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Der Schriftsteller Navid Kermani plädiert leidenschaftlich für eine Beendigung des Krieges zwischen Israel und dem Iran. (Archivbild)
Der Schriftsteller Navid Kermani plädiert leidenschaftlich für eine Beendigung des Krieges zwischen Israel und dem Iran. (Archivbild) Bild: Thomas Banneyer/dpa
Kultur
Navid Kermani kritisiert Merz wegen "Drecksarbeit"

Der Schriftsteller Navid Kermani warnt, dass der Krieg Israels eine demokratische Zukunft des Irans gefährdet. Auch mit Kanzler Merz geht er hart ins Gericht.

Köln.

Der Schriftsteller Navid Kermani hat Bundeskanzler Friedrich Merz wegen dessen "Drecksarbeit"-Aussage scharf kritisiert. Merz habe mit seiner Aussage die vielen zivilen Kriegsopfer beleidigt und entmenschlicht, sagte Kermani der Deutschen Presse-Agentur in Köln. "Wen meint er mit Dreck? Damit meint er offenbar die Menschen, die im Iran in den Hochhäusern ohne Luftschutzkeller sitzen und jetzt von Israel bombardiert werden. Das sind meine Verwandten, meine Cousinen und Cousins, meine Kollegen und Freunde. Viele von ihnen haben im Kampf gegen das Regime Opfer gebracht, von denen wir im Westen nicht einmal eine Vorstellung haben."

Kermani wirft Merz sprachliche Verrohung vor

Alle bekannten Protagonisten der Demokratie-Bewegung hätten sich gegen den Krieg ausgesprochen, so auch die inhaftierte Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi oder die Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotudeh. "Diese beiden Frauen und Millionen andere Iraner kämpfen seit Jahren heroisch gegen das Regime und damit auch für Israels Sicherheit. Sie sind kein Dreck." Er glaube nicht, dass ein Helmut Kohl, ein Wolfgang Schäuble oder gar eine Angela Merkel, die in der Sache womöglich Merz zugestimmt hätten, je auf eine solche zynische Wortwahl zurückgegriffen hätten, sagte Kermani.

"Merz leistet damit einer Verrohung und Enttabuisierung der öffentlichen Sprache Vorschub, die den Rechtspopulisten enorm in die Hände spielt, siehe USA." In einem Beitrag für die "Süddeutsche Zeitung" (Wochenendausgabe) formulierte Kermani pointiert: "Wer Respekt vor der Drecksarbeit hat, Bomben auf Zivilisten abzuwerfen, ist selbst ein Dreckskerl."

Merz hatte in einem ZDF-Interview mit Blick auf Israels Krieg gegen den Iran das Wort "Drecksarbeit" benutzt. Moderatorin Diana Zimmermann hatte den Begriff in ihrer Frage benutzt, und Merz griff es auf: "Frau Zimmermann, ich bin Ihnen dankbar für den Begriff Drecksarbeit. Das ist die Drecksarbeit, die Israel macht für uns alle. Wir sind von diesem Regime auch betroffen. Dieses Mullah-Regime hat Tod und Zerstörung über die Welt gebracht."

Der Iran könnte ins Chaos abgleiten

Kermani sagte der dpa, es sei, bei aller gebotenen Zuspitzung im politischen Alltag, die Aufgabe von Politikern zu differenzieren, wenn es um Leben und Tod von Menschen geht. Nun werde vieles angeführt, was Merz mit seiner Aussage gemeint haben könnte, das wolle er nicht in Abrede stellen. "Wen er meinte, was er gemeint haben soll, hätte er sagen können, was er meint. Aber er hat ja nicht einmal nachträglich seine Wortwahl relativiert. Er steht zu dem Wort "Drecksarbeit" und lobt sich selbst dafür. Also muss man ihn auch für das kritisieren, was er sagte, nicht für das, was er mutmaßlich meinte."

Der Krieg werde weder Israel Sicherheit bringen noch Iran Freiheit, sagte Kermani, der als einer der einflussreichsten deutschen Intellektuellen gilt. Er wurde mit zahlreichen Preisen geehrt, der bedeutendste ist der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Sollte Israel den Krieg ausweiten und möglicherweise mit US-Unterstützung die Staatsführung zu Fall bringen, drohe das Abgleiten des Landes ins Chaos.

"Iran ist ein Land, in dem 45 Prozent der Menschen eine andere Muttersprache haben als Persisch. Es ist ein Vielvölkerstaat. Man muss doch nur nach Afghanistan schauen, in den Irak, in den Jemen, nach Syrien, nach Libyen, um zu sehen, welche Gefahren das birgt. Iran hat ein gewaltiges Arsenal an chemischen Waffen. Und das würde das Regime in dem Moment einsetzen, in dem es nichts mehr zu verlieren hat. Die werden sich nicht ins Flugzeug setzen und abhauen, die werden alles einsetzen, was sie haben, um als Märtyrer zu sterben."

Dies berge auch für das nahe gelegene Israel ein großes Sicherheitsrisiko, sagte Kermani. Er äußerte sich, noch bevor die USA in der Nacht zum Sonntag an der Seite Israels in den Krieg gegen den Iran eingriffen und drei Atomanlagen attackierten.

Iranische Regisseure stehen für Mut der Zivilgesellschaft 

Sollte die politische und religiöse Führung den Krieg dagegen überleben, wäre nach Überzeugung Kermanis eine fürchterliche Repressionswelle gegen die eigene Bevölkerung die Folge. Das deute sich bereits jetzt mit Hinrichtungen und vielen Festnahmen an. "Sie werden sagen, dass sich doch nun vor aller Welt gezeigt habe, in welchem Maße die iranische Opposition durch Israel gesteuert wird. Das heißt also, beide Optionen führen ins Verderben."

Die iranische Zivilgesellschaft sei die mutigste weltweit, sagte Kermani, der 1967 in Siegen als Sohn einer aus dem Iran eingewanderten Arztfamilie geboren wurde. "Denken Sie nur an den Regisseur Jafar Panahi, der viele Jahre im Gefängnis gesessen hat und dann, auf Kaution frei gelassen, sofort wieder einen kritischen Film dreht, der in Cannes die Goldene Palme erhält. Denken Sie an den oscarnominierten Film "Die Saat des heiligen Feigenbaums" von Mohammad Rasoulof über die Massenproteste im Iran, entstanden unter schwierigsten Bedingungen. Denken Sie an all die Frauen, die weiterhin trotz striktester Gesetze ohne Kopftuch auf die Straße gehen. Und die, wenn sie aufgegriffen werden, sofort Hilfe von Passanten erhalten. Das sind die Menschen, die jetzt bombardiert werden." (dpa)

© Copyright dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH
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