
Willkommen in meinem Kopf – einem Ort, an dem slawische Sprachen Tür an Tür wohnen.
Heute kann ich mühelos zwischen acht Sprachen wechseln. Englisch für die Arbeit, Französisch für gutes Essen, Italienisch zum Genießen, Deutsch für Struktur, Türkisch für kreatives Chaos und Spanisch für alles, was mit Leidenschaft zu tun hat.
Doch wenn Sie mich fragen, welcher Sprachwechsel mich emotional am stärksten bewegt – dann sind es immer Russisch und Ukrainisch.
Denn diese beiden Sprachen habe ich nicht gelernt. Ich habe sie gelebt. Russisch war die Sprache meines Zuhauses – warm, vertraut, liebevoll (auch lesen: Russisch – Eine Sprache der Liebe und des Schmerzes). Ukrainisch war die Sprache der Schule – korrekt, offiziell, ein wenig distanziert. Beide haben sich tief in mir verankert, lange bevor ich wusste, was ein Genitiv ist.
Und auch wenn sich Russisch und Ukrainisch im Wortschatz und in der Struktur sehr ähneln – ich bringe sie fast nie durcheinander. Warum? Weil ich sie nicht nur durch Grammatik oder Vokabeln unterscheide, sondern durch Emotionen. Jede dieser Sprachen steht für eine eigene Welt, für Erinnerungen, für eine bestimmte Seite meiner Persönlichkeit.
Wenn Sie selbst mit zwei verwandten Sprachen leben oder einfach neugierig sind, wie Mehrsprachigkeit im Alltag funktioniert, nehme ich Sie gern mit auf eine kleine Reise in mein inneres Sprachsystem – dorthin, wo Erinnerung und Gefühl oft mehr bedeuten als jede Regel.
Ich bin in einem russischsprachigen Haushalt in der Ukraine aufgewachsen. Zu Hause wurde Russisch gesprochen – beim Abendessen, mit meinen Großeltern, oder wenn ich mal wieder unter dem Bett mit Snacks ertappt wurde. Russisch war die Sprache der Nähe, der Wärme, der Familie. Wenn Russisch einen Duft hätte, dann wäre es der meiner Großmutter, wenn sie Suppe kochte.
Und dann war da Ukrainisch – die Sprache der Schule, der Durchsagen, der Hausaufgabenerinnerungen. Ich mochte sie durchaus, aber sie hatte ein anderes Gewicht. Ukrainisch war die Sprache der Regeln, der Ordnung, des Lernens. Und später, an der Universität in Kyjiw, wurde es die Sprache der Diskussionen, der Hausarbeiten, der langen Nächte mit meiner Abschlussarbeit.
Schon früh hat mein Kopf diese beiden Sprachen mit ganz unterschiedlichen Welten verknüpft: Zuhause gegen Institution, Geborgenheit gegen Struktur. Ich habe das nie bewusst gesteuert – es war einfach so klar wie der Unterschied zwischen einem Pyjama und einer Schuluniform. Man trägt keinen Bademantel in einer Vorlesung.
Und man rezitiert selten ein Gedicht am Küchentisch – zumindest nicht bei uns.
Diese klare Trennung hat mich gerettet.
Sie war wie eine unsichtbare Mauer, die verhinderte, dass die Sprachen ineinander übergehen.
Russisch und Ukrainisch online lernen:
Falls Sie Surzhyk noch nie gehört haben: Es ist eine Mischform aus Russisch und Ukrainisch – eine Art Alltagssprache, locker, spontan, manchmal auch chaotisch. Ähnlich wie Spanglish, nur mit viel mehr politischem Ballast.
Viele wachsen ganz selbstverständlich mit Surzhyk auf. Ich nicht. Und ehrlich gesagt? Ich habe mich bewusst dagegen entschieden.
Warum? Einerseits, weil meine Schule sehr auf sprachliche Korrektheit geachtet hat. Aber noch mehr, weil ich jede der beiden Sprachen in ihrer eigenen Schönheit erleben wollte.
Ich wollte sie nicht vermischen – nicht verwässern. Jede Sprache hatte ihren eigenen Klang, ihren eigenen Rhythmus. Sie zu mischen fühlte sich für mich an, als würde man zwei Lieder gleichzeitig singen. Es störte mich. Es fühlte sich falsch an.
