
Bild von dlsd cgl auf Pixabay
Ich habe mein Leben lang zwischen Sprachen gelebt.
Geboren in der Ukraine als Tochter einer ukrainischen Mutter und eines russischen Vaters, wuchs ich von Anfang an zwischen zwei Kulturen auf. Zu Hause sprachen wir Russisch, doch in der Schule war Ukrainisch Pflicht. Gleichzeitig begann ich früh, Englisch zu lernen.
Mit den Jahren wurde meine sprachliche Reise immer komplexer. Französisch kam in der Schule hinzu, ich studierte englische Literatur an der Kiewer Linguistischen Universität, und als ich 2002 nach Deutschland zog, begann ich, Deutsch zu lernen. An der Goethe-Universität setzte ich mein Englischstudium fort, wechselte von Französisch zu Italienisch und vertiefte mich in Turksprachen, wozu auch zwei Semester Persisch gehörten.
Jede neue Sprache, jeder neue Ort schien eine weitere Version von mir selbst hinzuzufügen – aber statt mich bereichert zu fühlen, hatte ich manchmal das Gefühl, mich zu verlieren.
Ich dachte lange, dass wahre Sprachbeherrschung auch Zugehörigkeit bedeutet. Dass ich mich in einem Land zu Hause fühlen würde, wenn ich die Sprache nur gut genug spreche. Doch so funktioniert das nicht.
Manchmal fühle ich mich fremd an Orten, die eigentlich Heimat sein sollten – etwa wenn ich mit meiner Familie in der Ukraine spreche. Und anderswo, wo ich offiziell noch immer Außenseiterin bin, wirke ich längst wie eine Einheimische – etwa in Nordzypern.
Ich bemerke, wie meine Persönlichkeit sich mit der Sprache ändert: Auf Deutsch bin ich direkter, auf Italienisch und Türkisch ausdrucksstärker, auf Englisch und Französisch zurückhaltender. Russisch verbindet mich mit meiner Kindheit und Familie, trägt aber auch die Last der Geschichte, die sich in den letzten Jahren immer wieder neu definiert.
Ukrainisch gibt mir ein Gefühl nationaler Identität, aber da ich es erst als Erwachsene bewusst angenommen habe – um meine Wurzeln zurückzuerobern – fühlt es sich manchmal eher wie eine Sprache an, in die ich hineingewachsen bin, als eine, die mich von Anfang an geprägt hat.
Es ist, als würde ich ständig zwischen verschiedenen Versionen meiner selbst wechseln – und irgendwann stellte ich mir eine Frage, auf die ich keine Antwort habe:
Wer bin ich wirklich?
Mehrsprachig und multikulturell zu sein gilt als Gabe, als etwas, das den Horizont erweitert und Türen öffnet. Und das tut es – in vielerlei Hinsicht.
Doch niemand spricht über das innere Tauziehen, das es mit sich bringt. Über das Gefühl, zwischen Welten zu schweben, ohne wirklich irgendwo anzukommen.
Lassen Sie uns darüber sprechen.
Über das Leben zwischen Sprachen und Kulturen, über das ständige Anpassen – und darüber, ob Heimat wirklich ein Ort ist. Oder ob sie vielleicht etwas ist, das wir in uns tragen.
Ich wusste schon immer, dass das Sprechen mehrerer Sprachen die Art zu denken verändert. Doch irgendwann wurde mir klar: Es geht viel tiefer.
Sprache beeinflusst, wie ich mich verhalte, wie ich mich ausdrücke – ja, sogar, wie ich mich fühle. Und damit bin ich nicht allein. Studien zeigen, dass mehrsprachige Menschen je nach Sprache subtile Persönlichkeitsveränderungen erleben. Manche Sprachen sind direkter, andere emotionaler oder zurückhaltender – und diese Muster prägen unser Verhalten, während wir sie sprechen.
Bei mir passiert das ganz automatisch.
Auf Deutsch bin ich direkter, komme schneller auf den Punkt. Auf Italienisch spreche ich mit mehr Gesten und Emotionen. Auf Französisch wähle ich meine Worte mit Bedacht und lasse mir mehr Zeit. Und auf Türkisch, einer Sprache, die ich noch lerne, fühle ich mich sanfter – vielleicht, weil ich mich darin noch vorsichtig bewege.
