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Tibet – Von Klöstern, Pässen und einer langen Busfahrt

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Tag 3

Wie schon gestern Nachmittag standen heute wieder Klöster auf dem Programm. Beide sind Gelbmützenkloster und gehören deshalb zur jüngsten Sekte des tibetischen Buddhismus: der Gelbmützen-Sekte, die wegen ihrer gelben Mützen so heißt. Es gibt neben ihr noch andere Sekten, wie zum Beispiel die Rot-, Schwarz- und Blumenmützen, allerdings zeichnet sie sich dadurch aus, dass ihre Mönche nicht heiraten dürfen.

Um 8:30 Uhr verließen wir das Hotel und begaben uns auf eine einstündige Busfahrt stromaufwärts entlang des Lhasa-Flusses, der bemerkenswert türkisfarbenes Wasser führte. Ebenfalls beeindruckend waren die hohen und massigen Berge, die das breite Tal begrenzen und nur spärlich mit Gräsern, Flechten, Kräutern und kleinen Sträuchern bewachsen sind. Ganz im Gegensatz zu diesen grau-braunen Riesen stand hingegen das Tal, in dem es Weiden, Äcker, den Fluss und kleinere Baumgruppen gibt. Ich vermute, dass irgendwann nach der Kulturrevolution mit der Wiederaufforstung begonnen wurde, da damals sämtliche Baumbestände in Tibet gerodet wurden. Jetzt, im Herbst, machen diese kleinen Bäume die Landschaft richtig interessant, da sie ihr mit grün bis gelben Farbtönen Abwechslung von den eintönigen Bergen im Hintergrund geben.

Nachdem sich unser Bus unzählige Serpentinen hinauf bis auf 3800 m geschlängelt hat, erreichten wir das Kloster Gandan, das während der Kulturrevolution zerstört, später aber wieder aufgebaut wurde und wahrscheinlich deshalb in so gutem Zustand ist. Es befindet sich am Hang eines Bersattels und beherbergt heute ca. 200 Mönche. Nachdem wir eine Gebühr von 20 ¥ (ungefähr 2,50 €) entrichteten war es uns das erste Mal gestattet innerhalb der Klostergebäude zu fotografieren und das nutzten wir selbstverständlich aus, da es neben unserer Reisegruppe nur wenige Touristen gab und es dementsprechend ruhig und leer war. Unterstützt durch einen ständigen tiefen Trommelschlag hatte ich dort das erste Mal das Gefühl, dass dies ein Ort klösterlichen Lebens und des Glaubens ist, der nicht ständig von Touristen ohne jeglichen Bezug zu Religion heimgesucht wird und dass ich wirklich mehr Beobachter als Störenfried war.

Bei dieser Atmosphäre schaute ich mir einige Räume an, die meistens mit kunstvollen Wandmalereien und Stoffen geschmückt waren und in denen sich selbstverständlich fast immer auch eine Buddha-Statue befand.

Da sich die Räume insgesamt aber doch ähnlich sind verließ ich die Klostergebäude und ging auf den rechten der beiden Berge, in der Hoffnung vom Gipfel aus einen wunderbaren Blick über das Tal und die dahinter liegenden Bergketten zu haben.

Meine Anstrengungen wurden mit einem überwältigenden Blick über einen kleinen aber beeindruckenden und wunderschönen Teil Tibets belohnt. Am liebsten hätte ich geschrien, aber Angesichts der Tatsache, dass das Kloster nur ungefähr 50 Höhenmeter unter mir lag, habe ich das dann doch lieber gelassen und mich still an der Aussicht erfreut. Nach einer Weile sah ich einen Geier, der sich langsam und majestätisch nach oben schraubte. Er war viel näher als die 16 Geier, die wir am Anfang über dem Kloster kreisen sahen und deshalb wechselte ich das Objektiv meines Fotoapparates (wie so oft) um ihn fotografieren zu können. Doch als das Objektiv gerade einrastete, hörte ich über mir ein Rauschen und als ich hochschaute, sah ich wie sich der Geier schnell entfernte.

Wahrscheinlich war es kein Zufall, Geier in der Nähe des Klosters zu sehen, da die häufigste Bestattungsmethode in Tibet die sogenannte Himmelsbestattung ist. Dabei passiert folgendes: Der Leichnam wird in 108 (magische Zahl im tibetischen Buddhismus) kleine Stücken zerteilt und diese werden dann offen auf der Spitze eines Berges aufgebahrt. Nun kommen die Geier und fressen diese kleinen Stückchen. Dadurch wird die Seele in den Himmel überführt. Die Knochen, die übrig bleiben, werden zerstampft und in ein Brot (Zamba) eingebacken, das man dann auch den Geiern zum Fraß vorwirft und damit wirklich der gesamte Verstorbene den Himmel erreicht. Ich persönlich glaube nicht, dass ich einen Verwandten auf diese Art und Weise bestatten würde, da der zerstückelte Leichnam durch die Geier und die Witterung (vor allem pralle Sonne) sicherlich schnell verunstaltet wird und nun mal offen anstatt unter der Erde rumliegt. Aber gut: Andere Kultur, andere Bräuche.

