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Kultur
Gerlinger-Sammlung zur „Brücke“-Kunst versteigert: Schmidt-Rottluff-Bild unter drei Top-Verkäufen

Es war eine spektakuläre Nachricht 2022: Die millionenteure Kunstsammlung des Unternehmers Gerlinger kommt unter den Hammer, auch Werke des Chemnitzer Karl Schmidt-Rottluff. Was ist daraus geworden?

Chemnitz/München.

Ein Aufschrei ging durch die Kunstwelt, als im Januar 2022 bekannt wurde: Eine der wertvollsten privaten Sammlungen mit Werken der Künstlergruppe „Brücke“ wird versteigert – und damit möglicherweise in alle Winde verweht und bei neuen privaten Sammlern hinter verschlossenen Türen versperrt. Die „Brücke“, die 1905 in Dresden gegründet wurde, bis 1913 existierte und als eine der wichtigsten Künstlervereinigungen des farbkräftigen Expressionismus gilt, ist eng mit der Chemnitzer Region verbunden. Ihre Gründungsmitglieder stammen von hier: Karl Schmidt-Rottluff aus Chemnitz, Fritz Bleyl aus Zwickau, Erich Heckel aus Döbeln, und Ernst Ludwig Kirchner, in Aschaffenburg geboren, wuchs eine Zeitlang in Chemnitz auf. Die Versteigerungen sollten in mehreren Tranchen von 2022 bis Ende dieses Jahres beim Auktionshaus Ketterer-Kunst in München über die Bühne gehen. Wie sind die Auktionen gelaufen?

Millionenbeträge für Kirchner und Schmidt-Rottluff

„Das blaue Mädchen in der Sonne“ von Ernst Ludwig Kirchner wurde für 4.750.000 Euro versteigert - und brachte damit den höchsten Erlös ein.
„Das blaue Mädchen in der Sonne“ von Ernst Ludwig Kirchner wurde für 4.750.000 Euro versteigert - und brachte damit den höchsten Erlös ein. Bild: Ketterer Kunst GmbH&CoKG

„Ein Großteil der Sammlung ist versteigert, nur einige einzelne Stücke bieten wir noch an, gehen aber davon aus, dass bis Ende des Jahres alles veräußert ist. Die Erwartungen wurden zum Teil übertroffen“, sagt Anja Häse, Sprecherin des Auktionshauses. Zu den drei Top-Verkäufen gehören demnach „Das blaue Mädchen in der Sonne“ von Kirchner für 4.750.000 Euro, die Holzstatue „Hockende“ von Kirchner für 4.290.000 Euro und das Gemälde „Lesende“ von Schmidt-Rottluff für etwas mehr als vier Millionen Euro. Letztgenanntes Bild war 2022 versteigert worden und hatte nach damaligen Angaben des Auktionshauses für einen Paukenschlag gesorgt: Das Gemälde, das die Dichterin Else Lasker-Schüler zeigt, war mit einem Schätzpreis von „nur“ 700.000 Euro in die Auktion gegangen, der „beachtliche Erlös“ von etwas mehr als vier Millionen Euro ist laut Ketterer ein Rekord für eine Arbeit des Künstlers in Kontinentaleuropa beziehungsweise Platz 3 im weltweiten Ranking. Einen weiteren Millionenerlös brachte unter anderem Schmidt-Rottluffs Aktbild „Rote Düne“ von 1913 mit 1.945.000 Euro ein. Für wie viel Geld aber die gesamte rund 1000 Objekte fassende Sammlung – die von Gemälden über Grafiken bis zu selbstentworfenem Schmuck und Dokumenten reicht – unter den Hammer kam, wolle man nicht sagen, so Sprecherin Häse, weil in Auktionen Diskretion an erster Stelle stehe.

Der Mann hinter der Sammlung

Der ehemalige Unternehmer Hermann Gerlinger aus Würzburg hatte die Sammlung über Jahrzehnte zusammengetragen, war mit Schmidt-Rottluff persönlich bekannt und stellte seine Sammlung als Leihgabe Museen zur Verfügung, darunter dem Kunstmuseum Moritzburg in Halle. Es hatte aber Differenzen zwischen Sammler und Museen gegeben, unter anderem über die Art der Präsentation, sodass Gerlinger letztlich entschied, die Sammlung aus Museen zurückzuziehen und vom Auktionshaus Ketterer-Kunst für wohltätige Zwecke versteigern zu lassen. Der Erlös soll der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, dem BUND-Naturschutz und der Stiftung Juliusspital in Würzburg zugute kommen.

