Corona zwingt letzte Videothek in die Knie

Die Entscheidung hatte André Weber schon vor den neuerlichen Corona-Beschränkungen getroffen: Vor wenigen Tagen hatte er seinen Videoverleih in Mittweida aufgegeben. Damit schloss die vermutlich letzte Videothek in Mittelsachsen. Im April 2018 hatte nach 26 Jahren der Videoverleih in Freiberg aufgegeben, vor einem Monat das Video-Center in Döbeln.

Nach den der Industrie- und Handelskammer (IHK) vorliegenden Informationen gibt es seit November keine Videothek mehr im Landkreis. Der Kammerbezirk Chemnitz hat laut IHK-Referentin Dr. Cindy Krause nur zwölf Unternehmen, die mit der Branchenkennziffer "Videothek" gemeldet sind. "Die Geschäftsfelder können sich aber geändert haben und zum Beispiel eine Konzentration auf den Verleih von Videokonsolen beziehungsweise Computerspielen gelegt worden sein", sagt Krause und verweist auf ein Chemnitzer Beispiel.

Bei Webers Video-Verleih am Rande des Stadtzentrums gab es nur eine Weile Spiele zum Ausleihen. Immer gefragt waren Filme, zunächst auf VHS-Kassetten. Ab 2003 sei mit diesem Format Schluss gewesen. Einige Bänder hat er beim Aufräumen noch gefunden. Doch diese sind jetzt in den Müll gewandert. Zum Verkauf standen bis zum Monatsende rund 6000 Filme auf DVD und Blu-ray. Der 31. Oktober sollte eigentlich sein letzter Arbeitstag sein, sagt der Mittweidaer. "Da war aber Feiertag, und Videotheken durften nicht öffnen." Ausgeliehen hat bei ihm schon eine Weile niemand mehr etwas, dafür hätten allerdings viele Leute etwas gekauft, nicht nur Stammkunden.

"Eine Frau hat fast 200 Filme mitgenommen", sagt Weber über den Ausverkauf in den zurückliegenden Wochen. "Kinderfilme gingen besonders gut." Laut Weber hat es einen Abverkauf bei ihm schon immer gegeben, weil er sein Sortiment ständig erneuern musste. Nur in diesem Jahr habe es kaum Neuerscheinungen gegeben, auch als Folge der Coronapandemie. Denn Kinostarts waren zuhauf verschoben worden.

Der Lockdown im Frühjahr habe die Videothek richtig hart getroffen. Weber musste mehrere Wochen schließen. "Danach sind die Kunden einfach weggeblieben", sagt der Mittweidaer. "Viele haben sich in der Zeit Angebote wie Netflix zugelegt und sind gar nicht wiedergekommen." In seiner Kartei waren seit der Eröffnung 1990 rund 9500 Mitglieder aufgenommen worden. Der Kreis der Stammkunden sei zuletzt aber sehr überschaubar gewesen.

Seit 1990 waren in Mittelsachsen nach einer IHK-Statistik 27 Unternehmen als Videothek tätig. Aus Sicht der Chemnitzer Handelskammer haben demografische Veränderungen, technische Innovationen und gesellschaftliche Faktoren wie ein verändertes Freizeitverhalten immer Effekte auf die Wirtschaft und darauf, wie Produkte und Dienstleistungen von Unternehmen nachgefragt werden. Die Unternehmen müssten sich quasi immer wieder neu erfinden und hinterfragen, ob Zielgruppe und Produkt zusammenpassen.

Im Kammerbezirk haben sich in diesem Jahr bisher 3885 Unternehmen abgemeldet. Zum Vergleich: 2019 waren es insgesamt 6755. "Bisher sind also noch keine Corona-Effekte abzulesen", sagt Krause. Liquiditätshilfen und das Aussetzen der Insolvenzantragspflicht hätten den Unternehmen "Luft" verschafft. "Im Einzelhandel ist zu erkennen, dass sich der Fachhandel rückläufig entwickelt und dass beispielsweise auch Modellbaugeschäfte kaum noch vor Ort zu finden sind", erklärt die Expertin. Einen der letzten Modellbahnshops gab es in Hainichen.

André Weber wird sich nun mit fast 61 Jahren arbeitssuchend melden. Er hatte den Beruf eines Schleifers gelernt, das war 1977. Das Haus mit der Videothek gehört ihm. Dort wohnt er. "Sonst wäre schon viel früher Schluss gewesen", sagt er. Mit dem Ende seines Gewerbes habe er sich abgefunden, auch wenn es ihm nach fast 31 Jahren schwer falle.

Die Mittweidaer mochten laut Webers Einschätzung sowohl Komödien als auch Actionfilme. Lieblingsfilme könne er aber nicht benennen. Er selbst hat ebenso wenig einen echten Favoriten. "Was im Kino ein Erfolg war, lief eigentlich auch im Verleih immer gut", bringt es Weber auf den Punkt. "Jedes Jahr hatte da so seine Highlights. Jeder Filme hat auch seine Halbwertszeit." Die Nachfrage nach "Kevin - Allein zu Haus" habe es fast jedes Jahr immer vor Weihnachten gegeben, auch jetzt wieder. Im Ausverkauf sei er nun mehrfach nach "Dirty Dancing" gefragt worden, aber dieser Klassiker ist raus.