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Anleitung zum Glücklichsein
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Es ist kalt. Nebelschwaden hüllen die Landschaft in opakes Grau. Sie verhüllen den Blick auf das, was vor mir liegt. Regen peitscht in mein Gesicht. Meine Haare kleben mir in Strähnen an der Stirn. Tropfen fluten meine Augen. Ich muss blinzeln, wünsche mir ein Handtuch, das ohnehin nichts nützen würde. Zu viel Wasser. Ich weine nicht, es ist der Regen.
Noch 28 Kilometer. Erst zwei liegen hinter mir. Ich lausche der Musik in meinen Ohren, versuche mich abzulenken. An etwas Schönes denken. Eine warme Dusche. Ein heißer Tee. Die gemütliche Couch. Heute habe ich es mir wirklich verdient. Ich trotte weiter. Ich bin froh über meine Regenjacke. Ich überlege, was ich zum Marathon trage. Die schwarze Hose sitzt perfekt. Besser als die Pinke. Die rutscht zu sehr. Unannehmlichkeiten beim Marathon auf ein Minimum reduzieren. Das beeinflussen, was ich beeinflussen kann. Ich erreiche das Waldstück, Kilometer drei. Es läuft gut. Ich merke erst jetzt, dass ein Berg hinter mir liegt. Der Regen ist schwächer geworden. Die Bäume halten ihn fürsorglich von mir fern. Mein Nacken fühlt sich kühl an. Ich ziehe meine Jacke zu, schiebe die Kapuze ein Stückchen höher. Kalt ist mir nicht. Mein Herz pumpt Blut in jeden Winkel meines Körpers. Ich fühle, wie der pulsierende Strom durch meine Adern wogt. Mein Brustkorb hebt und senkt sich. Meine Lunge ist weit.
Gleich erreiche ich das freie Feld. Zornige Windböen heulen mir entgegen. Sie zerren an meiner Jacke und bremsen meinen Schritt. Ich bedaure das Fehlen der Baumkronen. Wieder regnet es auf mich herab. Die Sicht ist noch schlechter geworden. Noch fünf Kilometer geradeaus, dann habe ich die Hälfte geschafft. Keine Menschenseele weit und breit. Ich fühle in meiner Tasche nach meinem Handy. Noch da. Auf den nachlässig verlegten Steinplatten des Wirtschaftsweges sammelt sich das Wasser in schlammbraunen Pfützen. Ich umlaufe die traurigen Seen und versuche meine Schuhe so gut es geht trocken zu halten. Nasse Füße sind der Tod. Ich biege um eine Kurve. Schemenhaft ragt der nebelverhangene Sendemast vor mir empor. Halbzeit.
Ich trabe eine kleine Runde und mache innerlich ein Häkchen an die erste Hürde. Jetzt nur noch nach Hause laufen. Wieder passiere ich die trüben Wasserlöcher. Das Strömen des Regens ist nur mehr ein Sprühen. Irgendwie vermisse ich das stetige Perlen der plätschernden Tropfen auf meinem Kopf. Deren Beständigkeit hatte etwas Tröstliches. Aus dem Nebel schälen sich plötzlich zwei Gestalten. Ich laufe schneller. Erkenne dann: zwei Jogger. Sie blicken mich genauso mitleidig an wie ich sie. In stiller Anerkennung nicken wir einander zu. Ich frage mich, wofür sie wohl trainieren. Aus purer Freude läuft niemand bei dem Wetter. Die Regentropfen werden wieder dicker. Träge zerplatzen sie auf meiner Haut. Meine Beine werden allmählich müde. Ich halte das Tempo. Ich will heim.
Ich erfinde absurde Geschichten. Lenke mich ab von dem Stechen in meinen Muskeln und meinen brennenden Füßen. Wie früher meine Mutter erzähle ich mir meine Träume. Sinniere über die Filme, die nachts durch meine Seele streifen. Noch wenige Meter und der Wald nimmt mich abermals in Empfang. Wie ein schützendes Dach beschirmen mich die Wipfel. Die letzten Kilometer schmerzen, aber fliegen an mir vorbei. Ich bin glücklich. Ich bin dreißig Kilometer gelaufen. Ich habe den Elementen die Stirn geboten. Die Musik ist aus. Mein Herz singt. Ich stehe vor meinem Zuhause und bin der König der Welt. Meine Augen sind nass, es ist nicht der Regen.
Noch 22 Tage bis Tag X
Läufe: 2
Wochenkilometer: 42
Gemütslage: Überschäumend
Fazit Woche 27: Der Marathon mag werden wie er will. Allein für diesen Lauf hat sich alles gelohnt.
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