Also habe ich mir leise geschworen: Halte sie getrennt. Halte sie klar.
Keine halben Sätze. Kein lustloses Hin und Her.
Nur eine Melodie auf einmal.
Immer mit vollem Respekt für beide Sprachen.
Was viele überrascht: Ich habe nie zwischen Russisch und Ukrainisch übersetzt.
Nicht ein einziges Mal.
Wenn ich Ukrainisch sprach, dachte ich auf Ukrainisch. Wenn ich Russisch sprach, dachte ich auf Russisch.
Kein innerer Untertitel, kein „Wie sagt man das auf…?“.
Am Anfang war das keine bewusste Methode – es war einfach notwendig. Übersetzen kostet Zeit. Und wer in einer lebendigen Unterhaltung erst jeden Satz im Kopf umformen muss, wird entweder ausgelacht oder ignoriert. Oder beides.
Mit der Zeit wurde daraus aber mehr als nur eine Überlebensstrategie – es wurde meine persönliche Sprachphilosophie.
Ich begann, Sprachen nicht mehr als Systeme zu verstehen, die man umwandeln muss, sondern als eigene Denkweisen. Jede Sprache bekam in meinem Kopf einen eigenen Raum – mit eigener Einrichtung, Stimmung und Atmosphäre.
Diese Haltung habe ich bis heute – auch als Mehrsprachige.
Ich frage mich nicht: „Wie sage ich das auf Italienisch?“
Ich frage: „Was würde ein Italiener in dieser Situation sagen?“
Besonders geholfen haben mir Redewendungen. Statt ellenlange Vokabellisten oder Konjugationstabellen zu pauken, konzentrierte ich mich auf feste Ausdrücke, die sich nach der Sprache anfühlen.
Im Russischen sagt man zum Beispiel, jemand „hängt dir Nudeln an die Ohren“ (навесить лапшу на уши), wenn er dich anlügt. Im Ukrainischen sagt man, jemand „schürt das Feuer mit fremden Händen“ (загрібати жар чужими руками) – also nutzt andere, um sich selbst nicht die Finger zu verbrennen.
Solche Ausdrücke lassen sich kaum sinnvoll übersetzen – und genau das macht sie so wertvoll. Sie sind tief mit der Denkweise und dem Rhythmus der Sprache verwoben.
Wenn man sie richtig verwendet, ist das wie ein sprachlicher Türöffner – man schaltet das Gehirn automatisch auf den richtigen Kanal.
Ich habe mir deshalb sogar kleine Listen in meine Schulhefte geschrieben – mit der Überschrift: „Nur an Ukrainisch-Tagen benutzen“.
Und damit kommen wir zu einem weiteren Punkt…
Linktipps:
Mit etwa zehn Jahren erfand ich ein Spiel für mich: „Heute nur Ukrainisch.“
Kein Russisch – außer ich stieß mir den Zeh oder fand meine Schuhbänder nicht.
Am nächsten Tag drehte ich den Spieß um: nur Russisch, kein Ukrainisch – es sei denn, die Schulglocke klingelte.
Diese kleinen Spiele waren mein persönliches Eintauchen in eine Sprache, lange bevor ich überhaupt wusste, was „Sprachimmersion“ bedeutet. Aber sie funktionierten. Denn jedes Mal, wenn ich konsequent bei einer Sprache blieb, wurde der Raum in meinem Kopf dafür klarer.
Ich richtete ihn liebevoll ein – mit Wörtern, Bildern, Emotionen.
Irgendwann brauchte ich die Spiele nicht mehr. Die Räume waren gebaut. Das Licht brannte dauerhaft.
Wenn ich auf Russisch schreibe, werde ich emotional. Die Bilder fließen schneller. Ich schreibe direkter, mit mehr Gefühl – und mit weniger innerer Zensur.
Schreibe ich auf Ukrainisch, verändert sich etwas. Mein Stil wird sachlicher, strukturierter. Ich greife zu Formulierungen, wie ich sie aus Schulbüchern oder kulturellen Essays kenne – elegant, durchdacht, manchmal ein wenig distanziert.
Es liegt nicht am Wortschatz.
Es ist der Ton. Und die Erinnerungen, die mit jeder Sprache verbunden sind.
