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Kleidung nach Maß

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Letzten Samstag habe wir (meine Mutter und ich) drei Mäntel, einen Anzug und eine Weste vom Stoffmarkt geholt, die wir vor zwei Wochen bestellt hatten. Der Stoffmarkt besteht dabei aus zwei voneinander unabhängigen und auch ca. 1 km voneinander entfernten Gebäuden, in denen es unzählige kleine Stände auf mehreren Etagen gibt.

Nach einer halbstündigen Taxifahrt standen wir vor einem eher kleinen Gebäude, dessen Fassade schon für die Schneider und die Ware im Inneren wirbt. Nachdem wir uns durch mehrere kleine Straßen-Essensstände auf Rädern hindurchgeschlängelt und auch die Pelzverkäufer hinter uns gelassen haben, betreten wir das Gebäude und finden uns augenblicklich in einem Gedränge vieler Menschen wieder, die in engen Gängen zwischen den verschiedensten Kleidungsstücken und Stoffen umhergehen. Allerdings war das nur im Eingangsbereich so.

Anfangs dachten wir noch, dass wir zum Glück nur etwas abholen und nichts mehr bestellen müssen und deshalb wahrscheinlich auch schnell fertig sein werden, aber es sollte sich doch relativ schnell herausstellen, dass es länger dauern würde. Unsere ersten beiden Objekte waren jeweils ein Mantel für meine Mutter und mich, die wir Kopieren lassen hatten. Als wir am Stand angekommen waren und uns nach den genannten Kleidungsstücken erkundigten, wurden unsere Pläne von einem kurzen Besuch aber bereits zunichte gemacht, weil am Mantel meiner Mutter noch die Knöpfe fehlten und meiner trotz einer Woche Arbeitszeit erst in zwei Stunden fertig wäre. Also entschieden wir uns gezwungenermaßen dafür, erst mal noch ein bisschen zu schauen, dann meinen Anzug und die Weste vom anderen Markt abzuholen und in zwei Stunden wiederzukommen.

Während wir schauten, blieben wir natürlich (wie das beim Shoppen so ist) an einigen Ständen hängen und sofort begannen die Verkäufer/innen für ihre Produkte zu werben: ?Sir, come here! Have a look! Real silk and kashmir!? und sobald man einen Stoff oder ein Kleidungsstück auch nur berührte oder etwas kritischer anschaute, ging es weiter mit: ?Beautiful colour!? und wenn man es dann auch noch anhielt, bekam man ?Very nice!? und ?Very beautiful!? an den Kopf geworfen. Wenn man dann an diesen ?wunderschönen? Kleidungsstücken auch noch etwas auszusetzen hatte, wurde man sofort gefragt ?Do you want me to measure it??. Und so ging es an fast jedem Stand. Bemerkenswert neben diesem Verkäufergeist sind auch die Umkleidekabinen, in denen man sich umziehen konnte: auf den ersten Blick gab es gar keine. Auf Nachfrage wurde dann aber in einer Ecke des Standes ein Bettlaken gespannt, hinter dem man sich umziehen konnte, oder eine der Schaufensterpuppen wurde zur Seite geschoben, man ging in die entstandene Lücke und die Schaufensterpuppe wurde vor ihren ursprünglichen Standort geschoben.

So war es in den drei Etagen des ersten und anscheinend auch bekannteren Stoffmarktes, in dem man auch sehr viele Nicht-Chinesen sah.

Im zweiten Stoffmarkt war es nicht ganz so voll, auch wenn das Angebot wahrscheinlich ähnlich ist. Zumindest haben wir einige Kleidungsstücke dort wiedergefunden. Auch hier hatten wir ein klares Ziel und im Gegensatz zu unserem ersten Schneider war dieser auch zum vereinbarten Termin fertig (von den Knöpfen, die auch er noch auf eine Weste annähen musste, abgesehen). Der Mantel meiner Mutter und meine Weste passten auf Anhieb, allerdings mussten wir am Jackett und der Hose noch ein paar Sachen ändern lassen und das sollte 40 min dauern. Also hatten wir noch genug Zeit, um unseren mittlerweile entstandenen Hunger in einer nahegelegenen chinesischen Straße mit dem Namen ???? (shàng h?i l?o ji? - Shanghai alte Straße) zu stillen. Diese Straße ist eine der besten Straßen, die ich in Shanghai kenne, in denen man richtig gut chinesisch essen kann. Es gab chinesische Nudelsuppe mit Rindfleisch und während wir draußen in der Sonne aßen, konnten wir das Treiben um uns herum sehr gut beobachten:

Ein Mann schob sein mit einigen mehrere Meter langen Bambusstangen beladenes Fahrrad durch die von Menschen gefüllte Straße und schaffte dies zu unserem Erstaunen ohne irgend jemanden zu berühren; direkt neben uns machte eine Chinesin neue Nudeln, indem sie einen großen ausgerollten Teig faltete und dann in kleine Scheiben schnitt und diese anschließend wieder entfaltete und so lange Nudeln erhielt. Das Essen schmeckte auf alle Fälle lecker und wir gingen mit vollen Bäuchen zurück in den Stoffmarkt und ich probierte meinen ausgebesserten Anzug noch ein Mal an. Jetzt passte er und wir machten uns auf den Weg zum finalen Anprobieren der Mäntel im anderen Markt.

Der meiner Mutter passte, bei mir waren allerdings die Taschen zu weit oben angenäht und so mussten wir noch einmal 40 min totschlagen, bis er endlich passte und wir uns mit allen Kleidungsstücken auf den Heimweg machen konnten. 

Nach einer langen Taxifahrt mit vielen Stauperioden kamen wir um 17 Uhr, drei Stunden nach der Zeit, zu der wir eigentlich wieder da sein wollten, in der Wohnung an und ich konnte stolz meinen neuen Anzug, die Weste und den Mantel präsentieren.

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