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200.000 Euro für sein Heimatdorf: Das überraschende Testament von Reiner Fischer

Reiner Fischer hat sich zu Lebzeiten viel im Ort engagiert - auch über seinen Tod hinaus. Sein Heimatdorf und die Kirchgemeinde hat er mit je 100.000 Euro bedacht. Doch wie gehen die Erben mit der für alle überraschenden Zuwendung um? Was war Fischer für ein Mensch? Eine Spurensuche.

Gornsdorf.

Inge Schmidt steht am Grab. Die 73-jährige Gornsdorferin will eigentlich nicht so recht was erzählen, sie wolle sich nicht vordrängeln. Doch dann spricht sie ein wenig von ihm, einem wirklich guten Nachbarn, mit dem sie auch grillen konnte, der hochintelligent gewesen ist, sehr feinfühlig zudem. "Ja, so war er. Mit dem Reiner hatte keiner Streit. Wir zwei waren wirklich gute Freunde, solange ich denken kann." Als sie ihn dann zum letzten Mal im Seniorenheim in Stollberg getroffen hat, war sein Lebensmut schon fast fort. "Er sagte mir: ,Mach dir keine Sorgen, ich habe alles geregelt.'"

Das hat er tatsächlich. Und das wissen mittlerweile auch bestimmte Personen in Gornsdorf. Etwa Andrea Arnold. Die Bürgermeisterin kannte Reiner Fischer sehr gut, lange, interessante Gespräche zwischen ihr, der Gemeindeleiterin, und ihm, dem interessierten Bürger, habe es viele Jahre gegeben. "Ich denke, zweimal im Jahr haben wir uns lange unterhalten, Themen ausgetauscht. Umwelt. Wismut-Altlasten, Straßenbau. Bäume. Oft Bäume - er war ja sehr naturverbunden."

Dann starb Reiner Fischer. Eines Tages kam Post vom Amtsgericht: Die Gemeinde Gornsdorf werde mit 100.000 Euro bedacht, eine Kopie des Testaments von Reiner Fischer lag im Anhang bei. "Dass er überhaupt an uns dachte, kam vollkommen überraschend", zeigt sich Arnold heute noch bewegt. Sie erinnert sich auch, dass es später äußerst verlockend gewesen sei, das Geld einfach in den oft nicht so opulenten Finanzhaushalt der Gemeinde zu stellen und es irgendwie auszugeben. "Doch das wollten wir dann doch nicht, es wäre Reiner Fischers nicht würdig gewesen."

Daher gründet Gornsdorf nun eine Bürgerstiftung, die Gemeinderäte haben kürzlich dem Plan zugestimmt. "Wir hoffen, wir finden künftig noch Zustifter, die sich auch beteiligen wollen. Das würde Reiner Fischer sicher gut gefallen", sagt Andrea Arnold. Von den Erträgen aus der Stiftung sollen vor allem soziale und ökologische Dinge finanziert werden. Die Stiftung selbst wird am 5. Oktober gegründet. Der Tag ist kein Zufall. Es ist Fischers Geburtstag.


Auch Pfarrer Frank Trommler hatte eines Tages Post bekommen. Auch er konnte es kaum glauben, was da in der Post lag, auch er war baff. Die Evangelisch-Lutherische Kirchgemeinde in Gornsdorf wurde von Fischer testamentarisch bedacht - ebenso wie das Rathaus. "Was wir mit dem Geld machen, ist aber noch offen. Das müssen wir im Vorstand erst noch in aller Ruhe beraten", so der Pfarrer. Seit 2014 ist er in Gornsdorf in Amt und Würden, doch er weiß: Fischers Geld ist die mit Abstand größte private Zuwendung für die Kirchgemeinde.

"Ich habe Reiner Fischer 2015 das erste Mal kennengelernt. Er war ein regelmäßiger Gottesdienstbesucher, hat den Männerkreis geleitet, sich um Referenten bemüht. Er schlug auch vor, die Licht- und Tontechnik in der Kirche zu verbessern. Damit auch die auf den hinteren Bänken hören, was vorn passiert." Bis heute ist da noch nichts geschehen, räumt der Pfarrer ein. Eine gute Gelegenheit wäre das kommende Jahr - dann feiert das Gotteshaus 200 Jahre Kirchenweihe. Trommler nickt.

Die Spurensuche hat gezeigt: Reiner Fischer war also bekannt im Ort, er war neugierig, aber auch bescheiden. Das bestätigt auch Herbert Uhlig. Der betagte Rentner ist der Ortschronist von Gornsdorf - und war bis zur Wende Biologielehrer im Ort. Fischer war einer seiner unzähligen Schüler - aber er weiß noch dies: "Er war sehr fleißig, wissbegierig." Sein Vater war wohl im Zweiten Weltkrieg gefallen, jedenfalls wurde er in den Stalingrader Wirren vermisst und kam nie wieder heim. Uhlig: "Er war ein reger Zeitgenosse, die Natur war ihm das Wichtigste."

Inge Schmidt nickt. So kennt sie den Rainer, der nun auf dem Gornsdorfer Friedhof liegt, nahe der Wasserstelle mit dem alten Taufbecken. "Ja, die Natur. Er war ja der Greenpeace-Reiner." Dieser Spitzname sei, so betont sie, aber nie böse gemeint gewesen. Sondern voller Respekt.


Das Interesse Reiner Fischers

Gornsdorfs Bürgermeisterin Andrea Arnold erinnert sich gut an stundenlange Gespräche mit dem an Kommunalpolitik so interessierten Reiner Fischer. "Bewegt haben ihn unterschiedlichste Dinge, etwa verstopfte Durchlässe, die zu reinigen sind, bis hin zu Gefahrenstellen in den Verkehrswegen. Dort konnten wir oft helfen. Und: Er bat häufig, für jeden Baum, den wir fällen müssen, doch an anderer Stelle eine Neupflanzung vorzunehmen - dies konnten wir stellenweise machen", so Arnold. "Das Anlegen eines Fußweges nach Hormersdorf entlang der Kreisstraße war ebenso sein Wunsch wie das Veröffentlichen der Ratsunterlagen im Internet im Vorfeld der Sitzungen. An Letzterem arbeiten wir gerade", sagt Arnold. "Auch für das Naturbad, wo er im Sommer oft Gast war, hatte er immer wieder Ideen - zuletzt eine Sauna. Im Hinterkopf haben wir dies noch. Sehr angetan war er zudem vom Neubau unserer Grundschule. Auch hier hat er sich während der Bauphase oft nach verwendeten Materialien erkundigt und sich gefreut, dass wir - wo es möglich war - natürliche Materialien eingesetzt haben."

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