Bis heute fühlt es sich für mich seltsam an, ganz Persönliches auf Ukrainisch zu schreiben. Fast so, als würde ich im Abendkleid zum Picknick gehen – schön, aber irgendwie unpassend.
Vielleicht schreibe ich deshalb mein Tagebuch weiterhin auf Russisch – während ich öffentliche Texte auf Ukrainisch verfasse, wenn ich etwas sagen will, das klar, durchdacht und gesellschaftlich relevant ist.
Nach meinem Umzug ins Ausland passierte etwas Unerwartetes: Ich begann auf einmal auf Ukrainisch zu träumen – etwas, das mir während meiner Jahre in Kiew nie passiert war.
Vielleicht fehlte mir die Struktur. Vielleicht sehnte ich mich nach etwas Ordnung. Oder vielleicht verschoben sich einfach meine emotionalen Verknüpfungen.
Denn eines steht fest: Emotionen lösen Sprachen aus.
Wenn ich mich nach Zuhause sehne, denke ich automatisch auf Russisch. Will ich klug und offiziell wirken? Dann wechsle ich ins Ukrainische. Bin ich wütend? Russisch oder auch mal Deutsch. Und wenn ich sarkastisch bin? Dann helfen nur noch Englisch oder Türkisch.
Was ich damit sagen will: Sprache und Emotion sind eng miteinander verknüpft. Und wenn man sich dieser Verbindung bewusst ist, hilft sie sogar dabei, die Sprachen im Kopf klar zu trennen – ohne Übersetzungschaos.
Ich werde oft gefragt: „Ist das bei Spanisch und Italienisch genauso?“
Ehrlich gesagt: Nein.
Ich habe diese Sprachen ganz anders gelernt – mit Lehrbüchern, Apps und Vokabellisten. Und ja, wenn ich müde bin oder zu schnell zwischen ihnen wechsle, verwechsle ich sie auch mal.
Denn im Gegensatz zu Russisch und Ukrainisch fehlt bei diesen Sprachen eines: eine tief verwurzelte emotionale Geschichte.
Russisch und Ukrainisch leben viel tiefer in mir.
Sie haben mein Denken geprägt.
Und genau deshalb verwechsele ich sie auch nicht – sie sind zu einem Teil meiner Identität geworden.
Wenn Sie gerade zwei ähnliche Sprachen lernen – zum Beispiel Spanisch und Portugiesisch oder Dänisch und Schwedisch – dann möchte ich Ihnen ein paar Tipps mitgeben, die mir sehr geholfen haben:
Trennen Sie nach Lebensbereichen. Verwenden Sie eine Sprache z. B. im Beruf und die andere in der Freizeit oder in sozialen Medien. Jede Sprache bekommt ihren eigenen Raum.
Denken Sie in der Sprache. Übersetzen Sie nicht ständig im Kopf. Versuchen Sie, direkt in der Sprache zu leben – beim Einkaufen, beim Schreiben, sogar beim inneren Monolog.
Lernen Sie früh typische Redewendungen. Diese idiomatischen Ausdrücke sind wie kultureller Klebstoff – sie verbinden Sie emotional mit der Sprache und sorgen für mehr Gefühl als Grammatikregeln.
Vermeiden Sie Sprachmischungen. Code-Switching ist okay, wenn es bewusst passiert. Aber es sollte keine dauerhafte Krücke werden.
Planen Sie Immersionstage ein. Ein Tag – eine Sprache. Egal ob E-Mails, Tagebuch, Netflix oder Gedanken. Das wirkt wie ein Frühlingsputz im Sprachzentrum Ihres Gehirns.
Für mich war das bewusste Trennen von Russisch und Ukrainisch nie eine Frage von Disziplin oder Grammatik.
Es war immer eine Frage von Identität, Respekt und Gefühl.
Denn jede Sprache zeigt mir ein anderes Bild von mir selbst: das Mädchen, das sich an die Schürze der Großmutter klammerte – und die Studentin, die Taras Schewtschenko vor der Klasse rezitierte.
Und ich möchte diese Spiegel nicht vermischen.
Ich möchte sie beide klar sehen.
Beide Sprachen mit ganzer Seele sprechen. Und beide aufrichtig lieben – für das, was sie mir bedeuten.
Genau das hilft mir, sie nicht zu verwechseln: nicht durch Zwang, sondern durch Achtung.
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