
Der Begriff des Wirtschaftswunders wird in Deutschland seit den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts immer dann ins mediale Bewusstsein zurückgerufen, wenn es um einen erheblichen Aufschwung am Ende einer schwerwiegenden Krise geht. Damals war es der Zweite Weltkrieg und auch in der aktuellen Lage der Wirtschaft spielt der Krieg in der Ukraine zumindest eine der Hauptrollen, die Deutschlands Ökonomie im Anschluss an die Pandemie auf eine harte Probe gestellt hat und weiterhin stellt. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte zuletzt in Interviews eben dieses neue Wirtschaftswunder zum wahrscheinlichen Szenario für die Entwicklung der deutschen Wirtschaft heraufbeschworen. Etliche Analysten vertreten hingegen eine gänzlich andere Meinung. Einer von ihnen ist der Clemens Fuest, seines Zeichens Präsident des renommierten ifo Instituts mit Sitz in München.
Der Ökonom zeigte zum Ende der ersten Juliwoche wenig Verständnis für die Erwartungshaltung des Kanzlers. Ein Wirtschaftswunder, so Fuest, werde es aller Wahrscheinlichkeit nach in Deutschland kurz- bis mittelfristig eher nicht geben. Vielmehr müsse sich das Land auf eine nicht genauer absehbare Zeit mit einem mageren Wachstum einstellen. Der Ifo-Chef hält in seiner Einschätzung nicht mit harten Worten hinter dem Berg. Mit einer Phase von „Schweiß und Tränen“ sei hierzulande in den kommenden Jahren zu rechnen. Von einem vorzeitigen starken Wachstum, wie es der Kanzler in Aussicht stelle, könne jedenfalls nicht die Rede sein. Scholz hatte sich in seiner Prognose vor allem auf den fortschreitenden ökologischen Umbau als Ausgangspunkt für einen Aufschwung der deutschen Wirtschaft berufen.
Fuest hält dem einen Vergleich zum „ersten“ Wirtschaftswunder in den 1950er und 1960er Jahren entgegen. Damals hätten staatliche Maßnahmen für die Entstehung neuer, ergänzender Kapazitäten im Bereich der Produktion gesorgt. In der aktuellen Lage sei dies jedoch nicht gegeben. Vielmehr hält der Wirtschaftsexperte Fuest die allmählich neu entstehenden Produktionskapazitäten für „weniger effizient“. Stattdessen verweist der Ifo-Präsident darauf, dass die laufende Klimatransformation – im besten aller möglichen Fälle – am ehesten zu einem Austausch eines alten durch einen neuen „Kapitalstock“ führen werde. In erster Linie aber sei die Umsetzung der Energiewende mit erheblichen Kosten verbunden. Man dürfe sich nichts „vormachen“, wenn es um die Formulierung zu erwartender Folgen des ökologischen Umbaus in Deutschland gehe.
Besagter Kapitalstock könne der Wirtschaft am Ende genau als der besagte neue Kapitalstock sogar schlechtere Dienste leisten. Fuest ist sich sicher: Industrie und Verbraucher müssten sich darauf einstellen, den sprichwörtlichen Gürtel nochmals enger zu schnallen als in den letzten Jahren der Krise. Im Gespräch mit dem Handelsblatt rechnet der Präsident des ifo Instituts insofern unmissverständlich mit der Position des Kanzlers ab. Einen Wirtschaftsboom werde es allein wegen des Abschieds von Kohle- und Atomkraftwerken vorerst nicht geben, die nächsten Jahre dürften stattdessen „extrem schwierig“ werden. Auch der Umstieg auf neue Heizungsanlagen sei kein Garant für einen Aufschwung.
Zumal das Bundesverfassungsgericht lediglich knapp zwei Tage vor dem erhofften Beschluss im Parlament das sogenannte Heizungsgesetz einstweilen im Eilverfahren ausgebremst hat. In Zahlen lesen sich Prognosen kritischer Analysten ebenfalls problematisch. Einige Einschätzungen erwarten für einen Zeitraum von zehn Jahren Kosten in Höhe von wenigstens zwei Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung für die Umsetzung des ökologischen Umbaus.
Der Ifo-Präsident sieht gerade die Dekarbonisierung als einen potenziellen Motor für die Inflation. Der Ausstieg aus Kohleenergie verursache einen „Angebotsschock“. Das gesamtwirtschaftliche Angebot an Gütern werde sich verknappen. Einen Beitrag zur schwierigen Entwicklung würden darüber hinaus auch der Rückgang der Umsätze im Handel sowie der demografische Wandel leisten. Von einer Hoffnung müsse sich Deutschland zunächst verabschieden. Inflationsraten wie in den Jahren vor Beginn der Krise hält Clemens Fuest für ausgeschlossen. Eine zunehmende Automatisierung der Prozesse in vielen Bereichen der Industrie auf der einen und Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz könnten auf lange Sicht zu einem Rückgang der derzeit hohen Preise führen. Die Politik sollte auf kostspielige staatliche Interventionen verzichten, wenn es um die „bestmögliche ökologische Transformation“ geht. Sinnvoller sei die Rückbesinnung auf marktwirtschaftliche Instrumente.
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