
Vor ein paar Jahren saß ich in einem kleinen Café in Rom und bestellte voller Selbstvertrauen einen Espresso – dachte ich zumindest. Stattdessen fragte ich den Barista strahlend: „Posso essere un caffè?“ – „Kann ich ein Kaffee sein?“ Die Stille war eisig. Dann kam das Lachen.
Und genau so läuft echtes Sprachenlernen ab. Es ist chaotisch, zutiefst menschlich, manchmal peinlich, manchmal zum Nachdenken – aber vor allem ehrlich.
Als ich dann im April 2025 las, dass Duolingo ganze 148 neue Sprachkurse veröffentlicht hat – fast vollständig von Künstlicher Intelligenz entwickelt –, legte ich mein Handy beiseite und musste erst mal tief durchatmen.
Ist das wirklich die Zukunft des Sprachenlernens? Oder verlieren wir damit genau das, was Sprache eigentlich ausmacht: Persönlichkeit, Gefühl, Verbindung?
Lassen Sie uns genauer hinschauen.
Ende April 2025 verkündete Duolingo mit viel Stolz die größte Erweiterung in der Geschichte des Unternehmens: 148 neue Sprachkurse – damit hat sich das bisherige Angebot mehr als verdoppelt.
Diese Kurse wurden in weniger als einem Jahr entwickelt – mithilfe von generativer KI, gemeinsam genutzten Content-Systemen und internen Tools.
Ein gewaltiger Wandel im Vergleich zu früher, als die Erstellung eines einzigen Kurses oft Jahre dauerte und von einem Team aus Lehrkräften und Sprachwissenschaftler:innen sorgfältig aufgebaut wurde.
Es ist ein mutiger Schritt – einer, der stark nach dem disruptiven Denken aus dem Silicon Valley riecht.
Aber wir sollten den Kontext nicht vergessen: Im Januar 2024 trennte sich Duolingo von rund 10 % seiner freien Mitarbeitenden – viele von ihnen arbeiteten an der inhaltlichen Ausarbeitung der Sprachkurse.
Ja, Sie haben richtig gelesen: Während das Unternehmen auf „AI First“ umstieg, wurden viele echte Menschen entlassen.
Deshalb stellt sich mir die Fragen:
Diese neue „Effizienz“ – 148 Kurse in nur 12 Monaten – für wen ist sie eigentlich effizient?
Und welchen Preis zahlen wir dafür?
Auf den ersten Blick klingt das beeindruckend. Sprachen wie Japanisch, Koreanisch oder Mandarin sind nun in zahlreichen neuen Ausgangssprachen verfügbar.
Wenn Sie Deutsch als Ausgangssprache wählen, stehen Ihnen jetzt acht Zielsprachen (Englisch, Spanisch, Französisch, Italienisch, Japannisch, Koreanisch, Chinesisch und BR-Portugiesisch) bei Duolingo zur Verfügung. Zuvor waren es nur vier: Englisch, Italienisch, Französisch und Spanisch (auch lesen: „Was für Sprachen deckt das Lernprogramm von Duolingo ab?“ und „Sprachen bei Duolingo wechseln leicht gemacht – so klappt es!„).
Lernende in Lateinamerika, Europa und Asien haben jetzt theoretisch besseren Zugang als je zuvor.
Aber: Mehr Kurse bedeuten nicht automatisch bessere Kurse.
Und als jemand, der acht Sprachen gelernt und viele Kurse getestet hat, kann ich sagen: KI-entwickelte Sprachkurse bedeuten nicht automatisch tiefere Lernerfahrungen.
Man kann 148 glänzende neue Kurse launchen – aber wenn keiner davon von echten Lehrkräften oder Sprachprofis überprüft wurde, was bekommen Lernende dann wirklich?
Bis jetzt gibt es keine Belege dafür, dass diese Kurse einer gründlichen Qualitätsprüfung durch Menschen unterzogen wurden. Und das ist problematisch – gerade wenn man bedenkt, wie fein und nuanciert Sprache sein kann, selbst auf Anfängerniveau.