Viele Sammler bei den Auktionen stammten aus dem deutschsprachigen Raum, so Häse. „Bemerkenswert ist aber auch das Interesse des Auslands an den ‚Brücke‘-Werken – insbesondere den USA. Tatsächlich sind einige Werke an amerikanische Museen gegangen.“ Neben den Glanzlichtern der Kollektion, zu denen die Gemälde zählen, „fanden auch fast ausnahmslos alle zeitdokumentarischen Sammlerstücke wie Jahresberichte, Sammlermappen mit Holzschnitten und Radierungen, Mitgliedsausweise, Programme und Einladungskarten einen neuen Eigentümer“. Auch Grafiken im dreistelligen Bereich wurden angeboten.

Für die Öffentlichkeit weggesperrt?

Die "Stehende" von Erich Heckel aus dem Jahr 1920 wurde 2023 in den Kunstsammlungen Chemnitz am Theaterplatz präsentiert: Es ist das einzige Werk, das das Museum mithilfe zahlreicher Förderer aus den Auktionen ersteigern konnte.
Die "Stehende" von Erich Heckel aus dem Jahr 1920 wurde 2023 in den Kunstsammlungen Chemnitz am Theaterplatz präsentiert: Es ist das einzige Werk, das das Museum mithilfe zahlreicher Förderer aus den Auktionen ersteigern konnte. Bild: Uwe Mann

Die Befürchtung aber seitens deutscher Museen, dass sie bei Auktionen insbesondere bei den bedeutenden Gemälden nahezu leer ausgehen, hat sich offenbar bewahrheitet – hauptsächlich boten Privatpersonen mit. Museen der öffentlichen Hand haben in aller Regel nicht das Geld, um bei Auktionen mitbieten zu können. Wenn doch, dann meist mit Hilfe von Fördergeld, Sponsoren oder Stiftungen. Nur so konnten auch die Chemnitzer Kunstsammlungen ein Werk aus der Gerlinger-Sammlung ersteigern: die Holzskulptur „Stehende“ von Erich Heckel von 1920 für 745.000 Euro – dass dieser Erwerb im vergangenen Jahr gelang, galt als kleine Sensation.

Bleibt die Frage, inwieweit neue private Sammler bereit sind, die Werke als Leihgaben Museen zur Verfügung zu stellen und so der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. „Wir haben zu vielen Sammlern enge Kontakte und helfen bei der Vermittlung möglicher Leihgaben für Ausstellungen“, so Häse. Für manche Sammler sei es aber auch von sich aus eine Herzensangelegenheit, Bilder in der Öffentlichkeit zu zeigen. So stelle der Käufer des Gemäldes „Lesende“ von Schmidt-Rottluff das Bild als Leihgabe dem Von-Der-Heydt-Museum in Wuppertal zur Verfügung.

Die Frage nach dem Hochzeitsbild

Ein Rätsel bleibt hingegen weiterhin, was aus dem Gemälde „Du und ich“ von Schmidt-Rottluff aus dem Jahr 1919 wird. Es zeigt den Maler mit seiner Frau Emy. Schmidt-Rottluff hatte es als Hochzeitsgeschenk für seine Frau gemalt. Das Bild, so schrieb Gerlinger einmal in einem Ausstellungskatalog, sei gar nicht für die Öffentlichkeit gedacht gewesen, er hatte es aber bei einem Besuch bei Schmidt-Rottluff entdeckt und gefragt, ob er es kaufen dürfe. Nach einiger Bedenkzeit habe Schmidt-Rottluff eingewilligt.

Gerlinger hat das Bild nicht in die Auktion gegeben. Ob die Chance besteht, dass er das Bild als Schenkung oder Leihgabe nach Chemnitz gibt, könne man nicht sagen, so Häse. Die Kunstsammlungen der Stadt waren unter Leitung des vormaligen Direktors Frédéric Bußmann seinen Angaben nach mit Gerlinger in Kontakt. Nach dem aktuellen Stand befragt, teilt die heutige Direktorin Florence Thurmes mit, dass sie sich generell nicht zu Museumsinterna in der Presse äußere. (kl)

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