deglobalisierung zudem die Arbeitslosigkeit unerwartet schnell und stark steigen, so die Warnung der Studienverfasser. Sinnvoll sei es hingegen, Abschied von „einseitigen Abhängigkeiten“ zu nehmen und internationale Lieferketten stärker als bisher zu diversifizieren. Generell würde ein Handelskrieg mit China Deutschland teuer zu stehen kommen. Laut den Berechnungen des ifo Instituts würden die Kosten sechsmal höher als die des Brexits ausfallen. Deutsche Firmen sollten sich deshalb nicht grundlos von bestehenden Handelsbeziehungen verabschieden. Stattdessen sei es ratsam, bei Vorleistungen neue Partner in anderen Staaten zu finden.

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