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Flucht nach vorne
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"Na, bist du fit?" Es vergeht kein Tag, an dem ich das nicht gefragt werde. Was will man auch anderes wissen von jemandem, der kurz vor seinem ersten Marathon steht. Meine Antwort ist immer die gleiche: "Hmm" und ein gequältes Lächeln. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob ich gut vorbereitet bin. Ich weiß auch nicht, ob ich genug trainiert habe. Ich weiß nicht, ob ich am Wettkampftag Schmerzen haben werde, ob ich fluche, ob es mir gut geht oder ob ich überhaupt ins Ziel komme. Ich weiß nur, dass ich es schaffen will. Ich will zusammen mit über 7000 Marathonis ins Olympiastadion einlaufen und meine Medaille in Empfang nehmen. Und im Ziel eine original bayrische Brezn essen.
Ob ich mir die nach vier oder nach fünf Stunden abhole, spielt keine Rolle. Ich habe ja zum Glück keine bestimmte Zeitvorgabe. Nagut, eigentlich schon: sechs Stunden. Anderenfalls droht der Besenwagen. Das ist das berühmt-berüchtigte Fahrzeug, das bei Läufen immer am Ende des Feldes fährt und die einsammelt, die verletzt sind oder zu erschöpft, um weiterzulaufen. Der Besenwagen markiert das untere Tempolimit. Wer von ihm überholt wird, wird aus der Wertung genommen und eingesackt. Ein bisschen wie bei "Pac-Man". Wer gefressen wird, ist raus.
Gut, der Pac-Man-Wagen fährt im Standgas und damit nicht schneller als sieben Kilometer pro Stunde. Schrittgeschwindigkeit. Theoretisch könnte ich die ganze Strecke auch wandernd zurücklegen und käme trotzdem regulär ins Ziel. Der Besenwagen ist tatsächlich eher eine psychische Bedrohung. Zu wissen, dass mich etwas überholen könnte, was mich automatisch vom Lauf disqualifiziert, stresst. Wobei er nüchtern betrachtet natürlich eine gute Sache ist. Kann jemand partout nicht mehr weiterlaufen, kommt Pac-Man und rettet ihn.
Außerdem hat mir der Wettkampfzeit-Rechner eine Zielzeit zwischen 4:11 Stunden und 4:32 Stunden prophezeit. Damit hätte ich eineinhalb Stunden Vorsprung zum Besenwagen und würde ihn nicht einmal bemerken. Aber wie gesagt, ich weiß nicht, wie der Lauf wird. Es gibt so viele Faktoren, die ihn beeinflussen. Das Wetter, die Ernährung, die Kleidung, die Laune, der Mond - was weiß ich. Ob ich fit bin, wird sich erst nächste Woche zeigen. Aber ich bin bereit.
Noch 8 Tage bis Tag X
Läufe: 3
Wochenkilometer: 27
Gemütslage: Tollkühn
Fazit Woche 29: Irgendwie misstraue ich der Tapering-Theorie. Ich bin diese Woche vorsichtshalber doch dreimal gelaufen. Ab jetzt wird aber gechillt.
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