Im zweiten Kloster, das wir gegen 16:00 Uhr erreichten, sah es eigentlich nicht wirklich anders aus, außer dass es in der Ebene am Fuß eines Berges liegt und deshalb großflächiger ist. Weil es auch ein Gelbmützenkloster ist, zeigte uns unser Guide auch nur die Highlights:

1. Drei Sandmandalas:

Das sind Mandalas mit ca. 1,50 m Durchmesser, die aus buntem Sand bestehen, der so genau verteilt wurde, dass ich auf den ersten Blick dachte, es würde sich um ein Stoffmandala handeln. Das älteste der drei Mandalas ist schon acht Jahre alt und seine Farben sind auch schon verblasst. Wie viele Dinge im Buddhismus stellen diese Mandalas den Weg zum obersten Ziel, dem Eingang ins Nirvana, dar, das durch einen Quader in der Mitte symbolisiert wird. Jeder Mönch hat deshalb auch sein eigenes Mandala, in dem sein Charakter und seine Seele zum Ausdruck gebracht werden.

2. Das Debattieren

Dabei handelt es sich um mehr oder weniger lebhafte Diskussionen, bei denen sich die Mönche gegenseitig ihre Ansichten über Fragen präsentieren, die ihnen am Vormittag und frühen Nachmittag einfallen. Während des ?Debatings? sitzen sie meist in Dreiergrüppchen zusammen, wobei einer steht und darüber entscheidet, ob die Aussage eines Mönches richtig oder falsch ist. Wenn sie richtig ist, dann klatscht er mit der Handinnenfläche auf die Handinnenfläche der anderen Hand. Ist die Aussage jedoch falsch, klatscht er mit dem Handrücken auf die Innenfläche der anderen Hand. Die Geste ist dabei je nach Mönch unterschiedlich ausladend.

Es war äußerst interessant dieses Debattieren zu beobachten, allerdings bin ich mir nicht sicher, ob die Mönche das wochentags von 15-17 Uhr zuliebe der zahlreichen Touristen oder wirklich für sich machen. 

Schon ein wenig erleichtert nach diesem klösterlichen Tag wieder in die sekuläre Welt eintauchen zu dürfen, bereite ich mich jetzt schon wieder mental auf eine anstrengende Busfahrt und ein weiteres Kloster am morgigen Tag vor und schreibe jetzt: Gute Nacht!

 

Tag 4

Heute haben wir extrem viel von Tibet gesehen. Leider fast immer durch eine Glasschreibe und nur im Vorbeifahren ohne die Möglichkeit ein gutes Foto zu machen. Neben vier längeren Stops gab es zwar mehrere von unserem Reiseleiter so genannte Harmoniepausen, damit wir uns kurz die Beine vertreten oder gegen eine Gebühr von 1-2 Yuan erleichtern konnten und damit er eine Zigarette rauchen konnte, aber leider war die Landschaft gerade an diesen Orten nicht die schönste und auch die Zeit hatten wir nicht.

Nachdem morgens noch der Rückflug  für eine Familie, die die Höhe nicht vertrug, gebucht worden war, verließen wir um 9 Uhr das Hotel und fuhren entlang des Lhasa und später des Brahmaputra bis zu einem anfangs erst leicht dann aber stärker ansteigenden Tal, das uns zum ersten von drei Pässen führen sollte. Als der Bus alle Serpentinen bewältigt hatte, erwartete uns ein spektakulärer Blick in beide Richtungen:

Auf der einen Seite (woher wir gekommen waren) konnte man nun einen großen Teil des breiten Tales überblicken und über viele Bergketten hinwegsehen. Allerdings war keiner der Berge hoch genug um eine Schneedecke zu haben.

Dafür konnte man auf der anderen Seite am Horizont den weißen Gipfel eines 7100ers sehen. Davor erstreckte sich sich Tibets zweitgrößter See (laut Aussage des Reiseleiters), der auch ein Heiliger See ist. Beeindruckend war neben seiner Ausdehnung auch das für einen aus Schmelzwasser gespeisten Bergsee typische kräftige Türkis.

