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Gut oder schlecht - was geht?
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Manchmal erreichen mich Mails von Lesern, die mich sprachlos machen und mich dann minutenlang darüber nachdenken lassen, wie ich darauf reagieren sollte, weil ich zum einen vor lauter Erstaunen mir nicht sicher bin, ob der Absender seinen Vorschlag oder Hinweis auch wirklich ernst meint oder sich über mich und meine Arbeit lustig machen möchte, und weil ich zum anderen ab einen gewissen Zeitpunkt vor lauter Optionen dabei die Orientierung verliere, mir eine eigene Meinung bilden zu können. Diese Mail, die ich heute in meinem Postfach fand, ist wohl das beste Beispiel für solche ein Anliegen: "Haben Sie schon einmal in Erwägung gezogen, eine Zeitung mit nur positiven Artikeln zu verfassen? Da in Chemnitz bzw. in der Region relativ viele ältere Menschen leben, könnte ich mir vorstellen, dass gerade diese Gruppe solch eine Zeitung kaufen würde. Meine Mutter ist 90 Jahre alt und liest keine Zeitung mehr, weil sie die Negativnachrichten zu sehr belasten. Auch jüngere Leute würden eine solche Zeitung sicher kaufen."
Dass mir Leser den Vorwurf "nur schlechte Nachrichten, sind gute Nachrichten" mehr oder weniger unmissverständlich um die Ohren hauen, ist bei mir zwischen zehn und zwölf an der Tagesordnung, und ehrlich gesagt bin ich schon vor Monaten dazu übergegangen, mit den Leuten nicht mehr zu diskutieren, um sie von dem Gegenteil zu überzeugen, sondern sie in eine Diskussion darüber zu verwickeln, welche der in jüngster Zeit in der Zeitung veröffentlichen Meldungen ihrer Ansicht nach nur abgedruckt wurde, weil sie eine schlechte Nachricht zum Inhalt hat und nicht wegen ihres interessanten Informationsgehaltes. Denn es ist immer so: Den Leuten in der Leitung fällt dann so schnell doch kein Beispiel ein. Das gleiche gilt auch für die Anrufer, die sich mal mehr positive Neuigkeiten in der Zeitung wünschen, dann aber kein Beispiel dafür haben, was in den vergangenen Tagen ihrer Ansicht nach hätte veröffentlicht werden müssen, damit sich alle darüber freuen können. Was bedeutet: Nichts Genaues weiß man nicht darüber, was richtig oder was doch eher falsch ist, weshalb der Hahn kräht auf dem Mist und ...
Tut mir leid, aber gerade wollte meine Neigung zum zügellosen Fabulieren die Oberhand über mein Denkvermögen erlangen, weshalb ich dem nun einen Riegel vorschieben und wieder sachlich werden muss. Ein anderes ungeschriebenes Gesetz innerhalb meiner Arbeit als Leserobmann ist gestern und heute wieder einmal bestätigt worden. Es lautet: Geht es in einer Nachricht oder einem Artikel um das Wohl und Wehe von Tieren, kann ich meinen Kollegen versichern, dass sich Leser bei mir melden und eindeutig Stellung beziehen wollen. Passend zum heutigen Thema waren es in beiden Fällen zwei völlig gegensätzliche Meinungen. Soll heißen: Die eine eher positiv, die andere negativ; je nach dem Blickwinkel, von dem aus man die Sache betrachtet.
Zwei Leser haben mich wegen der Meldung "25 Schlangen aus Wohnung gerettet" auf der Seite "Aus aller Welt" angerufen. Der eine meinte: "Den Tierquäler sollte man einsperren, denn gegen ein solches Verhalten sollte man mit der ganzen Härte des Gesetzes vorgehen." Dem anderen war dieser Aspekt wichtig: "In was für einem Staat leben wir eigentlich, dass ein Mensch sich einfach so 25 Würgeschlangen besorgen und in seiner Wohnung halten kann? Dem muss der Gesetzgeber unbedingt einen Riegel vorschieben."
Auf der gleichen Seite war der Artikel mit der Überschrift "Muss Känguru Gastfamilie verlassen?" zu lesen gewesen, der zwei Anrufer veranlasst hatte, sich bei mir zu melden: "Ich verstehe diesen ganzen Wirbel nicht, warum darf die Familie das Tier denn nicht behalten, es geht ihm dort doch offensichtlich ganz wunderbar." Ein anderer Leser vertrat diese Meinung: "Wo kommen wir da hin, wenn jeder sich frei nach Belieben zu Hause exotische Tiere halten darf. Deshalb finde ich es gut, dass die Behörden hier konsequent sein und das Halten eines Kängurus verbieten wollen."
Nein, ich fange jetzt keine Diskussion darüber an, ob die beiden Artikel eher gute oder vielleicht doch schlechte Nachrichten waren, weshalb meine Kollegen beschlossen hatten, sie in der "Freien Presse" zu veröffentlichen.
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