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Kultur
Autor und Aktivist - 150 Jahre Thomas Mann

In seiner Heimat machte er sich viele Feinde, und zu seinem Lebensende kehrte Thomas Mann Deutschland lieber den Rücken. Zum runden Geburtstag aber wird sein Kampf für die Demokratie groß gewürdigt.

Berlin.

Sein Lebensweg führte ihn von Lübeck bis nach Los Angeles, die Zeitläufte machten aus dem Monarchisten einen der großen Verteidiger der Demokratie. Mit Romanen wie "Buddenbrooks", "Der Zauberberg" oder "Joseph und seine Brüder" schuf der Nobelpreisträger Weltliteratur, im Exil wurde er zum wortgewaltigen Widerpart Adolf Hitlers. Die Rede ist von Thomas Mann, dessen Geburtstag sich am 6. Juni zum 150. Mal jährt.

Schon seit der Jahreswende ist die literarische Welt im Thomas-Mann-Fieber, wird der Weltbürger mit einer Vielzahl von Veranstaltungen gewürdigt - die meisten in Deutschland und der Schweiz, aber auch in Ländern wie Tschechien oder den USA. In Los Angeles wird nach den verheerenden Bränden Anfang des Jahres am 6. Juni sein Exil-Wohnhaus in Pacific Palisades, das Thomas Mann House, feierlich wiedereröffnet.

Höhepunkt hierzulande ist aber ein Festakt am 6. Juni in Lübeck, zu dem auch der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier geladen ist. 

Väterliche Rente reichte zum Leben als Schriftsteller

Am selben Tag wird eine Ausstellung des Buddenbrookhauses mit dem Titel "Meine Zeit. Thomas Mann und die Demokratie" eröffnet. Um das politische Engagement des Autors, mit dem er sich zu Lebzeiten viele Feinde machte, geht es auch in einigen Büchern, die in den vergangenen Monaten auf den Markt gekommen sind. 

Geboren wurde Thomas Mann 1875 in einer Lübecker Kaufmannsfamilie. Weder er noch sein älterer Bruder Heinrich (1871-1950) zeigten Lust oder Begabung zum Kaufmann. Nach dem frühen Tod des Vaters wurde das Handelshaus liquidiert, die Familie zog nach München. Eine Rente aus dem väterlichen Vermögen reichte für ein sorgloses Leben als freier Schriftsteller.

Die "Buddenbrooks" veröffentlichte er im Alter von 25

Mit nur 25 Jahren veröffentlichte Thomas Mann Anfang 1901 den Roman, der ihm 1929 den Nobelpreis einbringen sollte: "Buddenbrooks", die Geschichte vom Niedergang einer Familie, deren Lebenstüchtigkeit von Generation zu Generation in dem Maße abnimmt, wie der Hang zum Schöngeistigen zunimmt. 3,5 Millionen Exemplare wurden bis heute im deutschsprachigen Raum verkauft.

Das Buddenbrookhaus in der Innenstadt von Lübeck. (Archivbild)
Das Buddenbrookhaus in der Innenstadt von Lübeck. (Archivbild) Bild: Christian Charisius/dpa

Für das weltweite Renommee des Autors noch wichtiger wurde aber "Der Zauberberg". Das 984 Seiten starke Opus ist ein Zeitroman in zweifacher Hinsicht. Zum einen bietet er ein Panorama der Gesellschaft vor dem Ersten Weltkrieg und der geistigen Strömungen, die zu Krieg und Faschismus führten. Zum anderen ist es ein Roman über das individuelle Erleben der Zeit. 

Vom Monarchisten zum Demokraten

Für diesen Roman nahm sich Mann viel Zeit - von 1913 bis 1924 -, und er machte eine tiefe Wandlung durch: Wohl auch in Abgrenzung zum älteren Bruder, hatte er sich bei Weltkriegsbeginn 1914 ins Lager der Kriegstreiber geschlagen. Er schrieb rechtslastige Essays wie "Gedanken im Kriege" und "Betrachtungen eines Unpolitischen", in denen er über den vermeintlichen Gegensatz zwischen - oberflächlicher - westlicher "Zivilisation" und - tiefgründiger - deutscher "Kultur" schwadronierte. 

Doch nach Gründung der Weimarer Republik 1919 wurde aus dem Monarchisten ein überzeugter Demokrat, wie spätestens in seiner Berliner Rede "Von deutscher Republik" 1922 zum Ausdruck kam. Im "Zauberberg" steht die humanistische Lichtgestalt Lodovico Settembrini dem reaktionären Finsterling Leo Naphta gegenüber. 

Kinderreiche Familie

Als "Der Zauberberg" 1924 erschien, hatte Thomas Mann längst eine kinderreiche Familie. Obwohl er in seinen Tagebüchern freimütig über seine homoerotischen Neigungen plauderte, hatte er eine bürgerliche Ehe geschlossen und 1905 die junge Katia Pringsheim (1883-1980) geheiratet, Spross einer schwerreichen Münchner Bankiers- und Professorenfamilie. Die sechs Kinder kamen quasi paarweise zur Welt: erst Erika und Klaus (1905/06), dann Golo und Monika (1909/10), schließlich Elisabeth und Michael (1918/19). 