Wenn ich einen Kurs entwerfe oder bewerte, achte ich auf jedes Detail: Passt die Redewendung in den kulturellen Kontext? Wird dieser Ausdruck in Brasilien verwendet, aber in Portugal nicht? Ist der Satz zu formell, zu umgangssprachlich – oder einfach nur seltsam?
KI denkt nicht so.
KI produziert einfach.
Meine Beiträge rund ums Sprachenlernen, Polyglottie und Mehrsprachigkeit:
Sprache entsteht nicht im luftleeren Raum. Sie lebt in Witzen, Ironie, genervtem Augenrollen und peinlichen Flirtversuchen. Sie ist verwoben mit Geschichte, geprägt von Krisen, weiterentwickelt von Teenagern auf TikTok.
Aber kann künstliche Intelligenz das wirklich verstehen?
Ein Beispiel: Ich habe einmal stundenlang versucht zu begreifen, was „avoir le cafard“ auf Französisch bedeutet. Wörtlich heißt es: „eine Kakerlake haben.“
Keine Übersetzungs-App konnte mir helfen. Google Translate schlägt „to be blue“ vor – also „traurig sein“.
Aber was soll das bitte heißen? Wer ist schon wirklich blau? Außer vielleicht jemand mit akutem Sauerstoffmangel oder einer Silbervergiftung?
Ich hätte mir ehrlich gesagt die wörtliche Bedeutung UND eine gute Erklärung gewünscht, Google Translate!
Was es schließlich gebraucht hat? Eine französische Freundin, einen grauen Regentag und ein intensives Gespräch über Stimmungsschwankungen.
Erst da hat’s klick gemacht.
Künstliche Intelligenz mag die Bedeutung eines Satzes vielleicht erkennen. Aber das Zwinkern, die Emotion dahinter, der kulturelle Unterton? Das lässt sich nicht einfach programmieren.
Und über Sarkasmus wollen wir gar nicht erst anfangen. Wenn ich sage: „Na toll. Super Idee!“, während ich dabei einen brennenden Duden anstarre – dann muss man den Ton fühlen, nicht nur das Gesagte in eine andere Sprache übertragen.
Möchten Sie, dass ich den nächsten Abschnitt auch so übersetze?
Ich habe Duolingo-Lektionen schon überall gemacht – auf Flughafen-Toiletten, mit Fieber im Bett und sogar einmal während einer Hochzeit (bitte nicht nachfragen).
Warum?
Wegen des Streaks.
Diese kleine grüne Eule hat eine fast magische Anziehungskraft – Verhaltenspsychologen sollten das wirklich mal untersuchen.
Gamification kann motivieren – aber auch in die Irre führen. Irgendwann zählt nicht mehr, was man gelernt hat, sondern nur noch, ob man etwas angeklickt hat.
Die Frage lautet nicht mehr: „Habe ich das verstanden?“, sondern: „Habe ich heute rechtzeitig getippt?“
Und genau hier wird es mit KI gefährlich.
Wenn es nicht mehr um sinnvolle Inhalte geht, sondern darum, möglichst viele einfache Lektionen rauszuhauen, die süchtig machen, dann lernen wir keine Sprache mehr – wir spielen ein buntes Spiel. Mit Lerneffekt hat das wenig zu tun.
Es ist wie Fast Food fürs Gehirn: schnelle Dopamin-Kicks, aber ohne echten Nährwert.
Duolingo-Ratgeber:
Der Großteil der KI-generierten Kurse ist auf Anfängerniveau (A1–A2). Und gerade wer ganz neu einsteigt, merkt oft nicht, wenn etwas nicht stimmt. Vielleicht rutscht ein seltsamer Satz durch.
Vielleicht ist die Grammatik falsch erklärt – oder einfach komplett erfunden. Vielleicht passt ein Wort gar nicht zu dem, wie es im echten Leben benutzt wird.
Aber Anfänger:innen nehmen das trotzdem auf. Und genau das ist das Problem: Fehler, die man am Anfang lernt, bleiben oft hartnäckig hängen.
Ich selbst habe monatelang stolz „die Bier“ gesagt – als würde ich ein besonders elegantes Bier mit High Heels bestellen. Richtig heißt es natürlich „das Bier“.
Es brauchte mehrere peinliche Korrekturen (und einige barkeeperhafte Schockreaktionen), bis ich das endlich raus hatte.
