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Wenn Worte verschleiern sollen

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Den Roman "1984" von George Orwell habe ich irgendwann gegen Ende der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts gelesen und kann mich nur noch vage an die Handlung erinnern; von den Verfilmungen des Buchs habe ich nur die aus dem Jahr 1984 gesehen und kann mich, obwohl das nun auch schon länger als 30 Jahre her ist. an viele Szenen erinnern. Bevor nun die Befürchtung aufkommt, will ich ihr gleich mal entgegentreten: Nein, in diesem Blogeintrag geht es nicht um die Tatsache, dass in diesen Zeiten die Möglichkeiten der staatlichen Überwachung im Vergleich zu denen, die in dem Ende der vierziger Jahre geschriebenen Buches einem das Fürchten lehren wollten, um ein Vielfaches schlimmer anmuten und einem die Sorgenfalten ins Gesicht treiben könnten und sollten. Es geht um ein ganz anderes Thema, nur dass ich mit dieser Einleitung schon mal andeuten möchte, dass ich mich bei diesem Problem beziehungsweise bei dieser Kritik an einem Artikel in der Zeitung ohne zu zögern auf die Seite der zwei Leser stelle, die mich deswegen heute zwischen zehn und zwölf angerufen haben. 

Es geht um den Artikel "Die Macht der Nacht" (heute auf der Seite "Zeitgeschehen") über die Koalitionsgespräche und die Rolle, die dabei die Bundeskanzlerin spielt oder eben auch nicht ausfüllt. In einem Absatz heißte es wörtlich: "Überliefert sind tatsächlich nur drei inhaltliche Festlegungen der Kanzlerin: Es wird mit ihr keinen eigenen Haushalt für die Eurozone geben, die Schwarze Null ist Merkel heilig, und eine von ihr geführte Regierung wird den allmählichen Abschied von der Kohleverstromung nicht Kohleausstieg nennen, weil das 'Grünen-Sprech' sei. Nicht gerade viel für jemanden, der gerade wieder zur mächtigsten Politikerin der Welt gekürt wurde." Beide Anrufer wollten von mir wissen, was man unter "Sprech" zu verstehen habe, wobei die eine Frau in der Leitung vermutete, dass es sich "mal wieder um einen dieser englischen Wörter handelt, die kein Mensch braucht und gegen deren Verbreitung man sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln wehren sollte". Beiden habe ich gesagt: "Keine Ahnung, aber da es innerhalb einer indirekten Rede in Anführungsstrichen steht, gehe ich davon aus, dass Merkel es so gesagt hat. Ich versprach mich zu kümmern und bot ihnen an, mich deswegen noch ein zweites Mal anzurufen. Und beide haben sich tatsächlich noch einmal gemeldet, dann aber war ich schlauer, weil der für die Seite "Zeitgeschehen" zuständige Kollege mir die Sache - nachdem er selbst noch einmal dazu recherchiert hatte - erklärt und deshalb auch den passenden Absatz aus "Wikipedia" geschickt hat.

Ich zitiere: "Neusprech (englisch Newspeak) heißt die sprachpolitisch umgestaltete Sprache in George Orwells dystopischem Roman 1984. Durch Sprachplanung sollen sprachliche Ausdrucksmöglichkeiten beschränkt und damit die Freiheit des Denkens aufgehoben werden. (...) Neusprech wird im übertragenen Sinne als Bezeichnung für Sprachformen oder sprachliche Mittel gebraucht, die durch Sprachmanipulation bewusst verändert werden, um Tatsachen zu verbergen und die Ziele oder Ideologien der Anwender zu verschleiern." Und tatsächlich ging mir an dieser Stelle ein Licht auf, weil ich die Intention, mit der mein Kollege in dem Artikel von "Grünen-Sprech" geschrieben hatte, in jeder Beziehung nachvollziehen konnte und die Verwendung auch jetzt noch gut und passend finde. Nur auf diese Frage musste ich am Telefon ehrlich beantworten: "Dieses Hintergrundwissen ist so speziell, dass ich vom Leser nicht erwarten kann, es zu besitzen und dieses Wort in die richtige Beziehung zur Aussage des ganzen Satzes zu setzen. Meiner Ansicht nach hätte man die Absicht, etwas sprachlich mit "Grünen-Srech" auf den Punkt bringen zu wollen, auch mit nur wenigen Worten erklären können.

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