Doch genau hier wird es kompliziert. Wenn man mit mehreren Sprachen aufwächst – welche Version von einem selbst ist dann die echte?
Bin ich jemand anderes, wenn ich mich auf Deutsch selbstbewusster fühle, aber auf Italienisch emotionaler? Passen sich meine Persönlichkeiten an, oder bin ich einfach nur flexibel?
Und wenn ich je nach Land und Sprache zwischen Identitäten wechsle – werde ich dann jemals eine einzige, wahre kulturelle Identität haben?
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Eigentlich sollte jede neue Sprache und jeder Umzug die Anpassungsfähigkeit stärken, oder?
Doch je mehr Länder und Kulturen Teil meines Lebens wurden, desto weniger fühlte ich mich einer einzigen wirklich zugehörig.
Wenn ich die Ukraine besuche, spüre ich, dass ich nicht mehr ganz dazugehöre. Mein Russisch und Ukrainisch sind fließend, aber nach so vielen Jahren im Ausland entgehen mir kulturelle Feinheiten. Ich verwende Ausdrücke, die nicht mehr aktuell sind, verstehe manche Anspielungen nicht sofort – und manchmal fühle ich mich einfach nicht mehr so „einheimisch“, wie ich es eigentlich sein sollte.
Es ist seltsam. Ich weiß, dass dieses Leben Teil meiner Geschichte ist, und doch fühlt es sich an, als würde ich eine frühere Version von mir betrachten, ohne wirklich in sie zurückkehren zu können.
Dann komme ich nach Deutschland, wo ich die Sprache sicher beherrsche und viele Jahre gelebt habe. Aber ich habe einen Akzent, stolpere über Redewendungen und die Tücken von „der, die, das“. So sehr ich mich eingelebt habe, weiß ich, dass ich nie als völlig deutsch wahrgenommen werde – auch wenn mein Mann manchmal scherzt, ich sei deutscher als er selbst.
Und jetzt, in Nordzypern, sehe ich alles wieder aus einer neuen Perspektive. Die dominierende Sprache ist Türkisch, doch hier treffen verschiedenste Einflüsse aufeinander – britische Expats, zypriotische Einheimische, Menschen vom türkischen Festland und solche wie mich, die irgendwo dazwischenstehen.
Wo gehöre ich hin?
Muss ich überhaupt irgendwo dazugehören?
Und was bedeutet das eigentlich?
Lange dachte ich, ich müsste mich entscheiden – für eine Kultur, eine Sprache, eine Identität.
Aber das muss ich nicht. Und Sie auch nicht.
Das Leben zwischen Sprachen und Kulturen lässt sich nicht in eine einzige Schublade stecken. Und genau das ist kein Nachteil, sondern eine Bereicherung. Es bedeutet, mit mehr Menschen in Verbindung zu treten, sich in verschiedenste Situationen einzufügen und die Welt aus mehreren Perspektiven zu sehen.
Vielleicht gibt es für mich keinen einzigen Ort, der sich völlig nach Heimat anfühlt – aber ich kann Heimat überall finden. Und vielleicht ist genau das der Punkt.
Denn Heimat ist kein Ort. Heimat ist etwas, das man erschafft.
Sie liegt in den Beziehungen, die wir aufbauen, in der Fähigkeit, sich anzupassen, in den Spuren jeder Sprache und Kultur, die wir in uns tragen.
Sie steckt in den Momenten, in denen wir einen Insider-Witz in einer anderen Sprache endlich verstehen, mühelos zwischen Sprachen wechseln oder erkennen, dass unsere Identität nicht zersplittert, sondern vielschichtig ist – Schicht für Schicht geformt durch jede Sprache, jeden Ort und jede Erfahrung.
Früher fragte ich mich, ob das Hin- und Herwechseln zwischen Sprachen und Kulturen bedeutete, dass ich keine echte Identität habe. Heute weiß ich: Mehrsprachig zu sein bedeutet nicht, eine Version von sich selbst auszuwählen – sondern alle anzunehmen.
Und ganz ehrlich? Ich würde es nicht anders wollen.
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