Möchten Sie den nächsten Abschnitt ebenfalls so übersetzt haben?
Nein!
Die besten Sprachkurse, die ich je gemacht habe, trugen eine persönliche Handschrift: Da waren kluge Beispielsätze, kleine Witze, die hängen blieben, und liebevolle Notizen wie: „In Argentinien sagt man das so.“
Genau diese menschliche Note fehlt jetzt – still und leise.
Bei Duolingos neuen KI-Kursen weiß niemand, ob überhaupt eine Lehrkraft vor dem Start drübergeschaut hat. Das ist keine Innovation.
Das ist ein Rückzug.
Uns wird erzählt, KI könne genauso gute Inhalte liefern wie Menschen. Aber Qualität in der Bildung entsteht nicht durch Tempo, sondern durch echtes Handwerk – mit Herz, Hirn und Erfahrung.
Es gibt sie – die positiven Seiten. Wenn jemand in Vietnam jetzt über eine lokalisierte Oberfläche Italienisch lernen kann, ist das großartig. Und wenn neue KI-Kurse Sprachbildung in Regionen bringen, wo es vorher kaum Möglichkeiten gab, dann ist das ein echter Gewinn.
Aber Hand aufs Herz: Wenn Duolingos „Innovation“ darin besteht, KI mit ein paar Prompts zu füttern – könnten wir das nicht alle auch mit ChatGPT?
Dafür braucht es keine Millioneninvestition.
Was verkauft Duolingo also wirklich? Das Maskottchen? Die bunte Oberfläche? Den schönen Schein von Fortschritt?
Denn wenn menschliche Expertise, didaktisches Feingefühl und liebevolle Gestaltung fehlen – bleibt am Ende nur die Frage: Was genau lernen wir da eigentlich noch?
Was wünsche ich mir als leidenschaftliche Sprachlernende?
Kurse, die das echte Leben abbilden – mit all seinem Chaos, seinen Missverständnissen, dem Lachen, dem Staunen und auch dem Frust. Ich möchte Erklärungen, die zeigen, wann Grammatikregeln gebogen werden dürfen – und warum.
Ich suche keine sterile Sammlung von Vokabeln, die von einer KI zusammengestellt wurde.
Ich will lebendige Momente, bei denen ich innehalte und denke: „Ach, so sagt man das?!“
Sprachen zu lernen bedeutet nicht nur, Sätze auswendig zu lernen oder sie zu übersetzen.
Es bedeutet, sich zu verbinden – mit Menschen, mit Kulturen, mit Gedanken.
Und genau das kann man nicht in Zahlen fassen. Weitere Informationen hierzu finden Sie auf den Seiten: „Die besten Online-Sprachschulen im Vergleich“ und „20 Sprachlern-Apps in meinem Vergleich – Persönlich für Sie getestet„.
Ich liebe Technologie.
Ich nutze Duolingo seit Jahren (auch lesen: Erfahrungen mit Duolingo – Effektiv die Sprachkompetenz verbessern?), schreibe über KI und habe GPT sogar schon gebeten, mich mit unregelmäßigen spanischen Verben abzufragen.
Aber Sprache gehört zu den wenigen Dingen im Leben, die zutiefst menschlich sind – voller Emotion, Nuancen und zwischenmenschlicher Magie. Wenn wir dieses Geschenk vollständig an Maschinen abgeben, riskieren wir, dass daraus etwas Seelenloses wird.
Ich bin nicht gegen den Einsatz von KI im Bildungsbereich. Aber ich finde, wir sollten mehr Transparenz fordern, mehr Kontrolle – und vor allem mehr Menschlichkeit.
Gerade wenn es um etwas so Wesentliches geht wie Sprache, die uns miteinander verbindet.
Ist das der neue Weg des Sprachenlernens – oder haben wir hier eine Grenze überschritten?
Lernen Sie gerade selbst eine Sprache? Haben Sie schon einen der neuen KI-Kurse von Duolingo ausprobiert? Und – hat es sich anders angefühlt?
Ich bin sehr gespannt auf Ihre Meinung – besonders, wenn Sie im Bildungsbereich arbeiten.
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