Thomas und Katja Mann in New York. (Archivbild)
Thomas und Katja Mann in New York. (Archivbild) Bild: ---/ETH-Bibliothek Zürich, Thomas-Mann-Archiv/dpa

Wie sehr Thomas Mann schon vor der NS-"Machtergreifung" der Wind politisch ins Gesicht blies, wurde im Oktober 1930 deutlich, als ein von Nazi-Gauleiter Joseph Goebbels aufgestachelter SA-Mob bei seiner "Deutschen Ansprache" in Berlin versuchte, ihn niederzuschreien. Wenige Wochen nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler Ende Januar 1933 ging Mann ins Exil.

Die weiße Villa am Pazifik

Nach kurzem Aufenthalt in Südfrankreich ließen sich die Manns in Küsnacht bei Zürich nieder. 1938 siedelten sie in die USA über, zunächst nach Princeton an der Ostküste. "Wo ich bin, ist Deutschland", sagte der Nobelpreisträger bei seiner ersten Pressekonferenz. Er erhielt eine Gastprofessur und begann mit seinen "Lectures", gut bezahlten Vortragsreisen, auf denen er den Amerikanern die politischen Vorgänge in der Alten Welt erklärte.

1941 wechselte er an die US-Westküste. In Pacific Palisades, einem Stadtteil von Los Angeles, bezog die Familie eine weiße Villa zwischen Palmen, heute eine transatlantische Begegnungsstätte, die Steinmeier 2018 nach dem Erwerb der Immobilie durch die Bundesrepublik Deutschland eröffnete. 

Thomas Mann in den 40er Jahren in Pacific Palisades.
Thomas Mann in den 40er Jahren in Pacific Palisades. Bild: ---/ETH-Bibliothek Zürich, Thomas-Mann-Archiv/dpa

Dort vollendete Mann nicht nur die "Joseph"-Tetralogie und schrieb den "Dr. Faustus", sondern verfasste auch seine Rundfunkansprachen unter dem Titel "Deutsche Hörer!". Sie wurden in einem Studio in Los Angeles aufgezeichnet, nach London übermittelt und von der BBC ins Reichsgebiet gesendet.

1949 braucht er in Frankfurt Polizeischutz 

Damit wurde Mann zum prominenten Gegenspieler Adolf Hitlers, den er wahlweise als "fanatischen Idioten", "Feind der Menschheit" oder "vertragsunfähigen Betrüger" titulierte. Er informierte die Deutschen - die beim Hören eines "Feindsenders" Leib und Leben riskierten - über das, was man im Ausland schon vom Holocaust wusste und verwies zugleich auf "die irrsinnige Schuld", in die sie sich immer tiefer verstrickten. 

Zu den alliierten Bombenangriffen auf deutsche Städte bemerkte er, "dass Deutschland nur empfängt, was es ausgeteilt hat" und dass er nichts gegen die Lehre einzuwenden habe, "dass alles bezahlt werden muss". 

Thomas Mann begrüßte seinen Bruder Heinrich in New York. Er kam aus dem besetzten Frankreich. (Archivbild)
Thomas Mann begrüßte seinen Bruder Heinrich in New York. Er kam aus dem besetzten Frankreich. (Archivbild) Bild: ---/ETH-Bibliothek Zürich, Thomas-Mann-Archiv/dpa

Auch wenn er betonte, dass Deutschland nicht identisch mit dem Nationalsozialismus sei, machte er sich damit viele Feinde. Namhafte deutsche Schriftsteller und Medien sprachen sich nach 1945 gegen seine Rückkehr aus. Als er 1949 zum 200. Goethe-Geburtstag nach Frankfurt reiste, brauchte er Polizeischutz. 

Letzte Ruhe am Zürcher See

In den USA hatte sich derweil der Wind gedreht, in der heraufziehenden McCarthy-Ära wurde Mann als kommunistischer Mitläufer diffamiert. 1952 kehrte er nach Europa zurück, nicht nach Deutschland, sondern in die von ihm so geliebte Schweiz. Er lebte in Kilchberg am Zürichsee und starb am 12. August 1955 im Kantonsspital Zürich. 

Thomas, Katia und die meisten der Kinder ruhen auf dem Kilchberger Friedhof. Der berühmte Schreibtisch, den Thomas Mann mit ins Exil genommen hatte, ist in der Dauerausstellung des Thomas-Mann-Archivs der ETH Zürich zu sehen. Die kalifornische Villa wiederum blieb von den schweren Bränden in Pacific Palisades Anfang dieses Jahres weitgehend verschont.

Das Thomas Mann House in Pacific Palisades. (Archivbild)
Das Thomas Mann House in Pacific Palisades. (Archivbild) Bild: Bernd von Jutrczenka/dpa

(dpa)

© Copyright dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH
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