Zum Ende blieb mir ein Gang auf die Toilette nicht erspart und so begab ich mich in eine der am schlimmsten riechenden, dreckigsten und unhygienischsten Toiletten, die ich je genutzt habe. Da ich schon bezahlt hatte, blieb mir nichts anders übrig, als mein Geschäft zu verrichten, auch wenn ich es lieber gelassen hätte. Doch Chinesen/Tibeter haben da anscheinend absolut andere Vorstellungen und so hockte dort einer über einem der Löcher im Boden und telefonierte in aller Seelenruhe, als wäre dieser Ort wie geschaffen für Telefonate.

Als ich erleichtert wieder nach draußen ging, bemerkte ich, dass es zu allem Überfluss nicht ein Mal ein Waschbecken gab und und begab mich angeekelt wieder in den Bus.

Nun fuhren wir zuerst entlang des Sees und dann in einem Tal zum 2. Pass, der gleichzeitig auch den höchsten Punkt dieser Reise markieren sollte: 5040 m über Normal-Null. Für mich war es das erste Mal, dass ich überhaupt die 5000er-Marke überschritt, doch gemerkt habe ich davon eigentlich nichts, weil sich links und rechts Berge erhoben, denen man die Höhe nicht wirklich ansieht. Highlight dieses Passes war der Karola-Gletscher, der dort am Hang eines Berges hängt.

Auf der Suche nach einer guten Fotoposition um den gesamten Gletscher auf einem Bild zu haben, entfernte ich mich immer weiter vom Bus und vergaß vollkommen die Zeit. Als ich kurz vor dem Erreichen des finalen Hügels war, rief mir mein Vater zu, dass ich auf der Stelle zurückkommen sollte, da die ganz Gruppe schon warten würde.

Ich habe das allerdings ignoriert, da ich dieses eine Foto nun machen musste, weil sonst alle Anstrengung (Rennen/schnelles Gehen bergauf in 5000m Höhe) umsonst gewesen wäre. Also fotografierte ich noch schnell den Gletscher und rannte dann zum Bus zurück. Als ich dort ankam war ich völlig außer Atem und trotzdem glücklich, dieses eine Bild gemacht zu haben. Dieses Glücksgefühl schlug allerdings schon nach 3 Minuten Busfahrt in Enttäuschung um, da wir wieder anhielten für eine weitere Fotopause und der Gletscher diesmal schon vom Bus aus vollständig zu sehen war.

Der 3. Pass war im Vergleich zu den beiden zuvor relativ uninteressant, da man dort nur einen weiteren kleinen Bergsee und viele Gebetsfahnen sah. Viel interessanter hingegen war die Fahrt, weil man an den Talhängen sehr gut sehen konnte, welche Kraft Wasser entfalten kann und wie die Menschen in diesem abgeschiedenen Teil Tibets leben:

Links und rechts sah man Schluchten, die weit oben am Hang als kleine ausgewaschene Rinnen beginnen und am Fuß des Berges aber eine begehbare Schlucht sind. Daran konnte man, finde ich zumindest, sehr deutlich und beeindruckend sehen, was für Wassermassen hier während der Schneeschmelze herunterfließen müssen und dass sich diesen so gut wie gar nichts in den Weg stellen kann.

Trotz dieser jährlich wiederkehrenden Gefahr haben sich auch dort Menschen angesiedelt. Sie leben völlig unabhängig und betreiben Viehzucht und Ackerbau. Selbst Lehmziegel für ihre Häuser fertigen sie in Handarbeit selbst an, wobei die Ziegel nicht gebrannt, sondern zum trocknen in die Sonne gelegt werden.

Letzter Programmpunkt war für diesen Tag wieder ein Kloster, das sich dieses Mal durch seine über 500jährige Geschichte auszeichnete. Es liegt im Ort Gyantse, dessen Altstadt sich, genau wie das Kloster, seit dem Mittelalter nicht mehr großartig verändert hat. Dies zeigt sich z. B. durch Kühe, die einfach in ihrem eigenen Mist und ein wenig Stroh vor den Häusern und deren Dung getrocknet an den Wänden oder auf den Vordächern liegen. Im Winter wird er als Heizmaterial verwendet. Wären da nicht Autos, Motorräder, Kanaldeckel und Stromleitungen, dann könnte man wirklich meinen, Gyantse wäre in einigen Gassen im Mittelalter oder irgendwo kurz danach stehen geblieben. Dieser Eindruck änderte sich auch auf der Fahrt von Gyantse nach Shigatse nicht, da wir zwischen den beiden Orten nur Felder sahen, auf denen Bauern fast immer ohne Maschinen arbeiteten.

In Shigatse kamen wir ziemlich spät an und nach einem kurzen Abendbrot sind wir jetzt glaube ich alle froh, in einem Bett schlafen zu können.

Bilder aus Tibet

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